Das Reisetagebuch der Balireise 2012
jetzt neu: immer noch ohne Inhaltsverzeichnis
Balibook of Ben & Bob
Tag 1, 28. Oktober, FRA - Flughafen 21:45 Uhr
Nun
denn, es war wieder soweit, ich war wieder unterwegs. 4 Jahre nach
dem Kambodscha-Abenteuer mit Köm gab mir meine liebe Frau Beate, die ich
mittlerweile geheiratet hatte, grünes Licht für eine weitere
Asienreise. Dieses Mal stand Bali/Indonesien auf dem Ticket,
dort war ich irgendwie auch noch nicht gewesen. Ich war übrigens
noch nie südlich des Äquators. Dort standen die Leute anders herum,
wenn man vom Weltall aus guckte, oder sie lagen, besonders in
unmittelbarer Äquatornähe auf der Seite. Bali lag etwas über 8
Grad südlich des Äquators, ich war sicher, ich würde das zu
schätzen wissen. Außerdem begann zuhause gerade so richtig der
Winter.
Erst
im Flugzeug traute ich mich das erste Mal mein Tagebuch
aufzuschlagen, um die ersten Zeilen niederzuschreiben. Vorher war mir
nicht danach. Ich saß nur stocksteif im Zug und haderte mit dem
Empfang meines iPhones, weil ich mit aller Gewalt das Fußballspiel
hören wollte. Da kam aber nichts. Nur kleckerweise mal für wenige
Sekunden 3G, gerade genug um nach 90 Minuten als Verlierer vom Platz
zu schlurfen. Ich hätte mir das schenken sollen, hätte nach
Entspannung schreien sollen. Aber ich musste diese Urlaubsruhe erst
neu erlernen. Ich hatte in den letzten 4 Jahren zuviel gearbeitet und
viel zu oft in viel zu viele Bildschirmgeräte gestarrt, als dass ich
mir das in so wenigen Stunden hätte abgewöhnen können. So blickte
ich den Rest der Fahrt ins Leere, schlief mehrmals über meinem Buch
ein, ohne der Geschichte zu folgen und ärgerte mich über meinen Gegenüber. Er zerkaute seine Pringles wie ein Pferd und fummelte an
einer Stelle an seinem Hinterkopf. Erst tastete er daran herum, dann
tupfte er sich irgendeine Suppe daraus mit einem Tempo ab. Später,
als er sich unbeobachtet glaubte, lutschte er seinen Finger sogar ab.
Das war mein Startsignal, ich wartete lieber mit den anderen im Gang
auf den nächsten Halt: FRA-Flughafen.
Bis
zum eigentlichen Flug ist nicht viel passiert. Alles nach Plan und
ich machte auch keine gravierenden Fehler. Dass meine Ukulele nicht
ins Bordgepäck durfte, war natürlich ein herber Schlag. Würde der
Aufkleber »Fragile« halten? Merkten die das evtl. auch so, dass da
kein Maschinengewehr in der Instrumententasche war, welches man nach
Herzenslaune hin und her werfen durfte?
Musste
ich mich wohl oder übel überraschen lassen, ob meine liebe Uke
hinterher nicht zu einer hölzernen Triangel umgestaltet würde. Der
Flug von Frankfurt nach Singapur sollte knapp 12 Stunden dauern und
war an Ereignislosigkeit kaum zu übertreffen. Entgegen meiner
wochenlang minutiös geplanten Vorbereitung, all die Opern durch zu
hören, die ich mir legal auf's Telefon geladen hatte, sah ich mir
dann doch lieber was im Fernsehen an: The Avengers und Ice Age 4,
oder war das schon Teil 5? Aber das war ok. Ich hatte mir seit
Monaten keinen Film mehr aus der Retorte angesehen, brachte es seit
Sommer auf gerade mal 2 Folgen Magnum. Nach einer schlechten Folge
Big Bang Theory beobachtete ich mein Handy beim Laden. Die hatten für
jeden einen eigenen USB-Anschluss in Augenhöhe eingebaut. Die
dachten mit, die Singaporianer. Dennoch war das hier alles nicht mein
Ding. War ja ein Nachtflug, zumindest was die Abflugzeit anging. Also
haben sie uns mit Essen, Snacks und Saufen vollgepumpt und als es ans
Pinkeln ging, kamen die Turbulenzen. Sie erlaubten nicht die
Fensterabdeckungen zu öffnen, weil wir sehr früh in die
Morgendämmerung hinein flogen und die dann gleißende Sonne alle
beim Poofen stören könnte. So gab es fast 5 Stunden keinen Service,
weil alles dunkel war. Was soll's. Brauchte ich auch nicht dauernd
auf den Pott, hatte ja schließlich einen Fensterplatz gebucht,
online.
Als
wir Indien überflogen, hätte ich gerne die ganze Zeit aus dem
Fenster geglotzt. Aber niemand, aber auch wirklich niemand hatte im
Flieger sein Fensterrollo auch nur einen winzigen Spalt breit offen.
Die waren alle bescheuert. Wenn ich mein Rollo auch nur 5cm anhob,
war sofort das ganze Flugzeug von meinem Licht durchflutet und alle
sahen erbost zu mir herüber. Sowas war mir echt neu. Ich wollt' mir
doch auch mal Indien ansehen, so wie mein Kumpel, der äh, scheiße,
jetzt hab ich doch schon wieder seinen Namen vergessen. Irgendwas mit
K... Na ja, den Flug hakte ich ab. Nur einen Becher Kaffee hab ich
gesoffen, bei einer 12h Quasi-Nachtschicht. Nicht ein einziges Bier
hab ich gespült, es kam einfach kein Arsch rum. Das würde ich aber
sicher gleich nachholen, dachte ich bei mir. Wenn mal nicht, so wie
sonst, alle Stricke rissen, würde bestimmt gleich mein Kumpel K mit
ner Kiste Herri in Singapur auf der Landebahn stehen und winkend
diesem Unterfangen den Stempel "Urlaub" aufdrücken.
Während
Captain Schorse von ganz vorne noch ein wenig radebrach, konnte ich
noch schnell beschreiben, wie die ungeschlossene Wolkendecke von oben
aussah, welche unsere Boing 747 in Kürze zu durchstoßen gedachte:
so wie immer. Weiß und fluffig. Über jedem Eiland, und war es noch
so winzig, hing wie angebunden ein Wolkenballen und daneben, über
dem Wasser, war der Himmel frei. Wie ein Wald aus Atompilzen. Weit
vor der Küste Singapurs lagen geräumig verteilt hunderte
Containerschiffe vor Anker. Sie hatten keinerlei Gischt an Bord und
warteten. Nur die Schiffe, deren Bug in die andere Richtung zeigte,
zogen das aufgewühlte Wasser der Schiffsschraube hinter sich her.
Mit anderen Worten: Abhauen war gestattet, das Einlaufen in den Hafen
gestaltete sich hingegen eher problembehaftet.
Danach
war Landung, niemand klatschte. Ich stolperte durch die langen Hallen
des singapuritanischen Megaflughafens und zog mir die Leute rein. Mit
dem SkyDrive, einem Zug innerhalb des Flughafens ballerte ich zu
meinem Terminalkomplex. Meine Augen brannten und ich musste Kacken,
doch ich hatte gerade keinen Bock. Natürlich wollte ich K sehen,
wollte endlich mal wieder ein Wort los werden, ohne dabei freundlich
sein zu müssen. Doch der Kerl war nirgends zu sehen. Weder winkte
er, noch stritt er mit einem Uniformierten. Ich hatte nicht einen
Balken am Handy und war auf mich allein gestellt. Drauf geschissen,
ich checkte schon mal ein, die Zeit wurde ohnehin langsam knapp. Dann
klimperte plötzlich mein Handy herum und einige, zum Teil steinalte
SMS gingen ein. Der Lump saß schon wieder seit 1h in einer Kneipe
zwischen E und F, ich schmorte hinter Glas genau in E. Dann kam er,
oder besser er köm, und wir knüpften da an, wo wir vor 4 Jahren in
Kambodscha aufgehört hatten. Nur trug ich jetzt dabei eine
Lesebrille.
