Sonntag, 11. November 2012

Balibook of Ben and Bob


Das Reisetagebuch der Balireise 2012

jetzt neu: immer noch ohne Inhaltsverzeichnis

Balibook of Ben & Bob

Tag 1, 28. Oktober, FRA - Flughafen 21:45 Uhr

Nun denn, es war wieder soweit, ich war wieder unterwegs. 4 Jahre nach dem Kambodscha-Abenteuer mit Köm gab mir meine liebe Frau Beate, die ich mittlerweile geheiratet hatte, grünes Licht für eine weitere Asienreise. Dieses Mal stand Bali/Indonesien auf dem Ticket, dort war ich irgendwie auch noch nicht gewesen. Ich war übrigens noch nie südlich des Äquators. Dort standen die Leute anders herum, wenn man vom Weltall aus guckte, oder sie lagen, besonders in unmittelbarer Äquatornähe auf der Seite. Bali lag etwas über 8 Grad südlich des Äquators, ich war sicher, ich würde das zu schätzen wissen. Außerdem begann zuhause gerade so richtig der Winter.
Erst im Flugzeug traute ich mich das erste Mal mein Tagebuch aufzuschlagen, um die ersten Zeilen niederzuschreiben. Vorher war mir nicht danach. Ich saß nur stocksteif im Zug und haderte mit dem Empfang meines iPhones, weil ich mit aller Gewalt das Fußballspiel hören wollte. Da kam aber nichts. Nur kleckerweise mal für wenige Sekunden 3G, gerade genug um nach 90 Minuten als Verlierer vom Platz zu schlurfen. Ich hätte mir das schenken sollen, hätte nach Entspannung schreien sollen. Aber ich musste diese Urlaubsruhe erst neu erlernen. Ich hatte in den letzten 4 Jahren zuviel gearbeitet und viel zu oft in viel zu viele Bildschirmgeräte gestarrt, als dass ich mir das in so wenigen Stunden hätte abgewöhnen können. So blickte ich den Rest der Fahrt ins Leere, schlief mehrmals über meinem Buch ein, ohne der Geschichte zu folgen und ärgerte mich über meinen Gegenüber. Er zerkaute seine Pringles wie ein Pferd und fummelte an einer Stelle an seinem Hinterkopf. Erst tastete er daran herum, dann tupfte er sich irgendeine Suppe daraus mit einem Tempo ab. Später, als er sich unbeobachtet glaubte, lutschte er seinen Finger sogar ab. Das war mein Startsignal, ich wartete lieber mit den anderen im Gang auf den nächsten Halt: FRA-Flughafen.
Bis zum eigentlichen Flug ist nicht viel passiert. Alles nach Plan und ich machte auch keine gravierenden Fehler. Dass meine Ukulele nicht ins Bordgepäck durfte, war natürlich ein herber Schlag. Würde der Aufkleber »Fragile« halten? Merkten die das evtl. auch so, dass da kein Maschinengewehr in der Instrumententasche war, welches man nach Herzenslaune hin und her werfen durfte?
Musste ich mich wohl oder übel überraschen lassen, ob meine liebe Uke hinterher nicht zu einer hölzernen Triangel umgestaltet würde. Der Flug von Frankfurt nach Singapur sollte knapp 12 Stunden dauern und war an Ereignislosigkeit kaum zu übertreffen. Entgegen meiner wochenlang minutiös geplanten Vorbereitung, all die Opern durch zu hören, die ich mir legal auf's Telefon geladen hatte, sah ich mir dann doch lieber was im Fernsehen an: The Avengers und Ice Age 4, oder war das schon Teil 5? Aber das war ok. Ich hatte mir seit Monaten keinen Film mehr aus der Retorte angesehen, brachte es seit Sommer auf gerade mal 2 Folgen Magnum. Nach einer schlechten Folge Big Bang Theory beobachtete ich mein Handy beim Laden. Die hatten für jeden einen eigenen USB-Anschluss in Augenhöhe eingebaut. Die dachten mit, die Singaporianer. Dennoch war das hier alles nicht mein Ding. War ja ein Nachtflug, zumindest was die Abflugzeit anging. Also haben sie uns mit Essen, Snacks und Saufen vollgepumpt und als es ans Pinkeln ging, kamen die Turbulenzen. Sie erlaubten nicht die Fensterabdeckungen zu öffnen, weil wir sehr früh in die Morgendämmerung hinein flogen und die dann gleißende Sonne alle beim Poofen stören könnte. So gab es fast 5 Stunden keinen Service, weil alles dunkel war. Was soll's. Brauchte ich auch nicht dauernd auf den Pott, hatte ja schließlich einen Fensterplatz gebucht, online.
Als wir Indien überflogen, hätte ich gerne die ganze Zeit aus dem Fenster geglotzt. Aber niemand, aber auch wirklich niemand hatte im Flieger sein Fensterrollo auch nur einen winzigen Spalt breit offen. Die waren alle bescheuert. Wenn ich mein Rollo auch nur 5cm anhob, war sofort das ganze Flugzeug von meinem Licht durchflutet und alle sahen erbost zu mir herüber. Sowas war mir echt neu. Ich wollt' mir doch auch mal Indien ansehen, so wie mein Kumpel, der äh, scheiße, jetzt hab ich doch schon wieder seinen Namen vergessen. Irgendwas mit K... Na ja, den Flug hakte ich ab. Nur einen Becher Kaffee hab ich gesoffen, bei einer 12h Quasi-Nachtschicht. Nicht ein einziges Bier hab ich gespült, es kam einfach kein Arsch rum. Das würde ich aber sicher gleich nachholen, dachte ich bei mir. Wenn mal nicht, so wie sonst, alle Stricke rissen, würde bestimmt gleich mein Kumpel K mit ner Kiste Herri in Singapur auf der Landebahn stehen und winkend diesem Unterfangen den Stempel "Urlaub" aufdrücken.
Während Captain Schorse von ganz vorne noch ein wenig radebrach, konnte ich noch schnell beschreiben, wie die ungeschlossene Wolkendecke von oben aussah, welche unsere Boing 747 in Kürze zu durchstoßen gedachte: so wie immer. Weiß und fluffig. Über jedem Eiland, und war es noch so winzig, hing wie angebunden ein Wolkenballen und daneben, über dem Wasser, war der Himmel frei. Wie ein Wald aus Atompilzen. Weit vor der Küste Singapurs lagen geräumig verteilt hunderte Containerschiffe vor Anker. Sie hatten keinerlei Gischt an Bord und warteten. Nur die Schiffe, deren Bug in die andere Richtung zeigte, zogen das aufgewühlte Wasser der Schiffsschraube hinter sich her. Mit anderen Worten: Abhauen war gestattet, das Einlaufen in den Hafen gestaltete sich hingegen eher problembehaftet.
Danach war Landung, niemand klatschte. Ich stolperte durch die langen Hallen des singapuritanischen Megaflughafens und zog mir die Leute rein. Mit dem SkyDrive, einem Zug innerhalb des Flughafens ballerte ich zu meinem Terminalkomplex. Meine Augen brannten und ich musste Kacken, doch ich hatte gerade keinen Bock. Natürlich wollte ich K sehen, wollte endlich mal wieder ein Wort los werden, ohne dabei freundlich sein zu müssen. Doch der Kerl war nirgends zu sehen. Weder winkte er, noch stritt er mit einem Uniformierten. Ich hatte nicht einen Balken am Handy und war auf mich allein gestellt. Drauf geschissen, ich checkte schon mal ein, die Zeit wurde ohnehin langsam knapp. Dann klimperte plötzlich mein Handy herum und einige, zum Teil steinalte SMS gingen ein. Der Lump saß schon wieder seit 1h in einer Kneipe zwischen E und F, ich schmorte hinter Glas genau in E. Dann kam er, oder besser er köm, und wir knüpften da an, wo wir vor 4 Jahren in Kambodscha aufgehört hatten. Nur trug ich jetzt dabei eine Lesebrille.
Der kurze Flug von Singapur nach Denpasar/Bali war schnell erzählt, umso länger dauerte die Einreiseprozedur. An elend langen Schlangen stand man sich zunächst die Beine in den Bauch, um die Gebühr von 25$ für das Visum zu bezahlen. Danach stand man ein zweites Mal noch länger woanders, um das Visum zu erhalten. Unverhohlen wandelten Polizisten zwischen den Touristen auf und ab und gaben zu verstehen, dass man sie nur hier und jetzt mit lediglich 25$ zu schmieren bräuchte, um die Wartezeit auf ein Minimum zu verkürzen. Wir hatten Zeit. Darauf kam es jetzt echt nicht mehr an. Wir erleichterten einen Geldautomaten um sage und schreibe 6 Millionen Rupien und passierten dann den Zoll. Also ich passierte ihn. Köm musste auspacken. Offensichtlich stand ihm eine Vergangenheit ins Gesicht geschrieben, die mir entgangen war. Oder aber er wurde aufgrund seiner Körperbräune und seines indischen Reisebaartes als geschäftstüchtiger Grenzgänger entlarvt, nur hier um illegale Verbindungen zu pflegen und aufleben zu lassen. Er hatte schließlich einen dreimonatigen Aufenthalt in Indien und Sri Lanka hinter sich, falls ich das bisher noch nicht erwähnt hatte.
Es kam, wie immer an den Flughäfen dieser Welt und ganz besonders den asiatischen, die Sache mit den Taxifahrern. Sie belagerten mich. Während meiner ersten Zigarette seit 20 Stunden, umzingelten sie mich und zuppelten freundlich an mir herum. Köm war drinnen noch immer mit seinem Rucksack beschäftigt. Was sollte ich ihnen sagen? Ich wusste ja nicht mal genau wo wir waren, geschweige denn was wir wollten? Strand, Bier, aber was ging das die ganzen Taxifahrer an? Der eine wollte 250.000 Rupien haben, für die Fahrt gen Süden, raus aus der Stadt. Das waren grob gerechnet 25$, oder eben 19€. Ein anderer gab sich mit 150.000 Rupien zufrieden, das war unser Mann. Er war extrem kurzsichtig, jedenfalls fuhr er so. 40 Minuten Stadt-Land-Fluß-Rallye im stockdusteren Linksverkehr auf dem Mittelstreifen ohne erkennbare Regeln. Sein Gesicht klebte an der Scheibe und der Mittelstreifen wurde nur verlassen, wenn irgendwas entgegenkam. Der Wagen roch nach Fuß. Umgekippter Turnschuh. Irgendwas lag auf dem Armaturenbrett in kleinen Schälchen aus Bast, was nach Fuß roch. Ich hatte noch kein Auge für so etwas, ich war ja noch neu, aber natürlich kam ich recht fix hinter das Geheimnis: im buddhistischen Teil Indonesiens wurden den verschiedensten Göttern kleine Opfergaben dargelegt. Auf Treppen, in Eingängen, mitten auf die Straße oder eben auf das Armaturenbrett von Autos und Booten legte man Schälchen mit Reis und Blumen nieder, meist in einen kleinen Schrein. Je höher dieser Schrein gelegen, desto gütiger das Wesen der Götter, die tiefliegenden Gaben sollten die bösen Götter milde stimmen. Der Reis müffelte nach einer Weile nach Stinkesocke, so einfach war das. Vielleicht ist genau aus diesem Grund auf unserer rasanten Taxifahrt rein gar nichts passiert. Er schmiss uns am Strand raus. Da es sich um eine Steilküste handelte, wir das aber erst nicht wussten, nahmen wir unser Gepäck und stiefelten eine in Fels gehauene Treppe hinunter, ein paar hundert Stufen, runter zum Wasser. Immer der Technomucke entgegen. Techno? Am Strand war ne Megaparty am Gange, wegen Vollmond. Dort gab es Bier und Schnaps! Aber keine Unterkunft, beileibe nicht. Wir also wieder hoch die lange Treppe, völlig durchnässt, vom Geschleppe. Nun möchte man ja fragen, warum wir nicht zumindest für eine kleine Erfrischung dort verweilten? Die Theke war am anderen Ende der Bucht und wir kannten uns zu genau. Wir wären da versackt, ohne mit der Wimper zu zucken und hätten am Ende im Dreck gepennt. Deshalb erst die Treppe wieder hoch und oben an der Straße nach einem Zimmer gefragt. Das Padang Padang Sari hatte eine Bude nach unserem Geschmack. 2 große Betten, Ventilator, 2 Steckdosen; nahezu ideal. Das Bad mochte dem gemeinen Europäer vielleicht technisch nicht ganz entsprechen, aber sowas interessierte uns schon lange nicht mehr. Wir kannten das alles noch aus Kambodscha und Indien war da auch nicht viel anders. In der Regel hatte man eine Kloschüssel mit ewig nasser Brille, einen Brauseschlauch und das war’s. Hier hatten wir sogar noch so ein gefliestes Bassin, wo man Wasser einlaufen lassen konnte um es dann mit einer Schöpfkelle zum Spülen zu nutzen. Mehr brauchte es auch nicht. Man ging nackt auf’s Klo und kam nass wieder raus. Es waren 30°C, so machte man das. Waschbecken waren was für Weicheier. Nach dem Aus(k)packen sind wir frisch runter zum Strand, wieder die Treppe. Auch sie roch nach Fuß. Es war irgendwas nach 23 Uhr. Der Bass möllerte wie beim Dynamitfischen und das Bier lag im Eis. Wir setzten uns etwas abseits und störten versehentlich ein junges französisches Liebespaar beim Pimpern. Gingen wir eben ein paar Meter weiter und setzten uns dort auf einen Fels. Wie sich herausstellte, hatten die beiden vergessen, wo sie in lüsternem Eifer ihre Kleider nebst Wertsachen abgelegt hatten und kamen später ganz aufgelöst zu uns herüber, ob wir jemanden beim Klauen gesehen hätten. „Nö, aber hier liegt was“, ich leuchtete mit meiner Lenser P7 den Sand aus. War das eine Freude für die mittlerweile 5 Franzosen; das ganze Gelumpe lag dort, Handtasche, Wertsachen, Unterhosen und alles. Wir waren Helden für die Clique, dabei hatten wir nur da gesessen und den Vollmond angestarrt, der tatsächlich voll auf der Seite lag. Nicht ganz anders herum, wie ich fälschlicherweise annahm. Die Franzosen bedankten sich noch Stunden später nahe der sandigen Tanzfläche auf deutsch, englisch und französisch, alles in einem Satz. Wie der Abend ausging, brauche ich hier wohl nicht lang auszuführen, jedenfalls gehörten Köm und Roat (wir nannten uns jetzt Ben und Bob) zu den letzten Gästen am letzten noch nicht fortgeräumten Tisch.

Tag 2, Dienstag 30.Oktober, Padang Padang

Am Tag danach fiel die Wahl leicht; er Reis, ich Nudeln, beides mit Chicken. Wir liehen uns eine Honda und tranken eine Runde Brüderschaft mit dem Linksverkehr. Einmal die Strände in der Gegend abgeklappert, vielleicht ´ne Unterkunft direkt am Strand mit Blick aufs Wasser, aber wir fanden nix passendes in unserer Preisklasse. In einer Kneipe im Fels der Steilküste hingen wir ne Weile ab und studierten die wilden Surfer dort draußen bei den Megawellen. Am Ende besorgten wir uns „nur“ neue Simkarten und somit Internet für unsere Smartphones und ließen den Tag genügsam am Zimmer ausklingen. Manchmal war es eben doch wichtig, dass man dabei war, wenn der Gecko seinen Kopf bewegte, obwohl man hätte schwören können, dass jemand ihn dort hin geklebt hatte, so bewegungslos wie er seit Stunden an der Wand verharrte. Vermutlich dachte der Gecko das Gleiche von uns auch, wie er uns so sitzen sah.