Der
kurze Flug von Singapur nach Denpasar/Bali war schnell erzählt, umso
länger dauerte die Einreiseprozedur. An elend langen Schlangen stand
man sich zunächst die Beine in den Bauch, um die Gebühr von 25$ für
das Visum zu bezahlen. Danach stand man ein zweites Mal noch länger
woanders, um das Visum zu erhalten. Unverhohlen wandelten Polizisten
zwischen den Touristen auf und ab und gaben zu verstehen, dass man
sie nur hier und jetzt mit lediglich 25$ zu schmieren bräuchte, um
die Wartezeit auf ein Minimum zu verkürzen. Wir hatten Zeit. Darauf
kam es jetzt echt nicht mehr an. Wir erleichterten einen
Geldautomaten um sage und schreibe 6 Millionen Rupien und passierten
dann den Zoll. Also ich passierte ihn. Köm musste auspacken.
Offensichtlich stand ihm eine Vergangenheit ins Gesicht geschrieben,
die mir entgangen war. Oder aber er wurde aufgrund seiner
Körperbräune und seines indischen Reisebaartes als
geschäftstüchtiger Grenzgänger entlarvt, nur hier um illegale
Verbindungen zu pflegen und aufleben zu lassen. Er hatte schließlich
einen dreimonatigen Aufenthalt in Indien und Sri Lanka hinter sich,
falls ich das bisher noch nicht erwähnt hatte.
Es
kam, wie immer an den Flughäfen dieser Welt und ganz besonders den
asiatischen, die Sache mit den Taxifahrern. Sie belagerten mich.
Während meiner ersten Zigarette seit 20 Stunden, umzingelten sie
mich und zuppelten freundlich an mir herum. Köm war drinnen noch
immer mit seinem Rucksack beschäftigt. Was sollte ich ihnen sagen?
Ich wusste ja nicht mal genau wo wir waren, geschweige denn was wir
wollten? Strand, Bier, aber was ging das die ganzen Taxifahrer an?
Der eine wollte 250.000 Rupien haben, für die Fahrt gen Süden, raus
aus der Stadt. Das waren grob gerechnet 25$, oder eben 19€. Ein
anderer gab sich mit 150.000 Rupien zufrieden, das war unser Mann. Er
war extrem kurzsichtig, jedenfalls fuhr er so. 40 Minuten
Stadt-Land-Fluß-Rallye im stockdusteren Linksverkehr auf dem
Mittelstreifen ohne erkennbare Regeln. Sein Gesicht klebte an der
Scheibe und der Mittelstreifen wurde nur verlassen, wenn irgendwas
entgegenkam. Der Wagen roch nach Fuß. Umgekippter Turnschuh.
Irgendwas lag auf dem Armaturenbrett in kleinen Schälchen aus Bast,
was nach Fuß roch. Ich hatte noch kein Auge für so etwas, ich war
ja noch neu, aber natürlich kam ich recht fix hinter das Geheimnis:
im buddhistischen Teil Indonesiens wurden den verschiedensten Göttern
kleine Opfergaben dargelegt. Auf Treppen, in Eingängen, mitten auf
die Straße oder eben auf das Armaturenbrett von Autos und Booten
legte man Schälchen mit Reis und Blumen nieder, meist in einen
kleinen Schrein. Je höher dieser Schrein gelegen, desto gütiger das
Wesen der Götter, die tiefliegenden Gaben sollten die bösen Götter
milde stimmen. Der Reis müffelte nach einer Weile nach Stinkesocke,
so einfach war das. Vielleicht ist genau aus diesem Grund auf unserer
rasanten Taxifahrt rein gar nichts passiert. Er schmiss uns am Strand
raus. Da es sich um eine Steilküste handelte, wir das aber erst
nicht wussten, nahmen wir unser Gepäck und stiefelten eine in Fels
gehauene Treppe hinunter, ein paar hundert Stufen, runter zum Wasser.
Immer der Technomucke entgegen. Techno? Am Strand war ne Megaparty am
Gange, wegen Vollmond. Dort gab es Bier und Schnaps! Aber keine
Unterkunft, beileibe nicht. Wir also wieder hoch die lange Treppe,
völlig durchnässt, vom Geschleppe. Nun möchte man ja fragen, warum
wir nicht zumindest für eine kleine Erfrischung dort verweilten? Die
Theke war am anderen Ende der Bucht und wir kannten uns zu genau. Wir
wären da versackt, ohne mit der Wimper zu zucken und hätten am Ende
im Dreck gepennt. Deshalb erst die Treppe wieder hoch und oben an der
Straße nach einem Zimmer gefragt. Das Padang Padang Sari hatte eine
Bude nach unserem Geschmack. 2 große Betten, Ventilator, 2
Steckdosen; nahezu ideal. Das Bad mochte dem gemeinen Europäer
vielleicht technisch nicht ganz entsprechen, aber sowas interessierte
uns schon lange nicht mehr. Wir kannten das alles noch aus Kambodscha
und Indien war da auch nicht viel anders. In der Regel hatte man eine
Kloschüssel mit ewig nasser Brille, einen Brauseschlauch und das
war’s. Hier hatten wir sogar noch so ein gefliestes Bassin, wo man
Wasser einlaufen lassen konnte um es dann mit einer Schöpfkelle zum
Spülen zu nutzen. Mehr brauchte es auch nicht. Man ging nackt auf’s
Klo und kam nass wieder raus. Es waren 30°C, so machte man das.
Waschbecken waren was für Weicheier. Nach dem Aus(k)packen sind wir
frisch runter zum Strand, wieder die Treppe. Auch sie roch nach Fuß.
Es war irgendwas nach 23 Uhr. Der Bass möllerte wie beim
Dynamitfischen und das Bier lag im Eis. Wir setzten uns etwas abseits
und störten versehentlich ein junges französisches Liebespaar beim
Pimpern. Gingen wir eben ein paar Meter weiter und setzten uns dort
auf einen Fels. Wie sich herausstellte, hatten die beiden vergessen,
wo sie in lüsternem Eifer ihre Kleider nebst Wertsachen abgelegt
hatten und kamen später ganz aufgelöst zu uns herüber, ob wir
jemanden beim Klauen gesehen hätten. „Nö, aber hier liegt was“,
ich leuchtete mit meiner Lenser P7 den Sand aus. War das eine Freude
für die mittlerweile 5 Franzosen; das ganze Gelumpe lag dort,
Handtasche, Wertsachen, Unterhosen und alles. Wir waren Helden für
die Clique, dabei hatten wir nur da gesessen und den Vollmond
angestarrt, der tatsächlich voll auf der Seite lag. Nicht ganz
anders herum, wie ich fälschlicherweise annahm. Die Franzosen
bedankten sich noch Stunden später nahe der sandigen Tanzfläche auf
deutsch, englisch und französisch, alles in einem Satz. Wie der
Abend ausging, brauche ich hier wohl nicht lang auszuführen,
jedenfalls gehörten Köm und Roat (wir nannten uns jetzt Ben und
Bob) zu den letzten Gästen am letzten noch nicht fortgeräumten
Tisch.
Tag 2, Dienstag 30.Oktober, Padang Padang
Am
Tag danach fiel die Wahl leicht; er Reis, ich Nudeln, beides mit
Chicken. Wir liehen uns eine Honda und tranken eine Runde
Brüderschaft mit dem Linksverkehr. Einmal die Strände in der Gegend
abgeklappert, vielleicht ´ne Unterkunft direkt am Strand mit Blick
aufs Wasser, aber wir fanden nix passendes in unserer Preisklasse. In
einer Kneipe im Fels der Steilküste hingen wir ne Weile ab und
studierten die wilden Surfer dort draußen bei den Megawellen. Am
Ende besorgten wir uns „nur“ neue Simkarten und somit Internet
für unsere Smartphones und ließen den Tag genügsam am Zimmer
ausklingen. Manchmal war es eben doch wichtig, dass man dabei war,
wenn der Gecko seinen Kopf bewegte, obwohl man hätte schwören
können, dass jemand ihn dort hin geklebt hatte, so bewegungslos wie
er seit Stunden an der Wand verharrte. Vermutlich dachte der Gecko
das Gleiche von uns auch, wie er uns so sitzen sah.
Tag 3, Mittwoch 31.Oktober, Anfahrt zu den Gili Islands
Um
6:45 Uhr war die Nacht am Ende. Gott sei Dank. Ich hab so geölt und
lag mehr quer als schräg. Gleich sollte ein Fahrer kommen, um uns
zum Transfer zu den Gili Inseln zu bringen. Köm hatte gestern
irgendwo ein Prospekt liegen sehen, wo so ein Transfer angeboten
wurde und hat da angerufen. Der junge Mann kam sehr pünktlich mit
dem Minivan vorbei und schon waren wir wieder auf der Straße. Es
ging 1,5h quer durch Südbali ostwärts nach Benoa zum Ablegerstrand.
Dort bestiegen wir ein Speedboot mit 3 Außenbordern, dass mit 46km/h
die hellblaue See durchschnitt. Endlich fand ich mich in einem
Gemütszustand der seligen Starre wieder, regungslos den Blick aufs
Meer gerichtet, wie Ahab. Ohne den Zwang lesen zu müssen, zu
schreiben oder mit dem scheiß Telefon herum zu spielen. Einfach nur
stundenlang sitzen und glotzen. Wie hatte ich es vermisst. Ich genoss
die Leere in meinem Kopf. Und das Bintang, welches Köm
interessanterweise und unerwartet aus seinem Rucksack zauberte.
Das
Boot klapperte die Anlegeplätze seiner Route ab, die Leute kamen und
gingen und gegen Mittag betraten Köm und ich die berühmt
berüchtigte Gili-Insel Pulau Trawangan, ein Flecken wie er
malerischer kaum sein konnte. Am Anleger, bloßer Strand, kein Hafen
oder so, waren natürlich die Strandbars aufgereiht. Das war auch gut
so, denn wir hatten keine Zeit zum Frühstücken gehabt, nur so ein
paar Kekse und Wasser mit Bier. Also schön was eingeschoben, Nudeln
mit Reis oder was weiß ich, dazu ein Kühles, ach wie herrlich
dieses Leben doch war.
Nach
dem Essen besorgte sich Köm, äh Ben, ein Fahrrad und fuhr die
Straße rauf und runter, auf der Suche nach dem richtigen Gästehaus.
Geschickt wich er den Pferdekarren aus, die hier die Autos und Taxen
komplett ersetzten. Motorfahrzeuge waren nicht gestattet. Ich passte
derweil auf die Rucksäcke auf und wippte mit dem Fuß. Ein Gilineser
und ein junger Finne hatten ihre Gitarren getauscht und spielten alte
Weisen von Marc Knopfler und den Red Hot Chili Peppers. Köm, äh
Ben, kam nicht an Laden, so war ich gezwungen nachzuordern. Die
Erfrischung war noch nicht mal halb warm geworden, da kehrte er mit
froher Kunde zurück. Er hatte eine Bleibe erspäht, ein für unsere
Ansprüche nahezu fürstliches Zimmer im Brothers Homestay. Wenige
Meter bis zum Meer mit Frühstück, Pool und der Tauchschule Scuba
Diving gleich nebenan. Wenn wir es drauf anlegten, brachte uns Mike
3.1 (sein 3. Zahn in der 1. Reihe unten fehlte) alles was wir
brauchten. Zunächst machten wir davon regen Gebrauch, später gingen
wir selbst zum Laden nach vorne. Nach einem weiteren von diesen
kleinen Pläuschken mit Hill, dem anderen von den drei
Gästehausfachangestellten, gingen wir ins Wasser. Ein Traum in
Türkis. Die ersten so halb intakten Korallen waren schon nach gut
10-15m erschwommen, mit Fischen wie im Zoogeschäft. Ben hatte also
seine Schnorchelausrüstung nicht ganz umsonst durch halb Indien
geschleppt, das zahlte sich jetzt aus. Wir wechselten uns ab; einer
zählte Fische, der andere passte auf den Rucksack auf. Die
Bestellung der Erfrischungen verlief synchron. Im Süden war die
Insel Lombok zu sehen, unheilvoll hingen dunkle Wolken über den
Vulkanen. Einige Tropfen Regen schafften es zu uns herüber. Das war
uns jedoch sowas von schnuppe, ich fand einfach keine Worte dafür.
Abends
gingen wir Essen. Ich litt unter fürchterlichen Kopfschmerzen und
warf alsbald das Handtuch. Aber geschmeckt hat’s dennoch. Wenn man
bei dem Wetter vergaß, nebenbei ein paar Liter Wasser in sich hinein
zu kippen, wurde man früher oder später dafür mit einer Hirse
bestraft. Das musste ich mir echt mal merken. Das war alles mit dem
deutschen Spielzeugsommer nicht vergleichbar. Köm kam irgendwann
später nach Hause und pennte wegen der Hitze draußen vor der Hütte
(unserem Zelt, wie wir es nannten) auf den bloßen Fliesen. Das
wusste am nächsten Morgen die komplette Nachbarschaft, denn sein
Geschnarche war lauter als das Gebölke des Imams um 4:30 Uhr aus der
Moschee um die Ecke.
Tag 4, Donnerstag, 1.November, Pulau Trawangan
Am
Morgen sah alles schon ganz anders aus. Ich war wieder fit, auch wenn
ich vielleicht nicht so aussah. Das nasse Bettzeug trocknete schnell,
denn es waren um 8:00 Uhr schon wieder 5000°C. Die Handtücher auf
der Leine zerfielen binnen Sekunden zu Asche und die Vögel stürzten
als schwarze Klumpen vor unsere Terrasse. Das Frühstück fiel klein
aus: Obstsalat für Ben, Jaffle aus dem Sandwichmaker für Bob. Der
Kaffee war ne Sache für sich, ein süßes Gebräu, stark wie Hulle,
die halbe Tasse voll Satz und eine Milch (Susu) von spermatöser
Konsistenz. Aber er tat seinen Dienst und nur darauf kam es an, hier
in der Wildnis; Funktion, reine Funktion.
Richtig
geraten, lieber Leser, kurz danach wählten wir zwei Liegen am Wasser
und taten nichts. Ein langnadeliger Nadelbaum spendete uns Schatten,
das war die einzige Möglichkeit in dieser Wildnis zu überleben. Die
Boote kamen und gingen, ebenso die Ketten- und Tinnefverkäufer. Über
Lombok braute sich erneut ein Unwetter zusammen, als Köm mit Bananen
wieder kam. Der Wind legte zu. Die langen Nadeln vom langnadeligen
Nadelbaum trudelten auf uns hernieder und besudelten uns pudelwohl
fühlende Indogermanen. Ansonsten geschah nichts von Belang. Gaaanz
langsam machten wir uns irgendwann zurück zum Zelt.
Unterdessen
knöpfte ich mir mein Otak (Gehirn) vor und löschte einige Begriffe
aus meinem Vokabular: gleichförmiger Zeitverlauf, Sockenfussel,
Klopapier, Mangel. Anschließend klickte ich auf Speichern des
Hippocampus und nahm einen Chips mit Lachsgeschmack der Klasse High
End 1a. Der Imam ließ eins von seinen 180 Abendgebeten erklingen.
War das ein Zeichen des Aufbruchs? Naan. Wir saßen und hörten laut
Metal und danach all das andere Zeug, was der Zufall aus unseren
insgesamt 91GB Mp3 auszuwählen pflegte. Bis der Hunger unerträglich
wurde.
Dafür
kam natürlich eine Bar im Sand in Frage, schließlich spiegelte sich
bald der Mond im Wasser. Das Essen war überall gleich lecker und
bekömmlich, das Bier war immer Bintang. Einzig und allein die
Lautstärke war ausschlaggebend für die Wahl der Einkehr. Wenn Musik
gespielt wurde, dann meist gleich so laut, dass der Reis vom Tisch
fiel. Wir erstrebten stets eine Bar „daneben aber nicht
dazwischen“. Essen im Schneidersitz oder halb im Liegen war für
unsere müden Knochen eine Herausforderung und manchmal sah man total
beknackt dabei aus, doch das steckten wir weg. Weiter südlich am
Strand saßen später die Finnen mit den Amis und den einheimischen
Bengels am Feuer. Wir fläzten uns in zwei Strandsessel daneben,
genossen den aufgehenden, abnehmenden Mond in Konjunktur mit Jupiter
und Aldebaran. Orion machte sich auch schon auf die Socken zum Zenit.
Es wurde später. Nächster Halt: Sama Sama Bar, ein Riesenschuppen
mit cooler Livemusik. The Mellow Mood Reggea Soul Band. Drinnen war
der Teufel los, also saßen wir draußen an der Theke im Sand. Bis
Feierabend, dann trafen wir auf dem Weg zum Kaufmannsladen Aiki, den
Franzosen mit seinem Akkordeon und seiner japanischen Freundin,
zusammen mit einer Hand voll Indobengels. Einer hatte sogar eine
Ukulele dabei, total verstimmt und kaputt, aber es hörte sich an.