Tag 3, Mittwoch 31.Oktober, Anfahrt zu den Gili Islands

Um 6:45 Uhr war die Nacht am Ende. Gott sei Dank. Ich hab so geölt und lag mehr quer als schräg. Gleich sollte ein Fahrer kommen, um uns zum Transfer zu den Gili Inseln zu bringen. Köm hatte gestern irgendwo ein Prospekt liegen sehen, wo so ein Transfer angeboten wurde und hat da angerufen. Der junge Mann kam sehr pünktlich mit dem Minivan vorbei und schon waren wir wieder auf der Straße. Es ging 1,5h quer durch Südbali ostwärts nach Benoa zum Ablegerstrand. Dort bestiegen wir ein Speedboot mit 3 Außenbordern, dass mit 46km/h die hellblaue See durchschnitt. Endlich fand ich mich in einem Gemütszustand der seligen Starre wieder, regungslos den Blick aufs Meer gerichtet, wie Ahab. Ohne den Zwang lesen zu müssen, zu schreiben oder mit dem scheiß Telefon herum zu spielen. Einfach nur stundenlang sitzen und glotzen. Wie hatte ich es vermisst. Ich genoss die Leere in meinem Kopf. Und das Bintang, welches Köm interessanterweise und unerwartet aus seinem Rucksack zauberte.
Das Boot klapperte die Anlegeplätze seiner Route ab, die Leute kamen und gingen und gegen Mittag betraten Köm und ich die berühmt berüchtigte Gili-Insel Pulau Trawangan, ein Flecken wie er malerischer kaum sein konnte. Am Anleger, bloßer Strand, kein Hafen oder so, waren natürlich die Strandbars aufgereiht. Das war auch gut so, denn wir hatten keine Zeit zum Frühstücken gehabt, nur so ein paar Kekse und Wasser mit Bier. Also schön was eingeschoben, Nudeln mit Reis oder was weiß ich, dazu ein Kühles, ach wie herrlich dieses Leben doch war.
Nach dem Essen besorgte sich Köm, äh Ben, ein Fahrrad und fuhr die Straße rauf und runter, auf der Suche nach dem richtigen Gästehaus. Geschickt wich er den Pferdekarren aus, die hier die Autos und Taxen komplett ersetzten. Motorfahrzeuge waren nicht gestattet. Ich passte derweil auf die Rucksäcke auf und wippte mit dem Fuß. Ein Gilineser und ein junger Finne hatten ihre Gitarren getauscht und spielten alte Weisen von Marc Knopfler und den Red Hot Chili Peppers. Köm, äh Ben, kam nicht an Laden, so war ich gezwungen nachzuordern. Die Erfrischung war noch nicht mal halb warm geworden, da kehrte er mit froher Kunde zurück. Er hatte eine Bleibe erspäht, ein für unsere Ansprüche nahezu fürstliches Zimmer im Brothers Homestay. Wenige Meter bis zum Meer mit Frühstück, Pool und der Tauchschule Scuba Diving gleich nebenan. Wenn wir es drauf anlegten, brachte uns Mike 3.1 (sein 3. Zahn in der 1. Reihe unten fehlte) alles was wir brauchten. Zunächst machten wir davon regen Gebrauch, später gingen wir selbst zum Laden nach vorne. Nach einem weiteren von diesen kleinen Pläuschken mit Hill, dem anderen von den drei Gästehausfachangestellten, gingen wir ins Wasser. Ein Traum in Türkis. Die ersten so halb intakten Korallen waren schon nach gut 10-15m erschwommen, mit Fischen wie im Zoogeschäft. Ben hatte also seine Schnorchelausrüstung nicht ganz umsonst durch halb Indien geschleppt, das zahlte sich jetzt aus. Wir wechselten uns ab; einer zählte Fische, der andere passte auf den Rucksack auf. Die Bestellung der Erfrischungen verlief synchron. Im Süden war die Insel Lombok zu sehen, unheilvoll hingen dunkle Wolken über den Vulkanen. Einige Tropfen Regen schafften es zu uns herüber. Das war uns jedoch sowas von schnuppe, ich fand einfach keine Worte dafür.
Abends gingen wir Essen. Ich litt unter fürchterlichen Kopfschmerzen und warf alsbald das Handtuch. Aber geschmeckt hat’s dennoch. Wenn man bei dem Wetter vergaß, nebenbei ein paar Liter Wasser in sich hinein zu kippen, wurde man früher oder später dafür mit einer Hirse bestraft. Das musste ich mir echt mal merken. Das war alles mit dem deutschen Spielzeugsommer nicht vergleichbar. Köm kam irgendwann später nach Hause und pennte wegen der Hitze draußen vor der Hütte (unserem Zelt, wie wir es nannten) auf den bloßen Fliesen. Das wusste am nächsten Morgen die komplette Nachbarschaft, denn sein Geschnarche war lauter als das Gebölke des Imams um 4:30 Uhr aus der Moschee um die Ecke.

Tag 4, Donnerstag, 1.November, Pulau Trawangan

Am Morgen sah alles schon ganz anders aus. Ich war wieder fit, auch wenn ich vielleicht nicht so aussah. Das nasse Bettzeug trocknete schnell, denn es waren um 8:00 Uhr schon wieder 5000°C. Die Handtücher auf der Leine zerfielen binnen Sekunden zu Asche und die Vögel stürzten als schwarze Klumpen vor unsere Terrasse. Das Frühstück fiel klein aus: Obstsalat für Ben, Jaffle aus dem Sandwichmaker für Bob. Der Kaffee war ne Sache für sich, ein süßes Gebräu, stark wie Hulle, die halbe Tasse voll Satz und eine Milch (Susu) von spermatöser Konsistenz. Aber er tat seinen Dienst und nur darauf kam es an, hier in der Wildnis; Funktion, reine Funktion.
Richtig geraten, lieber Leser, kurz danach wählten wir zwei Liegen am Wasser und taten nichts. Ein langnadeliger Nadelbaum spendete uns Schatten, das war die einzige Möglichkeit in dieser Wildnis zu überleben. Die Boote kamen und gingen, ebenso die Ketten- und Tinnefverkäufer. Über Lombok braute sich erneut ein Unwetter zusammen, als Köm mit Bananen wieder kam. Der Wind legte zu. Die langen Nadeln vom langnadeligen Nadelbaum trudelten auf uns hernieder und besudelten uns pudelwohl fühlende Indogermanen. Ansonsten geschah nichts von Belang. Gaaanz langsam machten wir uns irgendwann zurück zum Zelt.
Unterdessen knöpfte ich mir mein Otak (Gehirn) vor und löschte einige Begriffe aus meinem Vokabular: gleichförmiger Zeitverlauf, Sockenfussel, Klopapier, Mangel. Anschließend klickte ich auf Speichern des Hippocampus und nahm einen Chips mit Lachsgeschmack der Klasse High End 1a. Der Imam ließ eins von seinen 180 Abendgebeten erklingen. War das ein Zeichen des Aufbruchs? Naan. Wir saßen und hörten laut Metal und danach all das andere Zeug, was der Zufall aus unseren insgesamt 91GB Mp3 auszuwählen pflegte. Bis der Hunger unerträglich wurde.
Dafür kam natürlich eine Bar im Sand in Frage, schließlich spiegelte sich bald der Mond im Wasser. Das Essen war überall gleich lecker und bekömmlich, das Bier war immer Bintang. Einzig und allein die Lautstärke war ausschlaggebend für die Wahl der Einkehr. Wenn Musik gespielt wurde, dann meist gleich so laut, dass der Reis vom Tisch fiel. Wir erstrebten stets eine Bar „daneben aber nicht dazwischen“. Essen im Schneidersitz oder halb im Liegen war für unsere müden Knochen eine Herausforderung und manchmal sah man total beknackt dabei aus, doch das steckten wir weg. Weiter südlich am Strand saßen später die Finnen mit den Amis und den einheimischen Bengels am Feuer. Wir fläzten uns in zwei Strandsessel daneben, genossen den aufgehenden, abnehmenden Mond in Konjunktur mit Jupiter und Aldebaran. Orion machte sich auch schon auf die Socken zum Zenit. Es wurde später. Nächster Halt: Sama Sama Bar, ein Riesenschuppen mit cooler Livemusik. The Mellow Mood Reggea Soul Band. Drinnen war der Teufel los, also saßen wir draußen an der Theke im Sand. Bis Feierabend, dann trafen wir auf dem Weg zum Kaufmannsladen Aiki, den Franzosen mit seinem Akkordeon und seiner japanischen Freundin, zusammen mit einer Hand voll Indobengels. Einer hatte sogar eine Ukulele dabei, total verstimmt und kaputt, aber es hörte sich an. Man konnte sie nicht stimmen, weil zwei Wirbel kaputt waren, und bei dem Versuch es dennoch zu probieren, hab ich sie ihm ganz versaut. War ja auch schon spät. Wir hingen mit der Truppe ne Weile ab und verabredeten uns für den nächsten Tag. Ich hätte ja auch meine eigene Ukulele dort mit hin nehmen können, doch ehrlich gesagt war ich nicht der Typ, der mit einem Instrument unterm Arm den ganzen Abend durch die Gegend rennt, um bei jedem möglichen Event erklären zu müssen, dass er die Lieder nicht auswendig kannte und sowieso immer das Gleiche spielte. Am Zelt war es zu warm, also gingen wir nochmal raan. Ins Wasser. Bis Sonnenaufgang war es nicht mehr lang hin. Schwerelos auf dem noch warmen Wasser liegend, drehten wir uns und folgten dem Lauf der Sterne und des Mondes. Er war schön, aber er überstrahlte mit seinem gleißenden Licht die Sternenwelt des Südhimmels, mit Sternen, die ich persönlich noch nie zuvor gesehen habe.

Tag 5, Freitag, 2. November, Pulau Trawangan

Frühstück am Strand, danach einfach da geblieben. Schnorcheln. Köm hat eine Schildkröte gesehen und kam ganz aufgeregt angelaufen. Er zeigte mit dem nassen Finger auf die schwarze und die blaue Boje dort draußen, wo das Riff in die tiefe See abfiel. Ich riß ihm die Taucherbrille aus der Hand und ging raan. Die Paddeln warf er mir hinterher, doch nur eine traf. Das war halt nicht seine Stärke. Für ihn war am besten, er lag mit offenen Mund im Sand, das war sein Ding, da konnte er punkten.
Drinne fand ich mich umgeben von Fischschwärmen jeder Größe. Also große Schwärme mit kleinen Fischen und eher kleine Schwärme mit großen Fischen. Ich sah große Flossen an mittelgroßen Fischen in kleinen Schwärmen und gleich darauf das genaue Gegenteil davon. Sie alle waren vertreten. Noch berauscht vom Anblick der Skalare, sah ich ihn auch: den Schildkröt! Von einem Fragattfisch begleitet, flog er durch sein dreidimensionales Reich, ich folgte ihm ins Flache.1 Ich bekam richtig Herzklopfen bei der Sache und musste regulierend in meine Atemtechnik eingreifen. Nee doch, da geht einem schon das Herz auf, wenn man das Glück hat, sowas sehen zu dürfen. Diese beseelte Ruhe, die die Unterwasserwelt ausstrahlte, war ansteckend. Man stieg als neuer Mensch aus dem Wasser, gereinigt aber durstig, wegen des Salzes. Die See hatte magische Kräfte. Sie heilte Verspannungen, ließ Pickel abklingen, drang bis in die letzte Nebenhöhle. Sie hatte auch direkten Einfluss auf den Fortschritt der Zeit. Ein Paradoxon, an dem sich schon die klügsten Köpfe versuchten, ohne je einer Lösung entgegen gestolpert zu sein: sobald man in die Richtung des Meeres sieht oder es gar berührt, vergeht die eigene Zeit ca. 3,7x langsamer. Gleichzeitig wird die Rotationsgeschwindigkeit der Erde um 21% angehoben, so dass es im Grunde jedes Mal halb fünf ist, wenn man das erste Mal auf die Uhr guckt, egal wie man es anstellt. Gerade noch beim Frühstück und zack! Halb fünf. So konnten wir zwar den Leitsatz kein Bier vor vier aushebeln, dennoch barg der Umgang mit der See die Gefahr, dass einem die Zeit durch die Finger glitt. Wir nahmen uns vor, darüber mal in Ruhe nachzudenken. Vielleicht sogar bei einem Erfrischungsgetränk, wer konnte das schon so genau sagen. Noch vor Sonnenuntergang schlappten wir 1,9km zum Süden der Insel. Dort wohnten offenbar die Reichen in ihren eingezäunten Resorts. Drumherum waren Baustellen, dazwischen, im Gebüsch am Strand, wohnten die Bauarbeiter mit ihren Frauen unter Planen neben der Schubkarre. Irgendwo hinter der Südspitze des Eilands2 konnte man den Sonnenuntergang sehen, doch das hatten wir verpasst, weil ich uns mit der App fürs Geocaching in die Irre geführt hatte. Das war da, wo wir die Postkarten gekauft haben, Köm, weißt Du noch? Wir mussten langsam aufpassen, dass wir die Tage nicht durcheinander brachten. Das einzig konstante Zeitmaß war die jeweilige Mondphase. Die Bar am Zipfel war schon fertig gestellt, am Strand waren noch freie Stühle. Wir setzten uns in der Erwartung eine Runde Halbe-Halbe zu spielen, obwohl ja eigentlich 0,62l in der großen Flasche drin waren. Die Kellner haben unsere Bestellung vergessen, also hauten wir wieder ab, am Himmel ein Farbenspiel in maximaler Auflösung und Farbtiefe. Auf dem Rückweg stießen wir dann endlich auf einen Markt, wo die Einheimischen zu Speisen pflegten. Alles nur halb so teuer und in Echt. Genau sowas suchten wir eigentlich ständig. Für exakt 100.000 Rupien, also 8€, gab es 2 gute Essen, 2 große Bier und ne Schachtel Marlboro. So gestärkt konnte kommen was wolle, wir waren vorbereitet. Nach dem Abhängen vorm Zelt, latschten wir wieder runter zum Platz neben der Sama Sama Reggea Bar und besuchten die alten Freunde von gestern. Sie waren fast alle da und es wurde wieder ein cooler Abend mit Gitarre, Akkordeon und Gesang. Auf Trawangan sind alle locker drauf, ich konnte mir da echt mal ne Scheibe abschneiden. Mitunter wirkte ich immer noch leicht verklemmt, so ein bisschen norddeutsch, mit einem Touch stammelnder Wortkargerei. Die gemeinsame Musik half mir da etwas auf die Beine. Köm sah man nicht an, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Offenbar stimmte alles.

Tag 6, Samstag, 3. November, Pulau Trawangan

Viel zu lange gepooft. Der Tag war schon halb rum. Für das Frühstück wollten wir wieder zum Markt. Den hatten sie aber komplett abgebaut und weggebracht. Was lernten wir daraus? Den gibt es nur Abends. Dann eben wie sonst am Strand, Mie Goreng und Chicken Curry. War ausdrücklich zum Verzehr geeignet. Ansonsten hingen wir zum Schnorcheln diesmal mehr nördlich am Strand ab, auch dort ein Schildkröt bei der Nahrungsaufnahme zwischen tausenden leuchtenden Fischen. Die Zeiger meiner Uhr sahen aus wie zwei rotierende Scheiben und das Ticken war nurmehr ein anhaltender Dauerton. Schon brach die Dämmerung über das Land hinein. Ben suchte sich ein Internetcafé und ich gammelte am Zelt rum. Im Grunde war das alles. Das Essen am Abendmarkt und die Halben am Nachtstrand auf Holzliegen waren obligatorisch, das muss ich ja nicht jedes Mal erwähnen, da werd ich ja nicht fertig.