Man konnte sie nicht stimmen, weil zwei Wirbel kaputt waren, und bei
dem Versuch es dennoch zu probieren, hab ich sie ihm ganz versaut.
War ja auch schon spät. Wir hingen mit der Truppe ne Weile ab und
verabredeten uns für den nächsten Tag. Ich hätte ja auch meine
eigene Ukulele dort mit hin nehmen können, doch ehrlich gesagt war
ich nicht der Typ, der mit einem Instrument unterm Arm den ganzen
Abend durch die Gegend rennt, um bei jedem möglichen Event erklären
zu müssen, dass er die Lieder nicht auswendig kannte und sowieso
immer das Gleiche spielte. Am Zelt war es zu warm, also gingen wir
nochmal raan. Ins Wasser. Bis Sonnenaufgang war es nicht mehr lang
hin. Schwerelos auf dem noch warmen Wasser liegend, drehten wir uns
und folgten dem Lauf der Sterne und des Mondes. Er war schön, aber
er überstrahlte mit seinem gleißenden Licht die Sternenwelt des
Südhimmels, mit Sternen, die ich persönlich noch nie zuvor gesehen
habe.
Tag 5, Freitag, 2. November, Pulau Trawangan
Frühstück
am Strand, danach einfach da geblieben. Schnorcheln. Köm hat eine
Schildkröte gesehen und kam ganz aufgeregt angelaufen. Er zeigte mit
dem nassen Finger auf die schwarze und die blaue Boje dort draußen,
wo das Riff in die tiefe See abfiel. Ich riß ihm die Taucherbrille
aus der Hand und ging raan. Die Paddeln warf er mir hinterher, doch
nur eine traf. Das war halt nicht seine Stärke. Für ihn war am
besten, er lag mit offenen Mund im Sand, das war sein Ding, da konnte
er punkten.
Drinne
fand ich mich umgeben von Fischschwärmen jeder Größe. Also große
Schwärme mit kleinen Fischen und eher kleine Schwärme mit großen
Fischen. Ich sah große Flossen an mittelgroßen Fischen in kleinen
Schwärmen und gleich darauf das genaue Gegenteil davon. Sie alle
waren vertreten. Noch berauscht vom Anblick der Skalare, sah ich ihn
auch: den Schildkröt! Von einem Fragattfisch begleitet, flog er
durch sein dreidimensionales Reich, ich folgte ihm ins Flache.1
Ich bekam richtig Herzklopfen bei der Sache und musste regulierend in
meine Atemtechnik eingreifen. Nee doch, da geht einem schon das Herz
auf, wenn man das Glück hat, sowas sehen zu dürfen. Diese beseelte
Ruhe, die die Unterwasserwelt ausstrahlte, war ansteckend. Man stieg
als neuer Mensch aus dem Wasser, gereinigt aber durstig, wegen des
Salzes. Die See hatte magische Kräfte. Sie heilte Verspannungen,
ließ Pickel abklingen, drang bis in die letzte Nebenhöhle. Sie
hatte auch direkten Einfluss auf den Fortschritt der Zeit. Ein
Paradoxon, an dem sich schon die klügsten Köpfe versuchten, ohne je
einer Lösung entgegen gestolpert zu sein: sobald man in die Richtung
des Meeres sieht oder es gar berührt, vergeht die eigene Zeit ca.
3,7x langsamer. Gleichzeitig wird die Rotationsgeschwindigkeit der
Erde um 21% angehoben, so dass es im Grunde jedes Mal halb fünf ist,
wenn man das erste Mal auf die Uhr guckt, egal wie man es anstellt.
Gerade noch beim Frühstück und zack! Halb fünf. So konnten wir
zwar den Leitsatz kein
Bier vor vier
aushebeln, dennoch barg der Umgang mit der See die Gefahr, dass einem
die Zeit durch die Finger glitt. Wir nahmen uns vor, darüber mal in
Ruhe nachzudenken. Vielleicht sogar bei einem Erfrischungsgetränk,
wer konnte das schon so genau sagen. Noch vor Sonnenuntergang
schlappten wir 1,9km zum Süden der Insel. Dort wohnten offenbar die
Reichen in ihren eingezäunten Resorts. Drumherum waren Baustellen,
dazwischen, im Gebüsch am Strand, wohnten die Bauarbeiter mit ihren
Frauen unter Planen neben der Schubkarre. Irgendwo hinter der
Südspitze des Eilands2
konnte man den Sonnenuntergang sehen, doch das hatten wir verpasst,
weil ich uns mit der App fürs Geocaching in die Irre geführt hatte.
Das war da, wo wir die Postkarten gekauft haben, Köm, weißt Du
noch? Wir mussten langsam aufpassen, dass wir die Tage nicht
durcheinander brachten. Das einzig konstante
Zeitmaß war die jeweilige Mondphase. Die Bar am Zipfel war schon
fertig gestellt, am Strand waren noch freie Stühle. Wir setzten uns
in der Erwartung eine Runde Halbe-Halbe zu spielen, obwohl ja
eigentlich 0,62l in der großen Flasche drin waren. Die Kellner haben
unsere Bestellung vergessen, also hauten wir wieder ab, am Himmel ein
Farbenspiel in maximaler Auflösung und Farbtiefe. Auf dem Rückweg
stießen wir dann endlich auf einen Markt, wo die Einheimischen zu
Speisen pflegten. Alles nur halb so teuer und in Echt. Genau sowas
suchten wir eigentlich ständig. Für exakt 100.000 Rupien, also 8€,
gab es 2 gute Essen, 2 große Bier und ne Schachtel Marlboro. So
gestärkt konnte kommen was wolle, wir waren vorbereitet. Nach dem
Abhängen vorm Zelt, latschten wir wieder runter zum Platz neben der
Sama Sama Reggea Bar und besuchten die alten Freunde von gestern. Sie
waren fast alle da und es wurde wieder ein cooler Abend mit Gitarre,
Akkordeon und Gesang. Auf Trawangan sind alle locker drauf, ich
konnte mir da echt mal ne Scheibe abschneiden. Mitunter wirkte ich
immer noch leicht verklemmt, so ein bisschen norddeutsch, mit einem
Touch stammelnder Wortkargerei. Die gemeinsame Musik half mir da
etwas auf die Beine. Köm sah man nicht an, dass etwas mit ihm nicht
stimmte. Offenbar stimmte alles.
Tag 6, Samstag, 3. November, Pulau Trawangan
Viel
zu lange gepooft. Der Tag war schon halb rum. Für das Frühstück
wollten wir wieder zum Markt. Den hatten sie aber komplett abgebaut
und weggebracht. Was lernten wir daraus? Den gibt es nur Abends. Dann
eben wie sonst am Strand, Mie Goreng und Chicken Curry. War
ausdrücklich zum Verzehr geeignet. Ansonsten hingen wir zum
Schnorcheln diesmal mehr nördlich am Strand ab, auch dort ein
Schildkröt bei der Nahrungsaufnahme zwischen tausenden leuchtenden
Fischen. Die Zeiger meiner Uhr sahen aus wie zwei rotierende Scheiben
und das Ticken war nurmehr ein anhaltender Dauerton. Schon brach die
Dämmerung über das Land hinein. Ben suchte sich ein Internetcafé
und ich gammelte am Zelt rum. Im Grunde war das alles. Das Essen am
Abendmarkt und die Halben am Nachtstrand auf Holzliegen waren
obligatorisch, das muss ich ja nicht jedes Mal erwähnen, da werd ich
ja nicht fertig.
Tag 7, Sonntag, 4. November, Pulau Trawangan
Irgendwas
war anders an diesem Tag. Völlig verwirrt nippten wir am
pechschwarzen Lombok-Coffee und verglichen im Geiste den Anblick der
See mit gestern und vorgestern. Nicht die Anzahl der Boote, nicht die
Menge der Jaffles brachte uns so aus dem Konzept; nein, es waren die
Wellen. Sie hatten ihre Richtung geändert und kamen jetzt von leicht
schräg, sagen wir von auf 2 Uhr. Das war eindeutig zu viel für uns
und wir mussten uns erst mal ne Weile setzen, um uns von dem Schock
zu erholen. Zum Glück standen unsere Liegen noch an der gleichen
Stelle unter dem Baum. Wenn wir schlau waren, gingen wir erstmal
raan, den Schildkröter besuchen, dort hinten bei Koralle 47, gleich
neben der Stelle mit den Skalaren.