Tag 7, Sonntag, 4. November, Pulau Trawangan

Irgendwas war anders an diesem Tag. Völlig verwirrt nippten wir am pechschwarzen Lombok-Coffee und verglichen im Geiste den Anblick der See mit gestern und vorgestern. Nicht die Anzahl der Boote, nicht die Menge der Jaffles brachte uns so aus dem Konzept; nein, es waren die Wellen. Sie hatten ihre Richtung geändert und kamen jetzt von leicht schräg, sagen wir von auf 2 Uhr. Das war eindeutig zu viel für uns und wir mussten uns erst mal ne Weile setzen, um uns von dem Schock zu erholen. Zum Glück standen unsere Liegen noch an der gleichen Stelle unter dem Baum. Wenn wir schlau waren, gingen wir erstmal raan, den Schildkröter besuchen, dort hinten bei Koralle 47, gleich neben der Stelle mit den Skalaren.
Köm hat eine Dri-Dock besorgt, eine feste, durchsichtige Plastiktasche, extra für Digicams zur Unterwasserfotografie. Der Eingriff war mit zwei Zipverschlüßen mehrmals faltbar und zudem mit Druckknöpfen doppelt gemoppelt. Sichtlich nervös wagte er den ersten Versuch mit seiner Casio Exilim. Die Testphase mit einer Schachtel Marlboro war bereits abgeschlossen. Köm blieb ziemlich lange draußen, so dass die Tüte offensichtlich funktionierte. Vielleicht war er aber auch ersoffen. Das festzustellen war mir im Moment nicht möglich, denn ich wollte noch ein paar Worte über die Schulklasse verlieren. Kleine Gruppen aus indonesischen Schülern aus Mataram, ich würde sagen, so um die 14 Jahre alt, zogen über den Strand. Sie hatten von ihrem Lehrer die Aufgabe gestellt bekommen, ein paar Touristen anzusprechen und einige Fragen zu stellen, um ihr Englisch zu trainieren. Da kamen wir ins Spiel. Schüchtern und zaghaft interviewten sie uns abwechselnd vor laufender Kamera, dann hatten sie vergessen den Auslöser zu drücken und alles nochmal. Das hat uns allen richtig Böcke gemacht, die waren echt drollig.
Für den Sonnenuntergang haben wir uns Fahrräder geliehen und sind nordwärts zur anderen Seite der Insel gefahren, denn – wie gesagt – bei unserem Strandabschnitt gab es nur den Sonnenaufgang im Angebot, welchen wir aus oben beschriebenen Gründen immer verpasst hatten. Die Fahrt wäre normalerweise ein Klacks, doch der Weg rundherum war noch größtenteils naturbelassen. Mit den klapprigen Damenrädern durch den staubigen Korallensand zu ackern, war eine zum Schieben verurteilte Plackerei. Wir haben die Arschbacken zusammengebissen und es irgendwie geschafft. 100m Schieben, 50m Fahren, so wie es kam. Schließlich mussten die vielen Nudeln mit Chicken und die Myriaden Bintang besar (groß) irgendwie verbrannt werden. Beim letzten Mal, in Kambodscha, bin ich nämlich mit 5kg mehr auf den Rippen und einem dicken Bauch nach Hause gekommen, den ich bis dato nicht wieder losgeworden bin. Ob allerdings diese kleine Radtour in der Lage war, dem Bauch entgegen zu wirken, stelle ich einfach mal als ungeklärten Fall in den Raum hinein. Wenn man sich nämlich die Terrasse vor unserem Zelt am frühen Morgen ansah, konnte man das kalte Grausen bekommen. Dort sah es mitunter aus, als würden wir eine Recyclingstation betreiben.
Wir genossen den Sunset, machten Fotos vom Agung auf Bali, fuhren zum Abendmarkt und kehrten zum Zelt zurück. Dort erfreuten wir uns wie gehabt am Gebrüll irgendeiner Metalband, als plötzlich eine neue Nachbarin vorbeischlappte. Sie hieß Lorette und nannte sich Linda. Ihr folgte Hill, unser neuer Kumpel vom Brother’s Guesthouse. Wir kamen so ins Gespräch und besorgten von nebenan 2 Stühle. Linda kam aus Holland und konnte zum Glück kaum deutsch und so quasselten wir 4 über Gott und die Welt auf englisch, was die Sache ja grundsätzlich bereichert. Auf ihrem iPod stellte sie uns Ill Niño und Breed 77 vor, bis das Flaschenmeer um uns herum auf Ozeangröße anschwoll. Leider mussten wir zeitig abbrechen, wir hatten für morgens ein Boot gebucht. Irgendwann mussten wir Gili Trawangan ja mal verlassen. Wenn wir nicht aufpassten, würde ein Tag den anderen nur so abklatschen und alles, woran wir uns am Ende erinnern konnten, wäre Saufen am Strand und dann Fressen. Auch wenn uns das Postkartenidyll ans Herz gewachsen war und die Leute langsam Gesicht und Identität für uns bekamen, wir planten was geplant werden musste: die Abreise. Wie echte Männer eben, in Badelatschen.

Tag 8, Montag, 5. November, Fahrt nach Amed auf Bali

Wir standen punkt 10 gepackt am Strand bei der Sama-Sama-Bar und warteten, jeder mit einer kalten, großen Flasche Wasser, auf das Boot. In unseren Augen spiegelte sich noch die Farbe des gestrigen Sonnenuntergangs wider.
Der Abschied an der Rezeption war herzlich, das Trinkgeld angemessen und Hill trug sein neues T-Shirt, welches ich ihm überlassen hatte. Die Reise über das Meer dauerte insgesamt weitaus länger, als es die Prophezeiungen bei Ticketkauf verhießen. Die See war ruppig, es stank nach Benzin und das Ende war ersehnt. Mir war zeitweise übel, bei Köm war man sich da nie so ganz sicher. Seinem Standard-Gesichtsausdruck nach konnte man meinen, er unterzöge sich stets einem klingonischen Schmerzritual. Wenn man ihn allgemeinhin ansprach, sah man sich meist händeringend nach ärztlichem Beistand um. Irgendwo erbrach ein Kind. Die Fahrgäste auf dem Dach des Bootes wurden sicherheitshalber hereingebeten. Sie waren triefnass und sicher des Festklammerns müde. Nachdem die Gili Inseln einzeln abgeklappert waren und auch auf Lombok noch jemand zugestiegen war, nahmen wir Kurs auf Amed / Bali. Nun ja, kein weißer Strand sondern Kieselsteine aus dem Schlund des Vulkans Agung, welcher mit seinen über 3000m alles majestätisch überdauerte. Es schien, als sei Köms Verstand kurzzeitig zurückgekehrt, denn es gelang ihm ohne viel Aufhebens einen Motorroller zu mieten, einen blauen 125er Yamaha Xeon 125 CC. Die restlichen 14 Tage sollte er unser sein, wir konnten also nach Herzenslaune herum heizen und uns alles anglotzen. Natürlich konnte man auf diese Weise auch die Gästehäuser in Ruhe inspizieren und war diesbezüglich nicht auf die Aussage und Absicht eines Taxifahrers angewiesen.
Der Ausblick von der Terrasse unserer Bude im Jemeluk entschädigte für den fehlenden weißen Sand. http://www.panoramio.com/photo/62395417?source=wapi&referrer=kh.google.com Unser Zimmer war sozusagen in den Fels der Steinküste gebaut, von wo aus man in die Bucht hinein und darüber hinwegsehen konnte. Da fühlte sich das Haar gleich viel kräftiger an. Dort unten standen dicht an dicht die weißen Fischerboote am Strand, mit ihren bunten aufgerollten Segeln. Im Meer spielten 3 Kinder, Touristen waren keine auszumachen. Wir chillten ne Weile, bis aus einem Gebäude dort unten zwischen den Palmen ein pulsierender Lärm zu uns hoch flatterte. Mit dem Ferngerät konnte man die Menschen erkennen. Köm schloss auf eine Hahnenkampfarena und sollte Recht behalten. Mit dem Moped fuhren wir die Straße, die Jalan Abang-Adem hinunter und sahen uns das mal genauer an.
Das ist ja echt ne Nummer, davon hat ja auch jeder schon mal gehört und man kennt das ja aus dem Fernsehen, aber wenn man mal dabei ist, glotzt man doch verschnupft aus der Wäsche. Mehr als 100 Männer und ein paar Knaben gesellen sich um eine Zaunkonstruktion aus Holz und Bambus. Im Innern streiten und verhandeln die Akteure und präsentieren ihre Hähne dem wettenden Publikum. In den Ecken werden den stolzen Gockeln scharfe Klingen an den Fuß gebunden. Dann wiegeln sie 2 Hähne gegeneinander auf und lassen sie miteinander balgen. Sobald einer dem anderen, eigentlich eher zufällig, eine Wunde mit der Klinge zufügt, ist irgendwas entschieden. Der Sachverhalt erschließt sich einem nicht auf Anhieb, denn in dem schlagartig zunehmenden Gewusel bekommt das ungeschulte Auge zunächst erstmal gar nichts mit. Alle brüllen wild durcheinander und wedeln mit Geldscheinen herum. Sie ziehen hoch und spucken aus und machen Witze. Sobald ein Hahn blutet, stehen fast alle von ihren Plätzen, den langen Bänken aus beindickem Bambusrohr, auf und verdecken die Sicht. Wer da nicht schnell ist oder günstig steht, sieht im entscheidenden Moment nur ein buntes Hemd oder einen schwarzen Hinterkopf. Nebenher verkaufen eine Handvoll Frauen Essen oder Snacks. Alkohol ist dabei nicht im Spiel, nirgendwo ist auch nur eine Bierflasche zu sehen oder so.
Die glücklosen Hähne werden etwas abseits der Arena gerupft, zerlegt und vergeben und verkauft. Die noch lebenden Verlierer werden auf grausame Weise misshandelt, das muss man knallhart eingestehen. Bei lebendigem Leibe wird dem ohnehin schon blutenden Tier zuerst das bewaffnete Bein abgeschnitten, damit ein Gehilfe schon mal in Ruhe die Klinge abtüddeln kann. Die wird ja gleich beim übernächsten Kampf wieder gebraucht. Dann werden dem Hahn die schönen Zierfedern ausgerissen. Erst dann erfolgt der ersehnte Todesstoß mit dem Messer in die Brust. Noch bevor der Hahn richtig tot ist, wird er zum Brühen in kochendes Wasser gesteckt, so dass er sich butterweich rupfen lässt.
Ein dreijähriger Bengel lief spielend mit einem Bündel Füße herum. In Körben und Säcken zappelten weitere Hähne. Auf einem erhöhten Podest im hinteren Teil des Gebäudes standen weitere 20 Männer um Hockende herum. Dort war ein Glückspiel am Gange, irgendwie setzte man auf Farben in Kreisen. Ich hab nix kapiert. Punkt 18:00 Uhr war das Spektakel vorbei, alle setzten sich auf die mehr als 50 Mopeds , klemmten sich die überlebenden Gockels unter den Arm und stoben davon. Wir auch, denn wir hatten Hunger und brauchten dringend Geld aus einem Geldautomaten (ATM), ein paar Kilometer landeinwärts. Während Ben fuhr, hatte ich Zeit zum Nachdenken. Warum gaben sie dem Hahn, der als nächster Gladiator in den Ring steigen musste, ein Stück Fleisch von einem, der gerade gerupft worden war? Fleisch vom Verlierer sozusagen? War das nicht kontraproduktiv, vom streng logischen her gesehen? Wusste Köm es? Naan.
Der ATM war leer, unsere finanzielle Situation erhielt das Prädikat brenzlig. Es hieß, zum Abend sollte er mit Geld gefüllt werden, doch das musste jetzt nicht unbedingt auch passieren. Solche Aussagen waren nicht verlässlich. Wir kauften 2x Reis mit asiatischem Allerlei und fuhren ein ganzes Stück einfach irgendwie bergauf, zu einer Stelle am Straßenrand wo man sitzend essen konnte. Portion 50 Cent, nahrhaft, lecker und extrem scharf. Dann sind wir wieder, ohne neues Geld, nach Hause. Diesmal fuhr ich, das erste Mal im Leben im Linksverkehr.
An diesem Abend wurden wir nicht alt. Wir wollten einfach mal richtig pennen und die Betten sahen genau danach aus. Ein zusätzliches Bett stand auf der Terrasse im Draußen mit Blick aufs Meer. Ich überließ es Köm. Meine Opferbereitschaft war nahezu buddhistisch geworden mit der Zeit, mit frommem Blick und Gemüt. Ich nahm das drinnige Ehebett, außerdem hatten sie orkanartigen Starkregen angesagt.

Tag 9, Dienstag, 6. November , Amed/Jemeluk Bay

An Nachschub für den Hahnenkampf schien es in Jemeluk nicht zu mangeln. Wie sich gegen 4:00 Uhr morgens geräuschvoll zeigte, musste es im Ort unten nur so davon wimmeln. Es war noch stockduster doch im Ort begann ein reges Treiben. Die ersten Boote wurden ins Wasser gezogen, das Stimmengewirr wurde lauter. Ich war wach und blieb es. Ich wollte sehen, wie die ersten Sonnenstrahlen am Gipfel des Agung leckten. Während Köm noch schlief, klopfte ich Steine, übte Pfeifen auf zwei Fingern und reinigte meine Tischkreissäge im laufenden Betrieb. Ich war da sehr penibel, schließlich stand einiges auf dem Spiel. Gegen halb 7, es war mittlerweile hell geworden, kamen einige der Boote wieder raan. Den Fang konnte ich trotz Ferngerät nicht erkennen, aber ich war müde geworden und schlief nochmal bis neun, bis zum Frühstück. Über Mittag donnerten wir mit der Yamaha zum ATM, aber der war jetzt nicht nur leer, sondern offenbar auch kaputt. Nun mussten wir also doch die 35km nach Amlapura zurücklegen, um an frisches Geld zu kommen. Es regnete, teils heftig, doch bei der Hitze waren wir im Nu wieder trocken. Durch Serpentinen ging die Fahrt auf nasser Fahrbahn, ich tat voll konzentriert und nur ab und an gönnte ich mir einen Blick zur Seite auf die endlos grünen Palmenwälder und die Reisterrassen an den Hängen der Vulkanberge. Für die Stadt hatte ich kein Auge, ich nahm die einst schönen Häuser, die unzähligen Geschäfte nur im Vorbeiflug wahr. Der krasse Verkehr verlangte mir alles ab, das rechts Abbiegen inmitten hunderter Motorroller, die an der Kreuzung sternförmig aufeinander zu bretterten ohne sich zu verheddern, verzieh kein Zögern. Es war gnadenlos. Einmal sah ich mich nur nach links um, so wie gewohnt, und um ein Haar wäre unser augenblicklicher Standort Schauplatz einer Tragödie gewesen. Einmal hatte ich pures Glück und ein anderes Mal nicht minder. Bis zum ATM mussten wir uns mehrfach durchfragen und dabei trat mal wieder diese fantastische Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Leute zu Tage. Dieses ehrliche Lachen, das ungeheuchelte Interesse an unserem Problem, man fühlte sich einfach wohl unter diesen Menschen und man durfte es ruhig zeigen. Erfolgsverwöhnt und die Taschen voll mit 5,5 Millionen Rupien erfragten wir den Rückweg und ab ging die Post. Ich leckte Blut. Ich wurde gleichberechtigter Verkehrsteilnehmer. Ich hupte, ich schlüpfte hindurch, ich überholte sogar. Unübersichtliche Kurven verloren ihren Schrecken. Ben und Bob, die Orang Bintang Jerman, eroberten die Landstraße. Der Liter Sprit kostete übrigens 5000 IDR, das waren demnach knappe 0,45€. Da konnte man ruhig mal Vollgas geben, immerhin sammelten wir unsere Plastiktüten.3
Nach Curryhuhn und Knoblauchhuhn, machten wir uns am Nachmittag ans Abhängen und Rumgammeln. Äonenlang verfolgte ich den Deckenventilator und stellte die Holzkonstruktion der Befestigung bei höherer Drehzahl in Frage. Mit dem Ferngerät beobachtete ich das Treiben am Strand. Keine Badegäste, nur die Fischer und ab und zu spielende Kinder. In der Arena 220m entfernt, baute eine Frau ihren Milch-Gemüse-Irgendwas-Cocktail-Stand auf, es war 15:30 Uhr. Es würde also wieder zum Fight kommen. Wir sahen das mit Gelassenheit, wir mussten da jetzt nicht nochmal hin, eigentlich hatten wir jeden Handgriff jeder Szene schon im Kasten. Exakt um 18:00 Uhr schmissen die Boxfreunde ihre Roller an und mit einem Höllenlärm war der Spuk in einer Staubwolke aufgelöst. Später, kurz nach dem Farbenspiel des Himmels um Agung, bimmelte es. Plim Plom Bing Bang. Pleng Pleng Plong Plong. Pling Plongabong Plim Plam usw. Das war eindeutig Gamelan, die indonesische Volksmusik mit den Gongs, Metallophonen, Flöten und doppelseitigen Bongos. Das melodische Geschepper wurde immer voller und komplizierter, es wurden offenbar immer mehr Instrumente dazu gestellt. Das war unser Zeichen zum Aufbruch, das mussten wir uns genauer ansehen. Wir stiegen die Treppe hinunter zum Strand, vorbei an den Booten folgten wir der Musik. Ja natürlich wurde sie immer lauter, schließlich bewegten wir uns darauf zu, lieber Leser, muss ich das jedes Mal haarklein erwähnen? Na gut, die mittlerweile ohrenbetäubend laute Musik kam aus dem hinteren Bereich der Arena, dort wo sonst die Zocker zockten. Gut 20 Männer und ein ca. 10jähriger Junge saßen und hockten an ihren Instrumenten. Die Gongs und Metallophone waren von oben bis unten mit furchterregenden Fratzen beschnitzt und mit leuchtend goldener Farbe bemalt. In irrsinnigem Tempo hämmerten die Musiker mit spitzen Spezialhämmern auf den Klangkörpern herum, die Melodie war dem ungeschulten Ohr nicht sofort zugänglich. Der kleine Junge hatte Talent, er konnte meist problemlos mithalten. Die Flöten gingen komplett unter und der ganz große Gong kam leider nur selten an die Reihe. Wir blieben lang genug um die Melodien wiedererkennen zu können, zum Mitpfeifen bräuchte man Monate. Man bot uns Wasser an, wir durften Fotos und Videos machen, doch den Blitz sparten wir uns, um nicht zu nerven. Die Band hatte am nächsten Tag ein Konzert und sie gab alles. Unsere Ohren piepten noch lange danach. Wir würden dem Konzert nicht beiwohnen können, denn wir hatten entschieden weiterzufahren. Immerhin konnte uns diese Generalprobe keiner mehr nehmen, die war unser. Danach spiesen wir in der Pazzo Bar in leicht gehobener Klasse. Dann blieb nur noch bei einer Flasche Bintang die Videos davon mit dem Läppi bei youtube hochzuladen.

Tag 10, Mittwoch, 7. November Mopedfahrt zum Kratersee Batur

Ein letzter Blick aufs Meer, die schöne Bucht entlang, Frühstück, Packen und Aufsatteln. Der Abschied fiel relativ leicht, denn der „Sand“ war ja irgendwie scheiße. Er bestand ja im Grunde nur aus faustgroßen Kieselsteinen. Man konnte als Knochenlaie unmöglich barfuß da entlang ohne sich lächerlich zu machen. Ich sah beim Gehen aus wie ein Teilnehmer beim Fakir-Anlernkursus (frei nach Kalle Sonneborn). Gegen halb 12 ließen wir uns vom Kellner voll aufgerödelt auf dem Blauen fotografieren und knallten los. Die ersten 15 km kannten wir in- und auswendig, jedes Schlagloch wurde geplant angegangen, dann, an irgendeiner Kreuzung begann wieder Neuland. Ich fuhr, nein stimmt nicht; Köm fuhr als erster und ich machte Fotos während der Fahrt. So langsam brachte ich wirklich alles durcheinander. Die Orte konnte ich mir nicht merken, ich wusste nie wo wir waren oder wo wir hin wollten. Dafür war ich einfach zu dämlich, denn ich hatte keine Landkarte und keinen Empfang auf meinem Handy. Brauchte ich auch nicht, denn ich hatte ja einen Ben. Er wusste immer alles, jedenfalls kaufte ich ihm das ab, außerdem kam sein LG Smartphone mit Android mit der Wildnis besser zurecht. Bei jeder Kreuzung oder Gabelung machten wir kurz Halt, warteten auf das Internet mit dem Lösungsvorschlag und knatterten weiter. Fast jedes Mal hielt jemand neben uns an und fragte, ob er helfen könne, es war wirklich zu drollig mit den Balinern. Unser Tagesziel war der Kratersee im Vulkan Batur. Köm war hier mal vor 8 Jahren mit einem Arbeitskollegen gewesen und hatte hoffentlich alles noch in guter Erinnerung. Unser Bike, der Blaue, schraubte uns immer höher die Berge hinauf durch den Dschungel, durch Felder und Dörfer, wie sie authentischer nicht sein konnten. Endlose Kokospalmenhaine im sattesten Grün säumten unsere Wege, farbenprächtige Blütenbüsche tupften verschwenderisch Kleckse in die Wiesen.
Es wurde angenehm kühl dort oben und ab und an fiel ein bisschen Regen. Die Kinder winkten uns zu und einmal mussten wir sogar Tanken. Die Straße war ein Traum für Motorrollerfahrer. Wir erreichten den Parkplatz am Kraterrand, von wo aus man den See in seiner ganzen Pracht das erste Mal sehen konnte. Die Marlboro im Mundwinkel, wimmelten wir die Andenkenverkäuferinnen ab und genossen die grandiose Aussicht. „Irgendwann, vor ein paar 1000 Jahren wurde dieser Krater herausgesprengt und danach entstand in seiner Mitte eine neue Vulkanspitze“, sagte Ben und zeigte auf den Berg. „Westlich von der Spitze bildete sich ein See und da poofen wir heute, Du Schmauch“, faselte er weiter und ich machte einen auf einverstanden. Unsere Arschbacken nickten zustimmend, außerdem ging die Sonne bald unter. Ergo rollten wir bremsend den Berg hinab, hinein in das Kratergebiet auf der Suche nach einer Bleibe für die Nacht.
Das war gar nicht so einfach wenn man wirklich versuchte es auf eigene Faust zu tun. Denn natürlich wimmelte es von Scouts, die dich im freundlichen Gespräch dazu verleiten wollten, ihnen zu folgen, um dich dann ins Hotel ihrer Wahl zu bugsieren. Wir wollten aber frei sein und was Eigenes auf die Beine stellen und jückelten die Straßen und Wege des Kraters ab, bis wir uns irgendwann in einem Kaff ohne Wiederkehr befanden, wo uns letztlich ein Typ mit Roller zu einer eigentlich hübschen Absteige lotste. 150.000 IDR war ok. Beim Kaffee kam auch schon jemand mit dem Erlebnisvorschlag Climbing-Tour zu einem der 3 Gipfel vorbei. Wir schlugen selbstverständlich aus. Den Vorschlag mit der heißen Quelle hingegen nicht. Eine Badeanstalt in drei Preisklassen direkt am See mit pullewarmen Wasser. Wir wählten die winzig kleine Public, bei den Einwohnern. Nebenan waren die reichen Touristen abgeschirmt und das war auch gut. Köm unterhielt sich mal eben mit einem tätowierten jungen Mann, während ich meinen kleinen Zeh bejammerte. Ich war gerade am Beckenrand auf Moosbelag ausgerutscht und hatte mir den Zeh gestoßen. Jetzt klaffte ein Hautlappen auf dem Zonken von der Größe Schleswig Holsteins. Ich gab mich tapfer, aber in mir brodelte es. Das hab ich jetzt nicht gebraucht. Wir quasselten noch ein wenig mit dem Typen „No Money, no Honey“ und dann wurde es Zeit. Essen und Trinken. Im Fernsehen lief Takdir Cintaku, wie überall, eine Soap wo sich praktisch alle 2min die Lage dramatisch zuspitzte, bei den gerade 4 Schauspielern, die man sah. Die häufigen Werbeunterbrechungen beinhalteten genau so einen Schrott wie in Deutschland, aber die Mädels mit der Hautcreme waren eine Augenweide. Köm saß über seinen Büchern und baldowerte die Route aus.

Tag 11, Donnerstag, 8. November Mopedfahrt zum Meer zurück.

Ich will mit dem Frühstück nicht langweilen, aber leider ist das junge Mädchen, das uns gestern Abend noch so freundlich die Biere zum Fernsehen gereicht hatte, genau während unserer Suppe krank geworden. Ihr wurde aus der Küche geholfen und sie kotzte sich die Galle aus dem Leib. Wir erfuhren nie was los war, wünschten alles Gute.
Nächste Etappe: zurück ans Meer. Wohin genau, wussten wir gar nicht. Dort, wo es uns gefiel. Das war das Problem. Man stellt sich unter Bali selbstverständlich immer schneeweißen Strand vor, an dessen Flanken die Palmen wuchern. Dem ist aber nicht grundsätzlich so, weil Bali ja aus Vulkanen besteht. Aber von vorne, denn der Weg war das Ziel.
Wir machten gut 150km bei 40-60km/h, wie es der Verkehr zuließ. Die Strecke war wie für Motorräder gemacht, mehr Kurven geht nicht. Wir haben die Klimazonen nur so abgehakt, nur die Baumgrenze, die hatten wir am Ende nicht angekratzt. Wir sahen unzählige Dörfer fernab, mit dem Leben dort wie es wirklich war. Das rege Treiben und die Faulenzer, die Malocher, die am Straßenrand kilometerweit mit Schaufeln und Spitzhacken Schächte aushoben, für irgendwelche Kabel, und Frauen, die Opfergaben in weit abgelegenen Kurven verkauften, um damit die Beschützer der Straße gnädig zu stimmen. Mehr und mehr schloss ich Frieden mit mir, mit der Straße, dem Land und dem Sein. Nur mein Arsch tat weh und Köm rutschte auch schon auf dem Sozius hin und her. Wir machten immer dort Rast, wo der Warung (Imbissstube) besonders nach Hausmannskost aussah; rosa abgewrackte Plastikstühle, Alutöpfe und Kinder an den Rockzipfeln ihrer Mütter oder besser noch Omma. Es musste klapprig aussehen und ein paar Balinesen mussten drum herum stehen, als Beweis der Qualität der Speisen. Das war unser Ding. Meist bezahlten wir weitaus mehr als die Balis, aber wir zeigten ja auch bei der Zusammenstellung der Gerichte öfter auf die Schüsseln mit dem Fleisch. Reis mit Knochensuppe kam 0,8€. Es war immer herzig mit den Leuten, aber wir mussten weiter, weiter immer weiter, den Berg hinab in die brütende Hitze. Die Kurven verschwanden. Das Meer rechte Hand prüften wir die Strände, die schwarzen, jedoch entsprachen sie nicht unserem Idealbild. Es lag auch dauernd so viel Müll am Strand, wer wollte da sitzend den Gedanken freien Lauf lassen? Zwischen Plastikbechern und Tüten? Also wieder weiter, weiter, obwohl unsere Kehlen so trocken waren wie der Asphalt. Es kam der Moment, den man sich im Nachhinein immer nicht erklären kann. Eine Gasse wie die andere, eng und lang, und Köm stoppte und Zack, Mission completed. Ein Resort, also so ne Anlage mit verschnörkelten Wegen, vom Opa in Schuss gehalten, direkt am Wasser. Für schlappe 25$ fürs Zimmer mit Frühstück, Pool und Deckenventilator. Das Segara Bukit in Banyupoh. Der schwarze Sand war dann irgendwie auch ok. Ich meinte, hey, es ist Sand! Nur das man ihn halt länger sah, so am Fuß oder auf den Fliesen des Restaurants. Das Meer war warm und sauber. Wir buchten und ließen es uns einfach mal gut gehen. Unsere Arschbacken hatten es sich verdammt nochmal verdient. Und so ein paar Angeberfotos von Hütte unter Palmen für Facebook, machten sich immer gut. Man musste die Kamera halt nur so halten, dass niemand sah, dass das Deckenlicht nicht funktionierte oder dass der Deckenventilator nur „volle Pulle“ konnte. Wenn’s nur das war. Wir sahen das nicht verbissen.
Wir hatten kaum die Flasche geleert, da war es auch schon wieder dunkel. 18:30 war mal wieder Sense mit der Sonne. Die Gasse hoch fand eine muslimische Zeremonie statt, was genau, war uns unbekannt. Wir wollten auch nicht stören. An die 200 Männer knieten in einem Saal in 5 Reihen und einer brüllte irgendwas ins Mikrofon bei gut 2Millionen Watt. Draußen am Eingang standen die 400 Flip-Flops. Wie wollten die das am Ende auseinanderhalten? Ein paar Frauen machten nebenan Essen oder Wäsche oder beides. Wir hatten kaane Zaat und kaane Böcke, uns das genauer anzusehen, wir wollten an der Straße unseren Raas aannehmen. Im Warung unseres Vertrauens blieben wir ne Weile und schäkerten mit der Tochter des Hauses, die gerade dabei war das Lesen zu lernen, anhand der großen Letter auf dem Plakat mit dem Speiseangebot. Köm schnitt Grimassen und sie und ihre Großmutter lachten sich dabei kaputt. Da wollten wir am nächsten Tag wieder hin, nicht zuletzt weil wir quasi erst beim Verlassen des Lokals den Topf mit der Chili Sauce entdeckt hatten. Der war den nächsten Tag dran. Dann sind wir ins Bett, wir waren richtig kaputt, außerdem hatte die Resort-Bar schon zu.