Köm
hat eine Dri-Dock besorgt, eine feste, durchsichtige Plastiktasche,
extra für Digicams zur Unterwasserfotografie. Der Eingriff war mit
zwei Zipverschlüßen mehrmals faltbar und zudem mit Druckknöpfen
doppelt gemoppelt. Sichtlich nervös wagte er den ersten Versuch mit
seiner Casio Exilim. Die Testphase mit einer Schachtel Marlboro war
bereits abgeschlossen. Köm blieb ziemlich lange draußen, so dass
die Tüte offensichtlich funktionierte. Vielleicht war er aber auch
ersoffen. Das festzustellen war mir im Moment nicht möglich, denn
ich wollte noch ein paar Worte über die Schulklasse verlieren.
Kleine Gruppen aus indonesischen Schülern aus Mataram, ich würde
sagen, so um die 14 Jahre alt, zogen über den Strand. Sie hatten von
ihrem Lehrer die Aufgabe gestellt bekommen, ein paar Touristen
anzusprechen und einige Fragen zu stellen, um ihr Englisch zu
trainieren. Da kamen wir ins Spiel. Schüchtern und zaghaft
interviewten sie uns abwechselnd vor laufender Kamera, dann hatten
sie vergessen den Auslöser zu drücken und alles nochmal. Das hat
uns allen richtig Böcke gemacht, die waren echt drollig.
Für
den Sonnenuntergang haben wir uns Fahrräder geliehen und sind
nordwärts zur anderen Seite der Insel gefahren, denn – wie gesagt
– bei unserem Strandabschnitt gab es nur den Sonnenaufgang
im Angebot, welchen wir aus oben beschriebenen Gründen immer
verpasst hatten. Die Fahrt wäre normalerweise ein Klacks, doch der
Weg rundherum war noch größtenteils naturbelassen. Mit den
klapprigen Damenrädern durch den staubigen Korallensand zu ackern,
war eine zum Schieben verurteilte Plackerei. Wir haben die
Arschbacken zusammengebissen und es irgendwie geschafft. 100m
Schieben, 50m Fahren, so wie es kam. Schließlich mussten die vielen
Nudeln mit Chicken und die Myriaden Bintang besar (groß) irgendwie
verbrannt werden. Beim letzten Mal, in Kambodscha, bin ich nämlich
mit 5kg mehr auf den Rippen und einem dicken Bauch nach Hause
gekommen, den ich bis dato nicht wieder losgeworden bin. Ob
allerdings diese kleine Radtour in der Lage war, dem Bauch entgegen
zu wirken, stelle ich einfach mal als ungeklärten Fall in den Raum
hinein. Wenn man sich nämlich die Terrasse vor unserem Zelt am
frühen Morgen ansah, konnte man das kalte Grausen bekommen. Dort sah
es mitunter aus, als würden wir eine Recyclingstation betreiben.
Wir
genossen den Sunset, machten Fotos vom Agung auf Bali, fuhren zum
Abendmarkt und kehrten zum Zelt zurück. Dort erfreuten wir uns wie
gehabt am Gebrüll irgendeiner Metalband, als plötzlich eine neue
Nachbarin vorbeischlappte. Sie hieß Lorette und nannte sich Linda.
Ihr folgte Hill, unser neuer Kumpel vom Brother’s Guesthouse. Wir
kamen so ins Gespräch und besorgten von nebenan 2 Stühle. Linda kam
aus Holland und konnte zum Glück kaum deutsch und so quasselten wir
4 über Gott und die Welt auf englisch, was die Sache ja
grundsätzlich bereichert. Auf ihrem iPod stellte sie uns Ill Niño
und Breed 77 vor, bis das Flaschenmeer um uns herum auf Ozeangröße
anschwoll. Leider mussten wir zeitig abbrechen, wir hatten für
morgens ein Boot gebucht. Irgendwann mussten wir Gili Trawangan ja
mal verlassen. Wenn wir nicht aufpassten, würde ein Tag den anderen
nur so abklatschen und alles, woran wir uns am Ende erinnern konnten,
wäre Saufen am Strand und dann Fressen. Auch wenn uns das
Postkartenidyll ans Herz gewachsen war und die Leute langsam Gesicht
und Identität für uns bekamen, wir planten was geplant werden
musste: die Abreise. Wie echte Männer eben, in Badelatschen.
Tag 8, Montag, 5. November, Fahrt nach Amed auf Bali
Wir
standen punkt 10 gepackt am Strand bei der Sama-Sama-Bar und
warteten, jeder mit einer kalten, großen Flasche Wasser, auf das
Boot. In unseren Augen spiegelte sich noch die Farbe des gestrigen
Sonnenuntergangs wider.
Der
Abschied an der Rezeption war herzlich, das Trinkgeld angemessen und
Hill trug sein neues T-Shirt, welches ich ihm überlassen hatte. Die
Reise über das Meer dauerte insgesamt weitaus länger, als es die
Prophezeiungen bei Ticketkauf verhießen. Die See war ruppig, es
stank nach Benzin und das Ende war ersehnt. Mir war zeitweise übel,
bei Köm war man sich da nie so ganz sicher. Seinem
Standard-Gesichtsausdruck nach konnte man meinen, er unterzöge sich
stets einem klingonischen Schmerzritual. Wenn man ihn allgemeinhin
ansprach, sah man sich meist händeringend nach ärztlichem Beistand
um. Irgendwo erbrach ein Kind. Die Fahrgäste auf dem Dach des Bootes
wurden sicherheitshalber hereingebeten. Sie waren triefnass und
sicher des Festklammerns müde. Nachdem die Gili Inseln einzeln
abgeklappert waren und auch auf Lombok noch jemand zugestiegen war,
nahmen wir Kurs auf Amed / Bali. Nun ja, kein weißer Strand sondern
Kieselsteine aus dem Schlund des Vulkans Agung, welcher mit seinen
über 3000m alles majestätisch überdauerte. Es schien, als sei Köms
Verstand kurzzeitig zurückgekehrt, denn es gelang ihm ohne viel
Aufhebens einen Motorroller zu mieten, einen blauen 125er Yamaha Xeon
125 CC. Die restlichen 14 Tage sollte er unser sein, wir konnten also
nach Herzenslaune herum heizen und uns alles anglotzen. Natürlich
konnte man auf diese Weise auch die Gästehäuser in Ruhe inspizieren
und war diesbezüglich nicht auf die Aussage und Absicht eines
Taxifahrers angewiesen.
Der
Ausblick von der Terrasse unserer Bude im Jemeluk entschädigte für
den fehlenden weißen Sand.
http://www.panoramio.com/photo/62395417?source=wapi&referrer=kh.google.com
Unser Zimmer war sozusagen in den Fels der Steinküste gebaut, von wo
aus man in die Bucht hinein und darüber hinwegsehen konnte. Da
fühlte sich das Haar gleich viel kräftiger an. Dort unten standen
dicht an dicht die weißen Fischerboote am Strand, mit ihren bunten
aufgerollten Segeln. Im Meer spielten 3 Kinder, Touristen waren keine
auszumachen. Wir chillten ne Weile, bis aus einem Gebäude dort unten
zwischen den Palmen ein pulsierender Lärm zu uns hoch flatterte. Mit
dem Ferngerät konnte man die Menschen erkennen. Köm schloss auf
eine Hahnenkampfarena und sollte Recht behalten. Mit dem Moped fuhren
wir die Straße, die Jalan Abang-Adem hinunter und sahen uns das mal
genauer an.
Das
ist ja echt ne Nummer, davon hat ja auch jeder schon mal gehört und
man kennt das ja aus dem Fernsehen, aber wenn man mal dabei ist,
glotzt man doch verschnupft aus der Wäsche. Mehr als 100 Männer und
ein paar Knaben gesellen sich um eine Zaunkonstruktion aus Holz und
Bambus. Im Innern streiten und verhandeln die Akteure und
präsentieren ihre Hähne dem wettenden Publikum. In den Ecken werden
den stolzen Gockeln scharfe Klingen an den Fuß gebunden. Dann
wiegeln sie 2 Hähne gegeneinander auf und lassen sie miteinander
balgen. Sobald einer dem anderen, eigentlich eher zufällig, eine
Wunde mit der Klinge zufügt, ist irgendwas entschieden. Der
Sachverhalt erschließt sich einem nicht auf Anhieb, denn in dem
schlagartig zunehmenden Gewusel bekommt das ungeschulte Auge zunächst
erstmal gar nichts mit. Alle brüllen wild durcheinander und wedeln
mit Geldscheinen herum. Sie ziehen hoch und spucken aus und machen
Witze. Sobald ein Hahn blutet, stehen fast alle von ihren Plätzen,
den langen Bänken aus beindickem Bambusrohr, auf und verdecken die
Sicht. Wer da nicht schnell ist oder günstig steht, sieht im
entscheidenden Moment nur ein buntes Hemd oder einen schwarzen
Hinterkopf. Nebenher verkaufen eine Handvoll Frauen Essen oder
Snacks. Alkohol ist dabei nicht im Spiel, nirgendwo ist auch nur eine
Bierflasche zu sehen oder so.