Tag 12, Freitag, 9.November Snorkling-Tour

Man musste mit dem Auto gut 15 km bis zum Hafen und dann mit dem weiß-blauen Holzboot 45 Minuten raus zur Insel, dann war man in einem Schnorchel- und Tauchparadies. Die Tour hatten wir tags zuvor besprochen, direkt an der Rezeption für 23 € für jeden. Geboten würden zwei schöne Riffe, dazwischen ein Mittagessen und genug Wasser zum Trinken. Mit an Bord waren noch 2 Franzosen, eine 5er Familie aus Vancouver und die drei Balis vom Boot. Die Unterwasserwelt war grandios. Das Riff war in Schuss und die Fische eine Augenweide vor dem Herrn. Köm hat unter Wasser Fotos geschossen wie ein Irrer und Videos gedreht wie vom Wahnsinn befallen. Ich selbst habe Nemo gesehen, in seiner Anemone, einen getarnten Kollegen, der aussah wie ein Stein mit Augen und einen 1,5m langen Barracuda. Dazu irgendwelche Schwarzen, groß wie ein Fußball und Schwärme, sag ich euch – Schwärme. Möge das alles der Welt möglichst für immer erhalten bleiben, aber was war schon das Alter der Menschheit gegen diese alte Landschaft, die sich erholen wird, wenn wir erstmal alle an uns erkrankt gestorben sind. Bis auf die Plastiktüten. Der Vollständigkeit halber muss man dazu sagen, dass oft, wenn man glaubte einen besonders großen Fisch in der Ferne auszumachen, es sich im Nachhinein um eine Plastiktüte handelte, die von sonst woher angeschwommen kam. Das war ja jetzt ein globales Problem und hatte nur zweitrangig mit Balis eigenem Müllproblem zu tun. Die Tüten konnten auch genauso gut schon oberlange unterwegs sein. Einer der Jungs vom Boot sammelte sie bei seinem eigenen Tauchgang ein und warf sie in einer Tüte, was sonst, von außen ins Boot. Den erhobenen Zeigefinger spare ich mir an dieser Stelle. Wir werden alle umdenken müssen, wenn der Krill eines Tages nur noch Plastikpartikel satt Plankton zu sich nimmt.
Gegen Nachmittag war der Trip zu Ende und wir fuhren zurück zum Hafen, also dem Holzsteg, von dem die Bengels ins Wasser sprangen. Bis zu 30 Boote wie unseres fanden Platz in der Bucht und schubsten sich gegenseitig hin und her.
Dann sind wir selbstverständlich mit einem Bintang in Pool raan. Es waren noch immer über 30°C und anders hielt man das sowieso nicht aus. Es war ohnehin kaum auszuhalten; das Bier war zu kalt, das Meer rauschte wie Hulle, der Pool war zu sauber und die Palmen viel zu grün und üppig. Das mussten wir uns echt schöntrinken, um nicht komplett durchzudrehen. Als dann noch Udo Lindenberg der Meinung war, zum Flug der Fledermäuse seine Ansichten zu erläutern, hatten wir genug. Wir gingen in den Sitzstreik vor der Hütte bis uns die Kippen ausgingen. Nach dem Reis mühte sich recht schnell der Ventilator unsere leicht verbrannten Beine zu kühlen. Die Nacht war schlimm, es war so heiß, reden wir nicht mehr davon.

Tag 13, Sa. 10 November. Nach Java hin, den Berg hoch

Java ist die Insel westlich von Bali. Kannte ich nur aus den Nachrichten. „Wer war da noch nicht?“, fragte das kleine Motorrad und Ben und Bob rissen die Arme hoch und schnippten vorlaut mit den Fingern, dass es eine helle Freude war. „Na dann kommt mal mit“, sprach das blaue Kraftfahrzeug weiter, „ich zeige Euch etwas, was Ihr noch nicht aan aanzichstes Mal zuvor gesehen habt.“ Und so setzten die drei ihre Reise fort. Der dicke Bob saß vorne und passte meist auf, während sich der dünne Ben hinten verzweifelt abmühte, seine Briefmarkensammlung in Ordnung zu bringen. Die Arbeit mit der Pinzette erforderte viel Geduld und Ruhe und die raue Straße und der sengende Fahrtwind erschwerte sein Vorhaben. Auf dem Weg zum Hafen saßen wilde Affen am Straßenrand und ernährten sich von Essen. Gegen Mittach rollte das Trio auf eine Fähre. Während der Blaue zwischen den großen LKWs und den anderen Mopeds warten musste, durften Ben und Bob die Treppe hinauf zu den oberen Decks gehen. „Lass uns hier hin setzen“, sagte Bob, „hier ist’s schön, hier kann man glotzen und außerdem ist es doch sowieso sowas von scheißegal, du Delmenhorst.“ Ben stimmte nickend zu. Ein Fernseher lief mit indonesischer Schlagermusik, die Texte wurden wie beim Karaoke ständig unten eingeblendet. Zu beiden Seiten der Flachbildglotze stand ein Turm aus hochwertigen Lautsprechern, so richtig fette Koffer, die ausgereicht hätten, den Thie beim Stadtfest zu beschallen. Als wir ablegten, wurde die Lautstärke auf 100% hochgefahren und wir saßen da wie die Doofen bei einem Höllenkrach aus einer sowas von beknackten Popmusik. Das eine Lied, ein gängiger Clubsound für schwer Erziehbare, dauerte ungelogen 25 Minuten. Kopfschüttelnd starrten wir auf die ruhige See und Java. Ich hatte mir ein zerfetztes Tempo in die Ohren geprokelt. Der Vulkan Kawah Ijen hob sich majestätisch in der Ferne ab. Sicher hatte er für unsere absurde Situation nicht mal ein müdes Lächeln übrig. Dann hatten wir wieder 3G. Was konnte uns da schon passieren? Und die Uhr musste um 1h zurück gestellt werden, es verlief eine Zeitzone zwischen den Inseln. Sowas erledigten unsere Handys von alleine. Wie gelöschte Ladung jückelten wir ein paar Mal die außerordentlich belebte Straße hin und her, die parallel zum schmutzigen Strand verlief, den man aber nicht zu Gesicht bekam, weil das Gebiet komplett zugebaut war. So hatten wir die Gegend zügig aufgeklärt und entschieden: Banyuwangi-Beach-Hotel, doch es hatte den Namen so nicht verdient. Der Zugang zum Meer war mit Gitterzaun versperrt, dahinter sah es nach Industrie aus. Die Nobel-Ressorts weiter außerhalb, lagen auch weit außerhalb unseres Budgets. Aber es war eine Klimaanlage im Zimmer und da wollten wir doch mal auf die Kacke haun. Sowas hatten wir noch nicht. Eigentlich schweinebillig, Java war insgesamt billiger, so vonne Preise her. Aber fürchterlich warm, wenn der Wind nicht ging.
Nach dem Mittagsschlaf, bei sage und schreibe 16°C, fuhren wir essen und holten die nötigen Infos für eine organisierte Tour zum Krater des Kawah Ijen. Ich glaube Köm fuhr, ich weiß gar nicht ob ich überhaupt noch fahren durfte. Er telefonierte herum und fuhr danach für die Anzahlung noch mal los, während ich mich in der Glotze mit Genuss durch den allerletzten Schrott zappte.
Die Tour sollte wie folgt verlaufen:
00:30 Uhr Abholung durch Fahrer mit Auto.
Ca. 1,5 h Fahrt zur Übergabe tief im Dschungel an ein Geländefahrzeug mit Allradantrieb.
Ca. 0,5 h Fahrt mit dem Jeep zum Startpunkt des Fußmarsches.
Ca. 1,5 h strenger Fußmarsch bergauf zum Kraterrand. Aber das war nur der Plan. Die Umsetzung desselben war von so vielen Details durchflutet, dass ich Tage bräuchte, um alles niederzuschreiben. Glücklicherweise war ich im Urlaub und hatte unendlich viel Zeit. Ich spitzte den Bleistift machte ich mich an die Arbeit.
Der Jeep stand wie abgemacht im Wald, die Straße dorthin befand sich gerade im Bau und war nicht befahrbar. Wir mussten demnach zu Fuß gehen. Allein dieser erste Marsch nässte meine Klamotten komplett durch. Bis mir bewusst wurde, dass ich klamme Sachen anhatte, waren meine Plünnen auch schon nass. Mir blieb nur den Pulli auszuziehen und in den Rucksack zu stopfen, in der Hoffnung dass er darin trocknete, um mir später noch dienlich zu sein. Am Jeep angekommen, hatten wir kurz Zeit zum Verschnaufen und das Lächeln kehrte zurück. Der weiße Wagen war mit einer Plane verhüllt, nicht zuletzt wegen der zwei kaputten Fenster. Ein Scheinwerfer war auch im Arsch. Dem Fahrer war das völlig schnuppe. Er heizte durch die vollkommen unwegsame Pampa wie ein Rallyepilot und hielt kaum Abstand zum Vordermann. Wir fuhren im Konvoi aus, ich glaube, 3 geländegängigen Kraftfahrzeugen. Wir staunten nicht schlecht und umwickelten unsere Hälse mit allem, was der Rucksack hergab, um keinen Nacken zu kriegen. Es wurde arschkalt im Jeep, die Hitze Javas war hier oben keinen Pfifferling mehr wert. Wir gelangten an ein Hüttendorf in tiefschwarzer Nacht. Ein Umschlagplatz, ein großer Parkplatz, was auch immer. Man konnte nicht viel erkennen. Außer unseren Hightechkopflampen gab es nichts zu sehen. Und natürlich die Sterne am Himmel, deren Leuchtkraft und Anzahl alles in den Schatten stellte, was uns jemals zu sehen vergönnt war. Es gab da Sterne im Orion, die kein Raumschiffcaptain jemals anzufliegen wagte und wir konnten sie mit bloßem Auge sehen! Doch wer auf diesem Weg zum Kraterrand zu lange nach oben sah, legte sich unweigerlich aufs Maul, also Lampe nach unten und marschieren. Es begann der Aufstieg, ein unendlich staubiger Weg bergauf, mal kurz wieder flach, dann erst richtig steil, mal gerade, dann im Kreis und wieder nach links und noch steiler. Wir gingen forsch und ich keuchte wie ein rauchendes Walross. Mein Puls hämmerte, ich war dem Schlaganfall näher als mein Rucksack meinem nassen Rücken. Ein Arbeiter, also ein Träger für den gelben Schwefel, von dem später noch die Rede sein wird, überholte uns mit seinen leeren Körben – in Badelatschen wohlgemerkt - und machte dabei Witze mit unserem Guide xxx, den ich bei all der Anstrengung vergessen hatte zu erwähnen. Er war ein lustiger Typ und wir unterhielten uns in gutem Englisch, sofern meine zerkeuchte Atemluft reichte, über Dieses und Jenes und Indonesien. Köm machte bei der Sache einen recht fitten Eindruck, aber er war ja auch nicht so fett wie ich. Ich schnaufte nur noch und stöhnte, hielt aber irgendwie mit. Der Träger, der sich uns angeschlossen hatte, nicht zuletzt um seine eigenen Batterien zu sparen, jubelte immer, wenn jemand so laut Furzen konnte wie er selbst. Auch mir gelang ein Exemplar. Wenn ich mich recht entsinne brillierte Köm, indem er Beethovens Zweite durchfurzte, auf einer Anhöhe. Für einen Moment schien die Welt still zu stehen, von überall her strahlten die Kopflampen in seine Richtung. Oder erzeugten die Blitze in meinem hochroten Kopf schon Halluzinationen? Schon möglich. Wie der Träger die Strecke 2x täglich in Flip-Flops bewältigen konnte war mir ein Rätsel. Das war übermenschlich.
Irgendwann erreichten wir den Krater. Zu Sehen war nichts. Noch immer tanzten nur die Staubpartikel vor unseren Lampen, so scheißendunkel war es. Der Wind ging frisch und es wurde richtig kalt als wir abschwitzend und rauchend mit xxx die weitere Vorgehensweise besprachen. Am Kraterrand hatte sich mittlerweile eine kleine Menschenmenge Gleichgesinnter angefunden. Es standen zwei Optionen zur Auswahl: rein klettern oder oben sitzend auf die Sonne warten. Bei dem Wind dort oben zu verweilen, wäre der sichere Tod gewesen. Runter klettern war also der angenehmere Untergang. Meine Verletzung am Zeh ließ mich dankenswerter Weise in Ruhe. Rabenschwarze Nacht. Ein natürlich gewachsener Weg aus weißem Geröll, tief aus dem Bauch der Erde, führte hunderte Meter in die Tiefe. Ein falscher Schritt, ein kullernder Stein und das Projekt wäre vorerst im Arsch. Wer aber den Selben an dieser Stelle nicht zukniff, verpasste ein weltweit einmaliges Naturschauspiel. Am Grund des Kraters wird knallgelber Schwefel aus dem Berg gespuckt. Es quillt dort förmlich aus mehreren Öffnungen heraus und wird hart. So hab ich immer gedacht, aber wie es wirklich ist, kann man z.B. hier lesen: http://www.vulkane.net/vulkane/kawah-ijen/kawah-ijen.html Dieser Schwefel wird von Minenarbeitern mit Eisenstangen abgebrochen und in handliche Stücke zerkleinert. In groben Bambusbastkörben werden diese Bruchstücke aus dem Krater getragen und anschließend den Vulkan, also „unseren“ Weg entlang, heruntergeschleppt. Die Körbe wiegen dabei zwischen 70 und 120 kg! Zusammen mit dem Schwefel tritt ein Gas aus, welches immer brennt. Die blaue Flamme kann nur bei Dunkelheit gesehen werden und genau deshalb sind wir auch nachts losgelatscht. Am Tage sieht man nur eine dichte Qualmwolke, die nach Schwefel stinkt. Wenn der Wind günstig steht, sieht man, so wie wir, die Flammen lodern und es zischt und brodelt und stinkt und man glaubt bei der Entstehung des Planeten dabei zu sein. So ein bisschen Ehrfurcht tut gut, dann sind die eigenen Sorgen gleich ein bisschen weniger scheiße.
Langsam brach die Morgendämmerung über uns alle herein, wie wir da unten standen und die Jungs beim Arbeiten fotografierten. Plötzlich kam der See zum Vorschein, den man vorher nicht annähernd erahnen konnte. Der Krater nahm im Licht Formen an, endlich merkte man überhaupt, womit man es hier zu tun hatte. Es wurde Zeit da unten wieder herauszuklettern, bevor die Bullen kamen. Sie sahen es nicht gerne, erzählte uns xxx, wenn Touristen sich dort aufhielten. Wir haben aber keine Bullen gesehen, vielleicht war das nur Show. Nach mühsamem Aufstieg die hunderte Meter wieder hoch, standen wir ehrfürchtig am Rande, machten Fotos und froren wie die Kesselflicker. Der Kratersee war einer der giftigsten Seen dieser Erde. Ich malte mir aus, wie es Köm wohl nach einem Bad gehen würde. Der Himmel und die alte Erde sahen echt geil aus, aber wir mussten auch genauso echt langsam wieder los. Wir waren im Begriff uns eine Lungenentzündung zu holen. Der Weg bergab war sicher auch kein Spaziergang. Köm gelang ein krönenswertes Foto vom Vulkan nebenan im Lichterspiel des Morgens und die ganzen indonesischen Schwefelschlepper kamen uns auf ihrem Weg zur ersten Schicht entgegen. Selamat Pagi heißt guten Morgen. Ich weiß nicht, ob ich so freundlich Grüßen würde, wenn mir so ein beschwerlicher Job bevorstünde. Der Schwefel wurde übrigens benutzt um Zucker weiß zu bekommen, sagte xxx. Was für ein Quatsch, fanden wir. Man könnte doch auch ohne weiteres den Zucker mit Alpina Hauswand anstreichen, das hätte doch den gleichen Effekt, aber auf uns hörte ja niemand. Irgendwie kamen wir gegen neun, halb zehn in brütender Hitze bei unserem Hotel an; ich hatte meine Mütze verbaselt und die Klimaanlage des Zimmers war die ganze Nacht durchgelaufen. Wir hatten genau zwei Stunden zum Schlafen, dann wollten wir wieder zurück nach Bali. Ans Meer zurück. Dummerweise war die Dusche in unserem Zimmer ausgefallen. Irgendwo war ein Schnüffelstück niO. Ich kümmerte mich darum, indem ich unbeholfen gestikulierte. Oppan vom Haus hat es am Ende gerichtet. Nach so einer Tour ohne Dusche, wo kamen wir denn da hin? Mein kleiner Zeh konnte ein bisschen kaltes Wasser zur Kühlung gebrauchen.