Die
glücklosen Hähne werden etwas abseits der Arena gerupft, zerlegt
und vergeben und verkauft. Die noch lebenden Verlierer werden auf
grausame Weise misshandelt, das muss man knallhart eingestehen. Bei
lebendigem Leibe wird dem ohnehin schon blutenden Tier zuerst das
bewaffnete Bein abgeschnitten, damit ein Gehilfe schon mal in Ruhe
die Klinge abtüddeln kann. Die wird ja gleich beim übernächsten
Kampf wieder gebraucht. Dann werden dem Hahn die schönen Zierfedern
ausgerissen. Erst dann erfolgt der ersehnte Todesstoß mit dem Messer
in die Brust. Noch bevor der Hahn richtig tot ist, wird er zum
Brühen in kochendes Wasser gesteckt, so dass er sich butterweich
rupfen lässt.
Ein
dreijähriger Bengel lief spielend mit einem Bündel Füße herum. In
Körben und Säcken zappelten weitere Hähne. Auf einem erhöhten
Podest im hinteren Teil des Gebäudes standen weitere 20 Männer um
Hockende herum. Dort war ein Glückspiel am Gange, irgendwie setzte
man auf Farben in Kreisen. Ich hab nix kapiert. Punkt 18:00 Uhr war
das Spektakel vorbei, alle setzten sich auf die mehr als 50 Mopeds ,
klemmten sich die überlebenden Gockels unter den Arm und stoben
davon. Wir auch, denn wir hatten Hunger und brauchten dringend Geld
aus einem Geldautomaten (ATM), ein paar Kilometer landeinwärts.
Während Ben fuhr, hatte ich Zeit zum Nachdenken. Warum gaben sie dem
Hahn, der als nächster Gladiator in den Ring steigen musste, ein
Stück Fleisch von einem, der gerade gerupft worden war? Fleisch vom
Verlierer sozusagen? War das nicht kontraproduktiv, vom streng
logischen her gesehen? Wusste Köm es? Naan.
Der
ATM war leer, unsere finanzielle Situation erhielt das Prädikat
brenzlig. Es hieß, zum Abend sollte er mit Geld gefüllt werden,
doch das musste jetzt nicht unbedingt auch passieren. Solche Aussagen
waren nicht verlässlich. Wir kauften 2x Reis mit asiatischem
Allerlei und fuhren ein ganzes Stück einfach irgendwie bergauf, zu
einer Stelle am Straßenrand wo man sitzend essen konnte. Portion 50
Cent, nahrhaft, lecker und extrem scharf. Dann sind wir wieder, ohne
neues Geld, nach Hause. Diesmal fuhr ich, das erste Mal im Leben im
Linksverkehr.
An
diesem Abend wurden wir nicht alt. Wir wollten einfach mal richtig
pennen und die Betten sahen genau danach aus. Ein zusätzliches Bett
stand auf der Terrasse im Draußen mit Blick aufs Meer. Ich überließ
es Köm. Meine Opferbereitschaft war nahezu buddhistisch geworden mit
der Zeit, mit frommem Blick und Gemüt. Ich nahm das drinnige
Ehebett, außerdem hatten sie orkanartigen Starkregen angesagt.
Tag 9, Dienstag, 6. November , Amed/Jemeluk Bay
An
Nachschub für den Hahnenkampf schien es in Jemeluk nicht zu mangeln.
Wie sich gegen 4:00 Uhr morgens geräuschvoll zeigte, musste es im
Ort unten nur so davon wimmeln. Es war noch stockduster doch im Ort
begann ein reges Treiben. Die ersten Boote wurden ins Wasser gezogen,
das Stimmengewirr wurde lauter. Ich war wach und blieb es. Ich wollte
sehen, wie die ersten Sonnenstrahlen am Gipfel des Agung leckten.
Während Köm noch schlief, klopfte ich Steine, übte Pfeifen auf
zwei Fingern und reinigte meine Tischkreissäge im laufenden Betrieb.
Ich war da sehr penibel, schließlich stand einiges auf dem Spiel.
Gegen halb 7, es war mittlerweile hell geworden, kamen einige der
Boote wieder raan. Den Fang konnte ich trotz Ferngerät nicht
erkennen, aber ich war müde geworden und schlief nochmal bis neun,
bis zum Frühstück. Über Mittag donnerten wir mit der Yamaha zum
ATM, aber der war jetzt nicht nur leer, sondern offenbar auch kaputt.
Nun mussten wir also doch die 35km nach Amlapura zurücklegen, um an
frisches Geld zu kommen. Es regnete, teils heftig, doch bei der Hitze
waren wir im Nu wieder trocken. Durch Serpentinen ging die Fahrt auf
nasser Fahrbahn, ich tat voll konzentriert und nur ab und an gönnte
ich mir einen Blick zur Seite auf die endlos grünen Palmenwälder
und die Reisterrassen an den Hängen der Vulkanberge. Für die Stadt
hatte ich kein Auge, ich nahm die einst schönen Häuser, die
unzähligen Geschäfte nur im Vorbeiflug wahr. Der krasse Verkehr
verlangte mir alles ab, das rechts Abbiegen inmitten hunderter
Motorroller, die an der Kreuzung sternförmig aufeinander zu
bretterten ohne sich zu verheddern, verzieh kein Zögern. Es war
gnadenlos. Einmal sah ich mich nur nach links um, so wie gewohnt, und
um ein Haar wäre unser augenblicklicher Standort Schauplatz einer
Tragödie gewesen. Einmal hatte ich pures Glück und ein anderes Mal
nicht minder. Bis zum ATM mussten wir uns mehrfach durchfragen und
dabei trat mal wieder diese fantastische Freundlichkeit und
Hilfsbereitschaft der Leute zu Tage. Dieses ehrliche Lachen, das
ungeheuchelte Interesse an unserem Problem, man fühlte sich einfach
wohl unter diesen Menschen und man durfte es ruhig zeigen.
Erfolgsverwöhnt und die Taschen voll mit 5,5 Millionen Rupien
erfragten wir den Rückweg und ab ging die Post. Ich leckte Blut. Ich
wurde gleichberechtigter Verkehrsteilnehmer. Ich hupte, ich schlüpfte
hindurch, ich überholte sogar. Unübersichtliche Kurven verloren
ihren Schrecken. Ben und Bob, die Orang Bintang Jerman, eroberten die
Landstraße. Der Liter Sprit kostete übrigens 5000 IDR, das waren
demnach knappe 0,45€. Da konnte man ruhig mal Vollgas geben,
immerhin sammelten wir unsere Plastiktüten.3
Nach
Curryhuhn und Knoblauchhuhn, machten wir uns am Nachmittag ans
Abhängen und Rumgammeln. Äonenlang verfolgte ich den
Deckenventilator und stellte die Holzkonstruktion der Befestigung bei
höherer Drehzahl in Frage. Mit dem Ferngerät beobachtete ich das
Treiben am Strand. Keine Badegäste, nur die Fischer und ab und zu
spielende Kinder. In der Arena 220m entfernt, baute eine Frau ihren
Milch-Gemüse-Irgendwas-Cocktail-Stand auf, es war 15:30 Uhr. Es
würde also wieder zum Fight kommen. Wir sahen das mit Gelassenheit,
wir mussten da jetzt nicht nochmal hin, eigentlich hatten wir jeden
Handgriff jeder Szene schon im Kasten. Exakt um 18:00 Uhr schmissen
die Boxfreunde ihre Roller an und mit einem Höllenlärm war der Spuk
in einer Staubwolke aufgelöst. Später, kurz nach dem Farbenspiel
des Himmels um Agung, bimmelte es. Plim Plom Bing Bang. Pleng Pleng
Plong Plong. Pling Plongabong Plim Plam usw. Das war eindeutig
Gamelan, die indonesische Volksmusik mit den Gongs, Metallophonen,
Flöten und doppelseitigen Bongos. Das melodische Geschepper wurde
immer voller und komplizierter, es wurden offenbar immer mehr
Instrumente dazu gestellt. Das war unser Zeichen zum Aufbruch, das
mussten wir uns genauer ansehen. Wir stiegen die Treppe hinunter zum
Strand, vorbei an den Booten folgten wir der Musik. Ja natürlich
wurde sie immer lauter, schließlich bewegten wir uns darauf zu,
lieber Leser, muss ich das jedes Mal haarklein erwähnen? Na gut, die
mittlerweile ohrenbetäubend laute Musik kam aus dem hinteren Bereich
der Arena, dort wo sonst die Zocker zockten. Gut 20 Männer und ein
ca. 10jähriger Junge saßen und hockten an ihren Instrumenten. Die
Gongs und Metallophone waren von oben bis unten mit furchterregenden
Fratzen beschnitzt und mit leuchtend goldener Farbe bemalt. In
irrsinnigem Tempo hämmerten die Musiker mit spitzen Spezialhämmern
auf den Klangkörpern herum, die Melodie war dem ungeschulten Ohr
nicht sofort zugänglich. Der kleine Junge hatte Talent, er konnte
meist problemlos mithalten. Die Flöten gingen komplett unter und der
ganz große Gong kam leider nur selten an die Reihe. Wir blieben lang
genug um die Melodien wiedererkennen zu können, zum Mitpfeifen
bräuchte man Monate. Man bot uns Wasser an, wir durften Fotos und
Videos machen, doch den Blitz sparten wir uns, um nicht zu nerven.