Tag 14, Sonntag, 11.11.2013 Fahrt nach Medewi / Bali

Wir hatten kaum 2h geschlafen und mussten bis 13:00 Uhr ausgecheckt haben. Das ist uns gelungen. Um halb fuhren wir schon wieder mit der Fähre back to Bali. Wir wollten jetzt den Südwesten entlang, um mal zu schauen wie dort die Strände so waren. Da die Uhr wieder 1h vorgestellt werden musste, war Eile geboten, um bis Sonnenuntergang was Passendes zu finden.
Der Strand wurde und wurde nicht weiß. Aber die Wellen bekamen Surfqualität. Erneut spulten wir die Kilometer ab, bis der Körper, noch geschwächt von der Nachtwanderung, halb den Geist aufgab und halb nach Bier schrie, eiskaltem Bier. Die Schatten wurden länger. Eigentlich wollten wir noch weiter, haben dann aber in Medewi Quartier bezogen, einem Ort mittlerer Größe, nah am Wasser mit ohne Sand. Stattdessen kürbisgroße Lavasteine, die das Meer überaus ansehnlich rund geschliffen hatte. Weit draußen posten die Surfer auf meterhohen Wellen, einige Angler standen auf alleinstehenden Felsen wie auf der Brust einer großen liegenden Frau und trotzten gekonnt der Brandung.
Das Zimmer war schön und schön billig und der Ausblick vom Balkon in Richtung Palmengarten war angenehm. Selbstredend suchten wir eine Surferkneipe am Wasser auf und schlugen uns den Bauch voll. Der durchtrainierte Blonde am Nachbartisch nervte seine Gesprächspartner auf englisch mit alten Geschichten aus dem Fäkalbereich. Schon um zehn klappte die Wirtin die Bürgersteige hoch. Vielmehr legten sie und ihre ganze Familie Matratzen in den Schankbereich, stellten den Fernseher hinein und verbretterten alles. Uns war das recht, wir waren ohnehin erledigt und Hand auf‘s Herz, wir waren keine 25 mehr. Auf dem Balkon zu sitzen war außerdem nicht die schlechteste Idee, denn selten hatten wir bisher einen so guten Empfang gehabt. Man musste ja auch mal seinen ganzen elektronischen Schrott auf den neusten Stand bringen. Die Roten gewannen in dieser Nacht 2:4 in Stuttgart, doch die zweite Halbzeit habe ich um 1:30 Uhr nicht mehr gepackt. Köm röchelte schon ne Weile in der Mulle, ich hatte ihn mit einem Fausthieb niedergestreckt, damit er mal sorgenfrei durchschlafen konnte. Sorgen hatte er genug. Würden die Erfrischungsgetränke kalt genug sein? Würde das Klopapier rechtzeitig trocken und würde es so dem Druck standhalten? Würde Roat mal nicht versagt haben, wenn es darum ging, das Feuerzeug nach Gebrauch auf den Tisch zu legen? All diese Dinge hielten Köm oft nächtelang wach. Nicht so in dieser. Er bekam den Starkregen gar nicht mit.

Tag 15, Montag, 12. November Legian Beach

Noch bevor der Imam sein jämmerliches Mittagsgejammer anstimmte, hatten wir die Rucksäcke fertig und suchten in der Ferne das Weite. Oder war es in der Weite das Ferne? Wir hatten es vergessen. Laut Reiseführer durch Asien, einem englischsprachigen Schinken voll Unterschlagungen waren es noch gut 70 km bis dorthin, wo der Strand eine goldene Farbe bekam. Kuta. Bis zum Nachmittagsbier sollte das zu schaffen sein. Auf der Küstenroute den Südwesten Balis entlang Richtung Denpasar rollte der Blaue, inzwischen schlug er schon bei Tempo 50 bei jedem Schlagloch bis zur Felge durch. Der Reifendruck war ausgezeichnet, wir hatten das 2x prüfen lassen. Wahrscheinlich waren es die Stoßdämpfer, immerhin hatte er seit gut 500km völlig überladen ab und an die mitunter übelsten Straßen der Galaxis befahren.
Eigentlich wollten wir Orte wie Kuta meiden. Für so einen Urlaub reicht Playa del Palma völlig aus. Doch wir schissen drauf. In Legian war es etwas ruhiger als in Kuta: ein paar Millionen weniger Liegen und Sonnenschirme, ebenso viele weiße Touristen und noch mehr Mopeds auf den Straßen. Die überwiegend vornehmen Restaurants boten allen westlichen Gaumen dass, was sie von zuhause gewohnt waren und sogar die Bäume waren hell erleuchtet. Dafür gab es als Gegenleistung einen fast 100m tiefen Strand ohne Fremdkörper im Wasser, meterhohe geile Wellen und den perfekten Sonnenuntergang über dem Meer.
Wenn man sich durch den niemals endenden Stau gekämpft hat, der die Straßen der Region um Kuta nahezu unpassierbar macht, staunt man nicht schlecht wie schnell man ein freies, billiges Zimmer findet, dessen Ambiente eher einer Wohnung entspricht, mit einer kühlen Ruhe und tollem Bad mit Küche. Kühlschrank. Man hätte glatt Milch kaufen können. Hut ab. Die eiskalten Erfrischungen unter dem Sonnenschirm am Strand bis zur vollständigen Verschwindung der Sonne ließen die Strapazen der letzten Tage schnell vergessen. Hier ruhte der Geist obwohl er glaachzaatich auf Hochtouren donnerte. Das hatte das Meer/Bier so an sich. Meditativ versunken konnten nur noch die ganz hohen, also die herausragenden Megamonsterwellen uns einen kehligen Laut des Erstaunens entlocken. Das Ganze hier roch langsam nach Urlaub.
So saßen wir einige Stunden regungslos in unseren Plastikstühlen, machten wieder ein paar Angeberfotos für Facebook und ließen uns von unseren „Brüdern“ versorgen. Jedenfalls nannten uns die drei Jungs, die den Strandabschnitt mit Liegen und Schirmen versorgten so: „Hey brother, do you want more?“ Daumen hoch, wir gaben der Sache eine Chance. Nach dem Abendessen, heute mal ne Pizza, suchten wir ne authentische Spelunke in Richtung weg vom Strand. Wir liefen uns die Hacken wund. Wir wurden 30x herein erwünscht, aber in keiner Bude war was los. Es war halt keine Hauptsaison. Das dachten sich andere Touris auch und so trafen sich alle dort, wo die Musik am lautesten war. Herdenverhalten, sogar mit TV, in der Bude anne Ecke. Das Bintang war recht billig, ebenso die auffällig schlecht geschminkten Mädels, die uns auf ihre einstudierte Art anquatschten um auszuloten, wie es um uns stand. Wir blieben nicht lange. Außerdem machte uns so langsam eine ernst zu nehmende Erkältung einen Strich durch die Rechnung. Es war der Kawah Ijen; es war dort einfach zu lange zu kalt für uns Unterschenkelbraunmänner. Dazu der Staub, der ungefiltert beim Aufstiegsgekeuche die Bronchien erreichte und zu guter Letzt der Schlaf davor und danach mit Klimaanlage. Das war zu viel für uns gewesen. Beide hatten wir diesen schmerzhaften Husten mit lindernd erflehtem Auswurf und einen Schnupfen, wie er im med. Lehrbuch stand. Dass das Scheiße war und nervte, erwähne ich hier nur der Vollständigkeit halber. Nur, um zu erklären, warum wir dieser Tage mal nicht die Letzten waren, die noch da saßen, während um sie herum gefegt wurde.

Tag 16, Dienstag, 13. November Legian Beach

Am Vormittag bretterte Köm mit dem Blauen nach Denpasar zum Einwanderungsamt um eine Visumverlängerung zu beantragen. Bei der Gelegenheit konnte er sich gleich die Arbeitserlaubnis abstempeln lassen. Als sein Vormund und Bewährungshelfer hatte ich ihm einen Job im Kawah Ijen besorgt. Die Badelatschen mit profilfester Sohle für noch bessere Schwefelausbeute standen schon vor seinem Spint, wenn man das Regalbrett in dem ausgedienten Mülltonnenunterstand so nennen durfte. Ich war um seine Sicherheit bedacht und erwartete nun seine Rückkehr. Doch ich wurde bitter entäuscht. Kein Stempel und nur 7 statt, wie ausgemacht, 8 Kisten Bintang auf dem Gepäckträger. Offensichtlich fiel Köm die 8. Box den 11Kilometern bis nach Hause als Wegzehrung zum Opfer. Ich ließ den Bambus tanzen und Ben versprach seinen Fehler zu korrigieren, sobald er sich von der Prügel erholt hatte. Mit dieser Aussage gab ich mich vorerst zufrieden. Wir erholten uns am Strand. Mir tat der Arm weh und ihm der Rücken. Bei der Gelegenheit muss ich mir noch mal die Mühe machen und unseren Bambus vorstellen. Als wir in Amed den Blauen empfangen hatten und zunächst erprobten, wie wir die Rucksäcke am sinnvollsten verstauen könnten, stellten wir recht schnell fest, dass egal wie man es auch anstellte, die Füße des Fahrers nicht genug Platz hatten, ermüdungsfrei zu stehen. Sie rutschten immer weg, vom zwischen ihnen eingeklemmten Rucksack verdrängt. Wir fanden damals auf dem Weg zum Batur am Straßenrand einen 1,5m langen Bambusstock mit einem Ø von gut 40mm. Der wurde unter den Rucksack geklemmt und diente von jetzt an als verlängerte Fußraste für vorne. Chopperpunkte: +2. Genial. Keine Autorität störte sich daran, weder das Sicherheitspersonal der Fähre nach Java und zurück, noch die Polizei selbst, die uns kurz vor Medewi mal bei einer Routinekontrolle raus gewunken hatte um die Papiere zu kontrollieren. Ich wette, in Deutschland hätten sie wieder einen Riesenaufriß gemacht, die Uniformierten. Sie hätten ihren Block aufgeklappt, irgendwelche Funksprüche ans Hauptquartier durchgegeben und den schönen Stock als Beweismittel sicher gestellt. So abgelenkt, wäre ihnen sicher wieder entgangen, dass 2 Straßen weiter ein stadtbekannter Hurensohn wieder seine Familie verprügelt. Ich überlegte in dem Moment, ob ich in den vergangenen 16 Tagen einem bösen Blick begegnet war, einem garstig Wort, nur einem einzigen Moment der Unbill. Fehlanzeige. Ausschließlich Freundlichkeit. Ich glaubte, der Einzige der je seine Stimmer erhob, war ich selbst. (Als auf Java nach der Rückkehr vom Ijen die Dusche nicht ging und der Dussel meine Gebärdensprache nicht verstand. Ich habe mich sowas von ins Zeug gelegt, das war am Ende fast Slapstick. Er hat bei der Beschreibung eines Wasserhahns schon mit dem Kopf geschüttelt.). Heute schäme ich mich dafür. Die Stimme erheben, in Indonesien, ts ts. Aber ist ja auch egal. Der Typ war einfach nur ein bisschen doof und ich war von dem Ritt etwas gereizt. Ich hatte noch viel zu lernen.
Der weitere Tagesverlauf ähnelte dem gestrigen. Das Leben am Strand in einer Touristenhochburg hatte es so an sich, dass im Grunde die ganze Zeit nichts passierte. Die Ereignisse finden ausschließlich in dem Buch statt, welches man gerade liest, manchmal fallen die Surfer von ihrem Brett und manchmal bleiben sie stehen. Abends hatten wir WLAN im Lanai beim Essen. Wir waren noch krank und gingen ins Bett. Aber vorher zogen wir uns noch die nagelneue Platte von All That Remains vorm Zelt rein. Schließlich waren wir immer noch im Dienst. Meine Logitech-Boxen hatten mittlerweile schon einen Spitznamen, sie hießen: die Boxen! Ich bringe sie bei Gelegenheit mal mit.
Der Deckenventilator war ein Abgesandter des Satans. Statt einfach nur zu pusten, wie es sich gehörte, wechselte er unablässig drehend seine Richtung. Alle 14 Sekunden kam sein eisiger Hauch an mir vorbei und blies mir die Decke, also den Sarong, weg. Schaltete man ihn aus, ging man sofort bei drauf und man hörte die Mücken. Wir konnten wählen zwischen Schlangengrube und Blutegelteich. Wir entschieden uns über die Nacht gesehen für beide Qualen abwechselnd, unter ächzendem Gestöhn.

Tag 17, Mittwoch, 14. November Legian Beach

Reichlich zerstochen erwachte ich am Morgen und war dankbar des angebrochenen Tages. Das erste Mal, soviel wusste ich noch, hatte ich um 23:09 Uhr auf die Uhr gesehen und da konnte ich schon nicht mehr. Unsere Erkältung hatte sich kaum gebessert. Immer, wenn einer einschlief, hustete der andere, wir waren ein eingespieltes Team. Ich putzte Köm mit dem Bambus die Nase, er dankte mir diese Linderung, indem er mich mit den Ameisen salbte, die unsere Veranda mitbewohnten. Immerhin war unser Appetit ungebrochen, wenn auch jede Mahlzeit 10x so teuer war, wie auf dem Lande. Wir hatte unterwegs schon für 20.000 Rupien gegessen – zusammen. Hier kam man selten unter 200.000 davon. Nun hätten wir ja auch weiterreisen können, nachdem man insgesamt den Eindruck haben könnte, es würde uns hier nicht gefallen, aber so einfach war es nun auch wieder nicht. Wir waren des Reisens ein wenig müde und genossen ja doch irgendwie den Komfort. Man sorgte für uns. Wenn wir wollten, versetzten die Brothers uns sogar den Sonnenschirm, wenn die Sonne unsere Beine zu stark benetzte. Und faul waren wir geworden. Das Meer machte uns faul. Wir wollten erstmal wieder richtig gesund werden, vielleicht ging ja noch was. Und wenn nicht? „Enjoy your drink, brother.“