Die Band hatte am nächsten Tag ein Konzert und sie gab alles. Unsere
Ohren piepten noch lange danach. Wir würden dem Konzert nicht
beiwohnen können, denn wir hatten entschieden weiterzufahren.
Immerhin konnte uns diese Generalprobe keiner mehr nehmen, die war
unser. Danach spiesen wir in der Pazzo Bar in leicht gehobener
Klasse. Dann blieb nur noch bei einer Flasche Bintang die Videos
davon mit dem Läppi bei youtube hochzuladen.
Tag 10, Mittwoch, 7. November Mopedfahrt zum Kratersee Batur
Ein
letzter Blick aufs Meer, die schöne Bucht entlang, Frühstück,
Packen und Aufsatteln. Der Abschied fiel relativ leicht, denn der
„Sand“ war ja irgendwie scheiße. Er bestand ja im Grunde nur aus
faustgroßen Kieselsteinen. Man konnte als Knochenlaie unmöglich
barfuß da entlang ohne sich lächerlich zu machen. Ich sah beim
Gehen aus wie ein Teilnehmer beim Fakir-Anlernkursus (frei nach Kalle
Sonneborn). Gegen halb 12 ließen wir uns vom Kellner voll
aufgerödelt auf dem Blauen fotografieren und knallten los. Die
ersten 15 km kannten wir in- und auswendig, jedes Schlagloch wurde
geplant angegangen, dann, an irgendeiner Kreuzung begann wieder
Neuland. Ich fuhr, nein stimmt nicht; Köm fuhr als erster und ich
machte Fotos während der Fahrt. So langsam brachte ich wirklich
alles durcheinander. Die Orte konnte ich mir nicht merken, ich wusste
nie wo wir waren oder wo wir hin wollten. Dafür war ich einfach zu
dämlich, denn ich hatte keine Landkarte und keinen Empfang auf
meinem Handy. Brauchte ich auch nicht, denn ich hatte ja einen Ben.
Er wusste immer alles, jedenfalls kaufte ich ihm das ab, außerdem
kam sein LG Smartphone mit Android mit der Wildnis besser zurecht.
Bei jeder Kreuzung oder Gabelung machten wir kurz Halt, warteten auf
das Internet mit dem Lösungsvorschlag und knatterten weiter. Fast
jedes Mal hielt jemand neben uns an und fragte, ob er helfen könne,
es war wirklich zu drollig mit den Balinern. Unser Tagesziel war der
Kratersee im Vulkan Batur. Köm war hier mal vor 8 Jahren mit einem
Arbeitskollegen gewesen und hatte hoffentlich alles noch in guter
Erinnerung. Unser Bike, der Blaue, schraubte uns immer höher die
Berge hinauf durch den Dschungel, durch Felder und Dörfer, wie sie
authentischer nicht sein konnten. Endlose Kokospalmenhaine im
sattesten Grün säumten unsere Wege, farbenprächtige Blütenbüsche
tupften verschwenderisch Kleckse in die Wiesen.
Es
wurde angenehm kühl dort oben und ab und an fiel ein bisschen Regen.
Die Kinder winkten uns zu und einmal mussten wir sogar Tanken. Die
Straße war ein Traum für Motorrollerfahrer. Wir erreichten den
Parkplatz am Kraterrand, von wo aus man den See in seiner ganzen
Pracht das erste Mal sehen konnte. Die Marlboro im Mundwinkel,
wimmelten wir die Andenkenverkäuferinnen ab und genossen die
grandiose Aussicht. „Irgendwann, vor ein paar 1000 Jahren wurde
dieser Krater herausgesprengt und danach entstand in seiner Mitte
eine neue Vulkanspitze“, sagte Ben und zeigte auf den Berg.
„Westlich von der Spitze bildete sich ein See und da poofen wir
heute, Du Schmauch“, faselte er weiter und ich machte einen auf
einverstanden. Unsere Arschbacken nickten zustimmend, außerdem ging
die Sonne bald unter. Ergo rollten wir bremsend den Berg hinab,
hinein in das Kratergebiet auf der Suche nach einer Bleibe für die
Nacht.
Das
war gar nicht so einfach wenn man wirklich versuchte es auf eigene
Faust zu tun. Denn natürlich wimmelte es von Scouts, die dich im
freundlichen Gespräch dazu verleiten wollten, ihnen zu folgen, um
dich dann ins Hotel ihrer Wahl zu bugsieren. Wir wollten aber frei
sein und was Eigenes auf die Beine stellen und jückelten die Straßen
und Wege des Kraters ab, bis wir uns irgendwann in einem Kaff ohne
Wiederkehr befanden, wo uns letztlich ein Typ mit Roller zu einer
eigentlich hübschen Absteige lotste. 150.000 IDR war ok. Beim Kaffee
kam auch schon jemand mit dem Erlebnisvorschlag Climbing-Tour zu
einem der 3 Gipfel vorbei. Wir schlugen selbstverständlich aus. Den
Vorschlag mit der heißen Quelle hingegen nicht. Eine Badeanstalt in
drei Preisklassen direkt am See mit pullewarmen Wasser. Wir wählten
die winzig kleine Public, bei den Einwohnern. Nebenan waren
die reichen Touristen abgeschirmt und das war auch gut. Köm
unterhielt sich mal eben mit einem tätowierten jungen Mann, während
ich meinen kleinen Zeh bejammerte. Ich war gerade am Beckenrand auf
Moosbelag ausgerutscht und hatte mir den Zeh gestoßen. Jetzt klaffte
ein Hautlappen auf dem Zonken von der Größe Schleswig Holsteins.
Ich gab mich tapfer, aber in mir brodelte es. Das hab ich jetzt nicht
gebraucht. Wir quasselten noch ein wenig mit dem Typen „No Money,
no Honey“ und dann wurde es Zeit. Essen und Trinken. Im Fernsehen
lief Takdir Cintaku, wie überall, eine Soap wo sich praktisch alle
2min die Lage dramatisch zuspitzte, bei den gerade 4 Schauspielern,
die man sah. Die häufigen Werbeunterbrechungen beinhalteten genau so
einen Schrott wie in Deutschland, aber die Mädels mit der Hautcreme
waren eine Augenweide. Köm saß über seinen Büchern und baldowerte
die Route aus.
Tag 11, Donnerstag, 8. November Mopedfahrt zum Meer zurück.
Ich
will mit dem Frühstück nicht langweilen, aber leider ist das junge
Mädchen, das uns gestern Abend noch so freundlich die Biere zum
Fernsehen gereicht hatte, genau während unserer Suppe krank
geworden. Ihr wurde aus der Küche geholfen und sie kotzte sich die
Galle aus dem Leib. Wir erfuhren nie was los war, wünschten alles
Gute.