Tag 18, Donnerstag, 15. November Urlaub vom Urlaub in Ubud

Die Nacht war der gestrigen zum Verwechseln ähnlich, allein die Anzahl der Mückenstiche variierte möglicherweise. So genau wusste das niemand mehr zu bestimmen. Um nicht einem belanglosen Trott anheim zu fallen, beschlossen wir einen Tapetenwechsel. Ca. 35km nördlich war die Stadt Ubud, eine der sehenswerten Städte, die wir auch noch nicht auf unserer Route befahren hatten. Wir packten in die kleinen Rucksäcke nur das Nötigste und ließen den großen Krempel im Häuschen in Legian. Die Fahrt war dementsprechend entspannt und der Blaue dankte es uns, indem er die Schlaglöcher auslachte und mit weniger Kraftstoffverbrauch. Bei einem Spritpreis von nurmehr 0,40€ war das aber zweitrangig.
In Bali und dort besonders in den Ballungszentren weiß man eigentlich nie so recht, wann eine Stadt zu Ende ist und wann die nächste anfängt. Ortsschilder sucht man vergeblich oder sie gehen in den unzähligen Werbetafeln und Firmenschildern unter. Da sich alles an der Straße abspielt, reißen die Geschäfte, Warungs, Werkstätten und Hotels auf der Fahrt nie ab. Plötzlich wandelt sich das Warenangebot am Straßenrand; Ateliers, Steinmetzbetriebe, Holzschnitzbutzen, so, dass man annehmen muss, man nähere sich Ubud. Diese Stadt ist anders. Stilvoller Prunk, verschwenderisch verschnörkelt, irgendwie aus einer anderen Epoche und so, als hätte man zu viel arte geglotzt. Nicht diese ärmliche Zweckmäßigkeit, sondern eben detailverliebt. Da ich von sowas nicht viel Ahnung hatte, und mir das in lumpigen 3 Wochen auch nicht aneignen konnte, hätte ich vielleicht Ubud bei Google eingeben können, aber das war ja nicht Sinn der Sache. Die Stadt zeugte von Geschichte, während viele andere Dörfer, die wir bisher passierten, aus dem Boden gestampft worden sind, um den Tourismus und die eigene rasant wachsende Population zu bedienen. Bei wunderbarem Wetter schlenzten wir mit dem Blauen durch die engen Gassen und hielten den Reiseführer fest umklammert. Das Buch behielt recht: das Hotel, das wir zielstrebig ansteuerten, mitunter entgegen der Fahrtrichtung, war tatsächlich ein ganz besonders Schönes. Das Sania’s House, ein blühender Garten voll dreistöckiger Villen aus Säulen, Dächern und übertriebenem Stuck. Voller Grün mit Pool und WLAN. Handtellergroße Schmetterlinge flatterten durch die Baumkronen vor dem Balkon. Wie immer, völlig durchgeschwitzt von der übertriebenen balinesischen Standardtemperatur, sprangen wir erst mal in Pool raan und gingen erst danach über den Plünnenmarkt.
In einem Labyrinth auf 3 Etagen voller Treppen und Gängen gab es all die Dinge zu kaufen, die man nicht nur haben will sondern muss, aber nicht kann, weil, ja eben weil. Alles voll mit coolen hölzernen, furchteinflößenden Masken, Messern, Instrumenten, Ketten, Anhängern, Shirts, Mützen, Kleidern und Sarongs, jenen farbenprächtigen Tüchern, die man als Kleidung, Decke, Strandtuch und Wandbehang verwenden konnte. Wenn man nicht aufpasste, wurde man süchtig nach Sarongs, weil sie wirklich schön und unfassbar praktisch waren. Es machte uns Spaß, mit den netten Frauen zu feilschen und zu palavern, Geschichten zu erfinden, warum das Teil zu teuer war. „Sehen Sie mich an, ich bin ein kranker Mann, meinem Kumpel hier, seinen Namen hat man vergessen, geht es nicht besser. Wir können unmöglich für diesen Sarong 150.000 Rupien ausgeben, unsere Frauen schlagen uns tot.“ In Tunesien, oberdamals, hat mir das Feilschen keinen Spaß gemacht. Da blieb mir das Lachen im Halse stecken. Außerdem wollte ich den Schrott nicht mal haben. Plötzlich fiel ein Sturzregen vom Himmel. Es goss aus allen Löchern und die Straße stand unter Wasser. Den Leuten war das sicher nicht neu, uns schon, so waren wir praktisch gezwungen, ein Erfrischungsgetränk unserer Wahl in einer Bar mit Straßenblick einzunehmen. Es gab Schlimmeres auf Gottes Erden; der Regen dauerte gut eine Stunde an.
Um 19:00 Uhr machten wir uns auf zur Tempelbühne, sag ich mal, dort war ein Gamelan, so wie jeden Donnerstag und Samstag. Der Zuschauerraum bot Platz für 300 der von uns bevorzugten rosa und hellblauen Plastikstühle. Die prachtvolle Bühne leuchtete gülden, zu beiden Seiten verteilten sich die Gongs und Glockenspiele, die Metallophone, Flöten und Sängerinnen. In der Mitte saßen die dirigierenden Trommler. Schätzungsweise 12 Schauspieler / innen waren an dem Spektakel beteiligt. Da sie dauernd in neuen Kostümen aufkreuzten, erkannten wir eigentlich nur die sechs Tänzerinnen wieder, jedenfalls am Bauchnabel, ok und den Dicken, zusammen mit Oppan. Erzählt wurde eine Liebesgeschichte in mehreren Akten untermalt von rhythmischem Gebimmel, Gebammel und Gedonge. Das war ne Show, die hatten was drauf. Die Kostüme, besonders die fiesen Masken, waren sehr aufwendig gefertigt, doch ich erschrak nicht. Weil ich es doch gewohnt war, genau diesem Gesichtsausdruck jeden Morgen gegenüber zu sitzen; oft schon, wenn ich beim Aufwachen aus Versehen in Köms Richtung sah, während er noch schlief.
Nach 90 Minuten war die Aufführung vorbei und wir gingen den hunderten drängelnden Taxifahrern zum Trotz die Straße entlang zum preisgünstigen Warung. Dort war das Ayam in Sauce so hammerscharf, dass es mir förmlich die Badelatschen von den braunen Füßen riss. So wollt ich’s haben; im Grenzbereich. Dann sind wir nach‘n Bedde. Wer jetzt hofft, ich erzähle von unserer nächtelangen Sauftour, sieht sich getäuscht. Uns war nicht danach. Wir hatten alles gesehen. Das Zimmer war noch kühl von der Klimaanlage, die wir wohlweislich ausgeschaltet ließen. Wir schliefen fest und tief und traumreich und uns ein bisschen gesund.

Tag 19, Freitag, 16. November Von Ubud zurück nach Legian

Wir mussten zurück nach Legian, nicht, weil wir das unbedingt wollten, sondern weil wir dort unser Häuschen noch laufen hatten und 2 Hotels in 2 Städten gleichzeitig – wie sollten wir das unseren Frauen erklären?
Wir besuchten noch eben den Monkey Forest in Ubud, ein Stück zivilisierter Urwald mitten in der Stadt mit alten Bäumen und tollen Brücken, wo Makaken frei herumliefen und den anzahlmäßig überlegenden Touristen das Essen und die Wasserflaschen aus den Händen rissen. Natürlich waren überall Japaner und Inder, aber wir Deutschen waren ja auch nicht besser. Die Sache hatte ihren Reiz. Die Affen liefen frei herum, badeten, hielten ihre Kämpfe ab oder pimperten ungeniert in den Lausepausen. Ich musste Köm bremsen, bei dem Anblick der Affen nicht gleich wieder in seine alte Gewohnheit zu verfallen, mit seiner Kacke herum zu schmeißen. Ich merkte, seine Domestikation war noch nicht abgeschlossen. Wo sollte ich nur die Kraft dafür hernehmen? Einen Tempel mit bloßen Händen zu errichten, schien ein Spaziergang dagegen. Dann traten wir den Heimweg an. Auf den Blauen war noch immer Verlass, aber mehr als 3 Liter gingen nicht raan, obwohl er voll auf Reserve stand. Da konnten Ben und Bob mehr ab. In Legian angekommen, das alte Spiel: Hitze, kein Lüftchen, nicht mal am Strand blies der Wind. Köm fuhr nochmal los, nach Kuta raan, in der Hoffnung einen Optiker zu finden, der vielleicht seine rechte Kontaktlinse reparieren oder zumindest untersuchen konnte. Sie kratze ihm auf dem Auge. Er hatte wenig Glück. Harte Linsen kannten sie dort gar nicht, nur Weiche, und sie begafften die defekte Linse, wie der Urmensch den Kompass. Blieb ihm nur, sich klatschnass zu mir an Strand zu setzen, wo ich mit nur 2 Flaschen Vorsprung auf den Sonnenuntergang wartete.
Ohne Hast gammelten wir dann noch ein, zwei Stunden am Zelt rum bis zur Pizza. Dort wurde mir plötzlich bewusst, dass ich ja nicht am Sonntag abreisen musste, sondern erst am Montag. So was Bescheuertes. Die Zeit hatte sich gezerrt, woher sollte ich denn das wissen? Hatte ich vielleicht studiert? Ich war nur ein armer Wandersmann, der seinen Rucksack nur trug, damit er ein Gegengewicht für seinen Bauch hatte, sonst würde er nach vorne umfallen. So fällten wir erneut den Entschluss zur Weiterreise. Legian, ein Malle Balis war zu austauschbar. Zu viele Weiße, zu viele Restaurants und Taxis. Wir mochten es ruhig und authentisch; asiatisch mit scharfem Reis und so.

Tag 20, Samstag, 17. November 2013 Kedonganan, Jimbaran

Gut 40 Minuten durch das Chaos und wir erreichten eine Bucht südlich des Flughafens. Kedonganan. Das erste Schild an einem Haus direkt an der Straße am Strand auf dem FOR RENT stand, war ein Volltreffer. Wir bezogen im Prinzip die komplette obere Etage, hatten Terrasse überdacht mit Balkon mit dran, ein sauberes Bad mit allem Komfort samt Arschdusche und TV und Klimaanlage. Für ca. 17€ pro Nacht. Wir konnten wieder von Zuhause aus aufs Meer blicken. Der Ort hatte Fischerdorfcharakter mit verträumten Booten am schneeweißen Strand und ein paar hundert Meter weiter reihten sich die Beachrestaurants aneinander. Wir hatten freie Sicht. Wir brauchten nur über ein paar Wellblechdächer hinüber schauen, hatten die Brandung aber immer fest im Blick. Genau gegenüber unseres Balkons, also unten auf der anderen Straßenseite, war der Kiosk, der ebenfalls unseren Vermietern gehörte. Wir bekamen den Freundschaftspreis und bezahlten für 2 Kleine das Gleiche wie bei den Brothers in Legian für eine Flasche. Hätten wir nur eher gehandelt. Uns wäre viel Kummer erspart geblieben. Erstmals seit Tagen graute uns nicht vor der Nacht und diesem diabolischen Deckenventilator, ohne den es nicht ging, jedoch mit ihm noch weniger. Hatte ich das bereits erwähnt? Ach ja, hatte ich. Alles, was einen oder mehr Tage zurück lag, wurde quasi..., also befand sich im Speichervorgang auf einer sehr langsamen Festplatte.
Das Abendessen nahmen wir am Strand ein. Die Tische standen direkt im Sand. Köm aß einen Fisch; Red Snapper, ich bevorzugte Mie Goreng Ayam. Das Essen wurde ohne unser Wissen in 4 Gängen serviert. Vorsuppe, Salat, Hauptgang, hinterher noch Obst und zu allem eine Schüssel Reis mit scharf, ultrascharf und Knoblauch gehackt in Öl. Wir waren sowas von pappsatt, dass kaum mehr Bintang oben drauf passte. Köm ließ sogar etwas Red Snapper übrig und ein paar Pommes. Das Ganze für knapp 200.000, also unter 10€ für jeden, incl. Getränke. Bis Walhalla konnte es nur noch einen Steinwurf entfernt sein. Scharfer Reis mit Pommes und Fleisch. Wer das nicht liebt, kriegt es mit dem Bambus. Ich sah fassungslos an mir herunter und schüttelte mit dem Kopf – hilflos, versteht sich.
Am Beachrestaurant rechts nebenan, also in nördlicher Richtung, schlich reges Treiben in den Tagesverlauf sich. Man hatte sämtliche Tische zu zwei langen Tafeln zusammen gestellt, so dass sie fast bis zum Wasser reichten. Circa 300 Leute fanden dort Platz, wir hatten das während des Essens mehrmals nachgerechnet. Plötzlich ergoss sich ein erster Schwall Japaner auf den Strand. Sie kamen mit 2 Bussen und hatten praktisch das Geschehen am Strand sofort im Griff. Kaum dass sie mit Nahrung versorgt waren, kam der nächste Schwall. Alles war perfekt organisiert. Zum Untergang der Sonne tummelten sich auf „unserem“ mittags noch so menschenleeren Strand hunderte kamerabehangene Menschen, zum Glück auch viele Einheimische, besonders Kinder, im Wasser und Jugendliche, die Fußball spielten. Die Tore bestanden selbstredend aus zwei Haufen Sand. Wir glotzten uns in aller Ruhe die vielen Verrückten an und suchten bei zunehmender Dunkelheit die gepriesene Idylle unseres Balkon. Dass der Kiosk genau gegenüber war, kam unserem Idealbild der Erholung sprichwörtlich entgegen. Die Straße unten, auf die unser Blick vom Balkon aus unweigerlich fiel, war rege befahren. Es gab immer was zu gucken, die Fahrzeuggeräusche nahmen wir kaum war. Mehrmals rollten noch die Busse im Schritttempo an uns vorbei, im Kiosk kauften die Leute Chips und Eis und alle paar Sekunden donnerte eine besonders laute Welle an den Strand. So ließ es sich aushalten, noch dazu die Gewissheit, dass das Zimmer auf angenehme 21°C heruntergekühlt war, ohne dass die AC nach Schimmel und Moder stank. Das Feuerwerk um 22:00 haben wir schon nicht mehr miterlebt.

Tag 21, Sonntag 18. November 2013-02-08 Jimbaran

Die Hähne aus der Nachbarschaft ballerten los, kaum dass die Sonne guten Tach gesacht hatte. Es war Zeit, sich auf die andere Seite zu drehen, mit akzentuierter Ignoranz. Ich hielt das Spielchen bis Achte durch und stolperte dann zum Balkon um als erstes das Meer zu sehen. Es war noch da. Ich hatte einen Alptraum gehabt und war noch verwirrt. Ich trug Sicherheitsschuhe und alles redete durcheinander. Genüsslich nahm ich den Anblick und die Geräusche in mich auf. Jemand räusperte sich, ich sah hinab. Ben saß vor dem Kiosk und saugte einen an, einen Kaffee mit Susu. Er war entspannt und seine Badelatschen standen durcheinander. Etwas Asche war ihm auf den Tisch gefallen und mit dem kleinen Wörterbuch fegte er sie weg. Ich nickte und wir nahmen den Blauen. Wir mussten Mal einen Warung suchen, davon konnte man besser Kacken. Beim Essen bemerkten wir erst, dass es gegenüber immer voller wurde und dass alle so festlich gekleidet waren. Da war irgendwas balinesisches im Gange, soviel war klar. Die Frauen trugen Schilder mit Nummern an der Brust, die Männer saßen rum und rauchten Zigaretten mit Nelkengeschmack. Irgendwann schleppten zwei Gruppen ihre goldverzierten Tempeldinger durch die Gegend, wir haben nicht herausgefunden, was los war, wir haben auch nicht weiter nachgehakt. Nein, wir haben einfach nur geölt, uns lief die Suppe nur so den Rücken herunter und am Allerwertesten entlang. Wir versuchten es mit Fahrtwind und knatterten auf’s Geratewohl herum, machten woanders am Strand ein paar Fotos von über 50 geschmückten Booten auf dem Wasser. Doch es war nicht auszuhalten. Es müssen mindestens 33°C gewesen sein. Einzige Linderung versprach unser Balkon und das Zimmer. In Deutschland waren gerade -2°C nahm ich wohlwollend zur Kenntnis. Tauschen wollt‘ ich jetzt auch nicht, dachte ich während ich meine Badehose zum Trocknen auf den Wäscheständer legte. Jetzt noch nicht. Vielleicht morgen oder besser noch übermorgen, aber dann war ich ja ohnehin zuhause. Scheiße, heute war ja letzter Tach!
So zischten wir am Ende ein paar Große mit Sicht auf die See und nahmen eine Datensicherung der ganzen Fotos vor. Ich hatte jetzt den ganzen Schrott, den Köm mit seiner Kaugummiautomatencam4 geschossen hat auf meinem USB-Stick, während er sich meine verwackelten Überlichtungen und abgeschnittenen Köpfe in Ruhe auf seinem Laptop ansehen konnte, wenn er wollte.
Letzte Abende haben ja immer so etwas Besonderes; das Bier schmeckt besser, die Musik klingt voller, die Sterne leuchten anders. So auch an diesem Abend. Irgendwann hatten wir einen im Tee und mussten was Essen. Danach war das Geschwitze nicht mehr auszuhalten. Die scharfe Chili-Sauce presste uns noch den letzten Tropfen Schweiß aus der Glatze. Im Kühl des Zimmers packte ich meinen Rucksack mit wohlüberlegter Strategie und nahm traurig Abschied von all den Dingen, die mir in den vergangenen Wochen die Stellung hielten. Im TV lief die Serie und ich versuchte mir die Werbung einzuprägen. Dann legte ich mich hin. Köm arbeitete auf dem Balkon noch was und haute sich dann auch hin. Aber ich schlief schlecht. Die Gedanken kreisten, die beiden Köter, die links vom Kiosk im Zwinger wohnten, bellten mehr, als dass sie wachten. Sie stachelten sich gegenseitig an. So aufgeschreckt horchte ich in die Nacht, es war um 3:00 Uhr herum, die Omma-Uhr unten im Wohnzimmer der Wirtsfamilie bimmelte alle viertel Stunde wie Big Ben, das Meer rauschte, Köm hustete und schniefte und ab und zu römerte unten ein Moped vorbei. Dazu das Gesumme der Klimaanlage und zu guter Letzt fing der erste Gockel wieder an zu bölken. Ich mochte unser Zimmer – ehrlich – aber ich fragte mich wirklich wie die Leute die hier wohnten je ihren Schlaf fanden. Ich hatte ja Zeit. Kann man sich antrainieren, einen, nein zwei Hunde zu überhören, die in 4m Entfernung wie die Irren grundlos um die Wette blafften? Warum? Na ja, wie auch immer, um 5:55 Uhr kam zu all dem Krach noch eine Ente dazu; das war mein Weckton, das Startsignal für den Morgenstuhl. Das Kacken nahmen Köm und ich in all den Wochen ungemein wichtig. Ohne guten Schiss ging gar nichts. Wer im Asienurlaub Probleme mit der Scheißerei bekam, wurde nicht wirklich glücklich. Uns war es gelungen, die Ernährungsumstellung auf schlagartig 80% Reis mit Nudeln mit Auszeichnung zu parieren. Was heißt uns; Ben war ja schon Schlimmeres gewohnt. Innerhalb der zulässigen Parameter war der Stuhlgang funktionstüchtig, würde Seven of Nine sagen. Normal ging exakt nach dem ersten Kaffe die Post ab. Da ich damit rechnete, den ersten Kaffee erst auf dem Flughafen zu bekommen, war ich natürlich etwas in Sorge. Der Rucksack passte meist in die Kabine nicht mit raan. War letztlich unberechtigt. Ich hatte die Reihenfolge eingehalten und war vorbereitet.
Um 6:40 Uhr, der Kiosk hatte noch zu, fuhr mich Ben mit dem Blauen zum Flughafen. Es hatte geregnet, der Sattel war noch nass. Mensch, den Regen hatte ich bei all dem Lärm heut Nacht gar nicht gehört. Und, bevor ich’s noch vergesse: während der letzten Vorbereitungen zur Abfahrt, also gegen viertel nach sechs begann plötzlich ein vertrautes Gebimmel, Gebammel und Gedonge. Wir trauten unseren Augen nicht. Am Strand, genau in unserem gewohnten Blickfeld hatten sie einen Gamelan aufgebaut. Ein Paar Instrumente, einen riesigen goldenen Tempeldings, wie der von gestern und ein Haufen Balineser und Balinessen, in Schale geschmissen wie nur irgendwas. Überall Menschen, noch auf der Straße. Sapperlot, die hatten echt Power, so früh am Morgen. Ich wollte erst noch fragen, was sie antreibt, aber wir mussten los.
Wie gesagt, Köm brachte mich zum Airpocht, nach den üblichen Fahrspurverwechselungen fand der Blaue einen Parkplatz und der Abschied tat weh. Würde ich je einen so guten Motorroller mein Eigen nennen können dürfen? Mit den Fahrspurverwechselungen war das so eine Sache. Wir kannten das schon von der Fähre nach Java, sowohl hin als auch wieder zurück. Weil wir am Kassenhäuschen immer länger brauchten, als die anderen, konnten wir in der Regel niemandem hinterher fahren, denn die waren ja alle immer schon weg. Meist fehlten Schilder wie Moped da lang oder hier nur Autos. Wir fuhren dann immer irgendwo hin, bis jemand pfiff und gestikulierte. Dieser Jemand zeigte dann oft irgendwo hin, wo gar nichts war und wir fuhren wie Dick und Doof im Kreis herum, als hätten wir unser Lenkradschloss noch zu. Ich glaube, die machten sich wie abgesprochen einen Spaß aus uns Langnasen. Auf Java sagte mal einer Left und zeigte nach rechts, er hatte sich wohl versprochen, aber rechts war nix. Büsche vielleicht. Wir mussten eher 2x left und dann right und das im Linksverkehr, wo sich sowieso alles dreht. Meist brüllten wir beide einfach laut los, meistens „Aaaahh“ und einer gab Gas, oft der, der fuhr. Hier gab es bei der Ausfahrt auf der Schnellstraße 2 Schilder: Airport und VIP. Wir nahmen Airport, das schien uns logisch, aber das war falsch. Mopeds fuhren bitte nach VIP. Das musste ich mir merken. Dort war ein gigantischer Parkplatz für Motorroller. Man kam echt ins Grübeln. Köm geleitete mich zum ersten Checkpoint, dem Punkt ohne Wiederkehr und wir sagten Tschüß. Für wie lange wußte keiner von uns beiden und wir machten auch kein langes Drama daraus. Wir brauchten nach drei Wochen nicht mehr viele Worte um uns klar auszudrücken. Der Sack hat sich gleich danach bei Burger-King einen fetten Whopper mit Pommes reingezogen, während man mich schon wieder in eine Reisbude hofieren wollte. „Ich geb dir gleich Reis, Junge“, murmelte ich freundlich lächelnd. Mein Urlaub war zu Ende und ich verfiel prompt in alte Gewohnheiten. Nein, ich brauchte erst mal einen richtigen Kaffee und suchte sowas wie Starbucks, doch hier drinnen gab es sowas nicht. Der war auch draußen, neben Burger King. Na ja, ich fand ihn, den guten Kaffee und konnte mich zurücklehnen. Es dauerte nicht lange und ich konnte schon wieder auf den Schacht, aber das Thema hab ich durch.
Ich mag das Fliegen nicht. Dieses Gefummel auf engstem Raum, dieses Brötchengeschmiere mit angedrückten Ellenbogen und dann fällt einem am besten noch der kleine Löffel runter – nein, Fliegen ist nicht mein Ding. Ich kriege da immer denselben Gesichtsausdruck, wie wenn mir der Deckel vom Joghurt beim Öffnen in der Mitte durchreißt. Der erste Flug von Bali nach Singapur war genau so einer. Ein tätowierter Ossi hat sich mit seiner Ollen auf meinen Fensterplatz gesetzt. Ich tat freundlich, es war mir egal, auch wollte ich meine neu erlernte asiatische Ruhe auf die Probe stellen. Aber als dann beim Essen diese Fernbedienung vom TV-Gerät beim Tippen immer genau im entscheidenden Moment ein Menü daneben gesprungen ist, habe ich innerlich gekocht. Ich hasse sowas. Wenn ich eine Taste drücke und es passiert nichts und dann passiert es doch, aber erst nachdem ich längst eine weitere Taste gedrückt hatte, weil ich ja annehmen musste, dass nix passiert, da konnte ich ausrasten. Da war er also wieder, der alte Bob, so wie man ihn kannte; dünnhäutig und voller Zorn auf die beknackte Welt abseits des Strandes und ohne Meeresrauschen. Doch ich ließ mir nichts anmerken, außer dass ich den TV-Kopfhörer rausriss, ihn auf den Boden pfefferte und meine Oper hörte. Hat keiner gemerkt. In Singapur genoss ich die Ruhe, weil ich genau so viel Zeit hatte, wie ich für alles brauchte. Ich schlenderte mit einem großen heißen Pappbecher ohne Hast die ewig langen Gänge und Hallen entlang und sah mir all die verrückten Menschen an. Hier kamen sie wirklich aus aller Herren Länder. Am Gate A11, wo mein Flieger stand, dann das gewohnte Bild: Deutsche wohin man auch sah. Es ging ja nach Frankfurt. Ich hielt mich abseits, fing kein Gespräch an. Ich wollte nichts von ihnen wissen, gar nichts. Der folgende Flug war angenehm. Ich saß alleine in meiner Reihe auf meinem online reservierten Fensterplatz, hinten, schön weit weg von der Tragfläche, aber nah genug am Klo, ohne dessen Frequentierung ausgesetzt zu sein. Ich konnte mich quer hinlegen und schlief sogar richtig. Der Kellner war auf zack. Nur das mit Batman, das war ein Fehler. Ich hätte es wissen müssen. Immer wenn ich fliege, läuft irgendwo ein neuer Batman. Batman ist langatmig und doof. Ich werde nie wieder einen Batmanfilm ansehen, das sei von jetzt an geschworen. Ansonsten war das alles auszuhalten. Singapore Airlines war zu empfehlen.
Der dreieinhalbstündige Aufenthalt in Frankfurt war leider vollkommen ätzend. Es war schweinekalt überall, ich war seit nunmehr 24h wach und die Rippchen konnten nicht überzeugen. Und das zog sich. Endlich, der IC2020 nach Hamburg Altona, der mich bis Osnabrück mitnahm. Klassisches Sechserabteil, ziemlich altes Ding. Alles noch von Hand. Hätte nur noch gefehlt das Hercule Poirot im Gang paffend aus dem Fenster sieht. Auf meinem Platz saß schon jemand. So ne Dicke. Sonst war das Abteil leer. Ich grüßte und setzte mich ihr gegenüber ans Fenster. Mir fielen fast augenblicklich die geröteten Klüsen zu. Nach 20 Minuten hatte ich das Abteil für mich alleine. Die dicke Frau wurde rausgeschmissen. Sie war Russin, ca. 35 und hatte keinen Fahrschein. Sie bog sich einen ab, dass die Heide wackelte. Der letzte Schaffner hätte gesagt, es würde ihr ein Ticket im Zug ausgestellt werden, und auch wenn ihre Handtasche gestohlen wäre, würde das ja nichts ausmachen, sie könne ja einfach später bezahlen, hätte er gesagt, sagt er. Natürlich. Und auf Bali warten sie nur auf Grünkohl mit Bregenwurst. Das resolute Schaffnergespann hat Fräulein Rumgestammlikova beim nächsten Bahnhof aus dem Zug geschmissen. Das war in Mainz und sie wollte nach Bonn. Wie weit es denn wäre von Mainz nach Bonn, fragte sie. Ich hatte gerade keinen Empfang und wusste die Antwort nicht. Außerdem nervte mich, dass sie so tat, als könne sie kein Deutsch, um hilfloser zu wirken. Sie konnte sehr wohl meine Sprache. Ich wusste nur zu gut, wie Russen deutsch sprechen oder eben nicht, wenn nicht.

Mit der Eisenbahn nachts um halb eins,
wenn kein Geld du hast, bleibst Du in Mainz.

Sollte mir das für sie leid tun? Wo war die indonesische Hilfsbereitschaft mit mir hin? Hätte uns das Speedboot zu den Gilis gebracht, wenn wir keinen Fahrschein gelöst hätten?
Musste ich mal 140€ Strafe für mich und mein Fahrrad bezahlen, weil Typen die am Bahnhof abhingen und Leute bedrohten, das Fahrscheinentwertungsgerät kaputt gemacht hatten? In Deutschland ist man halt nicht nett und freundlich, da hilft Dir keiner, da gibt’s ersma ‘nen Anfratzer, dann noch einen oben druff und hinterher wird Strafe bezahlt. Das war unter Kaiser Willem so, unter Bismark, und auch die jetzige Bundesregierung wird daran nichts ändern!
So hatte ich ab Mainz das ganze Abteil für mich alleine. Ich konnte nach Herzenslust Furzen und in Ruhe den Schnupfen hoch ziehen. Für den Indonesier ist es ein Hohn, sich mit dem Taschentuch die Nase zu putzen. Sowas macht man nicht. Es wird lautstark hochgezogen und ausgespuckt. Für Zwischendurch gilt der Altdeutsche als erste Wahl. Ich las ein wenig, versuchte zu schreiben und knackte ein paar Minuten. Die Angst Osnabrück zu verschlafen, saß mir im Nacken. Diese Angst war vollends unbegründet denn wie ich feststellen musste, ließ mir die deutsche Gründlichkeit einfach keinen Raum zur Entspannung. Um kurz vor vier riss jemand meine Abteiltür auf, knipste das Licht an und weckte mich, indem er mich laut anrief. Ich erwachte nicht gleich, so tief war ich weg und war reichlich verunsichert als 3 riesengroße uniformierte Bullen in der Tür und im Abteil standen: „Guten Morgen, Bundespolizei, bitte weisen Sie sich aus!“ Ich hasste es. Diese ganze Scheiße fing an, mir auf den Sack zu gehen, aber gehörig. Wo ich herkäme, was in der Ukulele-Tasche drin wäre? Übers Handy gaben sie meinen Namen und mein Geburtsdatum an die Leitstelle durch, aber meine Weste war blütenweiß. Ich war jetzt schon durch mit meinem eigenen Land, dabei war ich erst wenige, elend lang erscheinende Stunden hier. Das war in Münster. Die Bullen verpissten sich wieder, mein Herz klopfte und der Schaffner der nächsten Schicht stellte sich per Lautsprecher vor und wünschte mir eine gute Fahrt.

4:50 Uhr, Mittwoch

In Osnabrück war lediglich der Kaffeeautomat defekt, also nichts Gravierendes. Ich war mittlerweile seit 28 Stunden auf den Beinen und vergaß, mich an meine Ausfallerscheinungen zu erinnern. Als der Zug in Haste eintraf, hatte er 2 Minuten Verspätung. Mein Anschlusszug nach Hause hätte schon weg sein müssen. Ich stratzte mit vollem Gepäck los, den Schildern folgend und kaum, dass ich drinne war, knallte er die Türen zu. Mir tat alles weh. Jetzt waren es nur noch 20 Minuten oder so und als ich endlich zuhause auf den Bahnsteig stolperte, stand dort meine liebe Beate und wartete auf mich. War das eine Freude, das kann ich Euch sagen. Mein Sohn konnte leider nicht dabei sein, er war gerade mit der Schule in Frankreich unterwegs. Ich glaube, schon am nächsten Tag hatte ich Sicherheitsschuhe an und alle redeten durcheinander.

Ende
1 Ich hab die halbe Nacht nicht geschlafen, weil ich mich sorgte. Habe ich ihn gar nicht verfolgt, sondern fühlte er sich gejagt? Tat ich Unrecht? Ach was. Er kannte diese Insel und wusste, was ihm hier blühte. Schildkröten sind doch weise. Sie wissen alles, sie tragen die Welt auf ihrem Rücken.

2 Die Insel Pulau Trawangan ist 2,4km lang und 1,6km breit.
3 Auf Pulau Trawangan geschah eines Nachts folgendes: bei der Runde mit Gitarre und Akkordeon, kam einer mit ner Tüte Bier und Köm nahm anschließend die Tüte und steckte sie ordentlich gefaltet in seine Seitentasche. Ich bekam mit, wie der Gitarrist laut loslachte und sagte: „Only Germans are folding their Bags. Only Germans do that.“ Doch wir hatten zuhause keine Tüte mehr, da war doch unser Müll drinne.
4Casio Exilim ZR-100

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