Nächste
Etappe: zurück ans Meer. Wohin genau, wussten wir gar nicht. Dort,
wo es uns gefiel. Das war das Problem. Man stellt sich unter Bali
selbstverständlich immer schneeweißen Strand vor, an dessen Flanken
die Palmen wuchern. Dem ist aber nicht grundsätzlich so, weil Bali
ja aus Vulkanen besteht. Aber von vorne, denn der Weg war das Ziel.
Wir
machten gut 150km bei 40-60km/h, wie es der Verkehr zuließ. Die
Strecke war wie für Motorräder gemacht, mehr Kurven geht nicht. Wir
haben die Klimazonen nur so abgehakt, nur die Baumgrenze, die hatten
wir am Ende nicht angekratzt. Wir sahen unzählige Dörfer fernab,
mit dem Leben dort wie es wirklich war. Das rege Treiben und die
Faulenzer, die Malocher, die am Straßenrand kilometerweit mit
Schaufeln und Spitzhacken Schächte aushoben, für irgendwelche
Kabel, und Frauen, die Opfergaben in weit abgelegenen Kurven
verkauften, um damit die Beschützer der Straße gnädig zu stimmen.
Mehr und mehr schloss ich Frieden mit mir, mit der Straße, dem Land
und dem Sein. Nur mein Arsch tat weh und Köm rutschte auch schon auf
dem Sozius hin und her. Wir machten immer dort Rast, wo der Warung
(Imbissstube) besonders nach Hausmannskost aussah; rosa abgewrackte
Plastikstühle, Alutöpfe und Kinder an den Rockzipfeln ihrer Mütter
oder besser noch Omma. Es musste klapprig aussehen und ein paar
Balinesen mussten drum herum stehen, als Beweis der Qualität der
Speisen. Das war unser Ding. Meist bezahlten wir weitaus mehr als die
Balis, aber wir zeigten ja auch bei der Zusammenstellung der Gerichte
öfter auf die Schüsseln mit dem Fleisch. Reis mit Knochensuppe kam
0,8€. Es war immer herzig mit den Leuten, aber wir mussten weiter,
weiter immer weiter, den Berg hinab in die brütende Hitze. Die
Kurven verschwanden. Das Meer rechte Hand prüften wir die Strände,
die schwarzen, jedoch entsprachen sie nicht unserem Idealbild. Es lag
auch dauernd so viel Müll am Strand, wer wollte da sitzend den
Gedanken freien Lauf lassen? Zwischen Plastikbechern und Tüten? Also
wieder weiter, weiter, obwohl unsere Kehlen so trocken waren wie der
Asphalt. Es kam der Moment, den man sich im Nachhinein immer nicht
erklären kann. Eine Gasse wie die andere, eng und lang, und Köm
stoppte und Zack, Mission completed. Ein Resort, also so ne Anlage
mit verschnörkelten Wegen, vom Opa in Schuss gehalten, direkt am
Wasser. Für schlappe 25$ fürs Zimmer mit Frühstück, Pool und
Deckenventilator. Das Segara Bukit in Banyupoh. Der schwarze Sand war
dann irgendwie auch ok. Ich meinte, hey, es ist Sand! Nur das man ihn
halt länger sah, so am Fuß oder auf den Fliesen des Restaurants.
Das Meer war warm und sauber. Wir buchten und ließen es uns einfach
mal gut gehen. Unsere Arschbacken hatten es sich verdammt nochmal
verdient. Und so ein paar Angeberfotos von Hütte unter Palmen für
Facebook, machten sich immer gut. Man musste die Kamera halt nur so
halten, dass niemand sah, dass das Deckenlicht nicht funktionierte
oder dass der Deckenventilator nur „volle Pulle“ konnte. Wenn’s
nur das war. Wir sahen das nicht verbissen.
Wir
hatten kaum die Flasche geleert, da war es auch schon wieder dunkel.
18:30 war mal wieder Sense mit der Sonne. Die Gasse hoch fand eine
muslimische Zeremonie statt, was genau, war uns unbekannt. Wir
wollten auch nicht stören. An die 200 Männer knieten in einem Saal
in 5 Reihen und einer brüllte irgendwas ins Mikrofon bei gut
2Millionen Watt. Draußen am Eingang standen die 400 Flip-Flops. Wie
wollten die das am Ende auseinanderhalten? Ein paar Frauen machten
nebenan Essen oder Wäsche oder beides. Wir hatten kaane Zaat und
kaane Böcke, uns das genauer anzusehen, wir wollten an der Straße
unseren Raas aannehmen. Im Warung unseres Vertrauens blieben wir ne
Weile und schäkerten mit der Tochter des Hauses, die gerade dabei
war das Lesen zu lernen, anhand der großen Letter auf dem Plakat mit
dem Speiseangebot. Köm schnitt Grimassen und sie und ihre Großmutter
lachten sich dabei kaputt. Da wollten wir am nächsten Tag wieder
hin, nicht zuletzt weil wir quasi erst beim Verlassen des Lokals den
Topf mit der Chili Sauce entdeckt hatten. Der war den nächsten Tag
dran. Dann sind wir ins Bett, wir waren richtig kaputt, außerdem
hatte die Resort-Bar schon zu.
Tag 12, Freitag, 9.November Snorkling-Tour
Man
musste mit dem Auto gut 15 km bis zum Hafen und dann mit dem
weiß-blauen Holzboot 45 Minuten raus zur Insel, dann war man in
einem Schnorchel- und Tauchparadies. Die Tour hatten wir tags zuvor
besprochen, direkt an der Rezeption für 23 € für jeden. Geboten
würden zwei schöne Riffe, dazwischen ein Mittagessen und genug
Wasser zum Trinken. Mit an Bord waren noch 2 Franzosen, eine 5er
Familie aus Vancouver und die drei Balis vom Boot. Die
Unterwasserwelt war grandios. Das Riff war in Schuss und die Fische
eine Augenweide vor dem Herrn. Köm hat unter Wasser Fotos geschossen
wie ein Irrer und Videos gedreht wie vom Wahnsinn befallen. Ich
selbst habe Nemo gesehen, in seiner Anemone, einen getarnten
Kollegen, der aussah wie ein Stein mit Augen und einen 1,5m langen
Barracuda. Dazu irgendwelche Schwarzen, groß wie ein Fußball und
Schwärme, sag ich euch – Schwärme. Möge das alles der Welt
möglichst für immer erhalten bleiben, aber was war schon das Alter
der Menschheit gegen diese alte Landschaft, die sich erholen wird,
wenn wir erstmal alle an uns erkrankt gestorben sind. Bis auf die
Plastiktüten. Der Vollständigkeit halber muss man dazu sagen, dass
oft, wenn man glaubte einen besonders großen Fisch in der Ferne
auszumachen, es sich im Nachhinein um eine Plastiktüte handelte, die
von sonst woher angeschwommen kam. Das war ja jetzt ein globales
Problem und hatte nur zweitrangig mit Balis eigenem Müllproblem zu
tun. Die Tüten konnten auch genauso gut schon oberlange unterwegs
sein. Einer der Jungs vom Boot sammelte sie bei seinem eigenen
Tauchgang ein und warf sie in einer Tüte, was sonst, von außen ins
Boot. Den erhobenen Zeigefinger spare ich mir an dieser Stelle. Wir
werden alle umdenken müssen, wenn der Krill eines Tages nur
noch Plastikpartikel satt Plankton zu sich nimmt.
Gegen
Nachmittag war der Trip zu Ende und wir fuhren zurück zum Hafen,
also dem Holzsteg, von dem die Bengels ins Wasser sprangen. Bis zu 30
Boote wie unseres fanden Platz in der Bucht und schubsten sich
gegenseitig hin und her.
Dann
sind wir selbstverständlich mit einem Bintang in Pool raan. Es waren
noch immer über 30°C und anders hielt man das sowieso nicht aus. Es
war ohnehin kaum auszuhalten; das Bier war zu kalt, das Meer rauschte
wie Hulle, der Pool war zu sauber und die Palmen viel zu grün und
üppig. Das mussten wir uns echt schöntrinken, um nicht komplett
durchzudrehen. Als dann noch Udo Lindenberg der Meinung war, zum Flug
der Fledermäuse seine Ansichten zu erläutern, hatten wir genug. Wir
gingen in den Sitzstreik vor der Hütte bis uns die Kippen ausgingen.
Nach dem Reis mühte sich recht schnell der Ventilator unsere leicht
verbrannten Beine zu kühlen. Die Nacht war schlimm, es war so heiß,
reden wir nicht mehr davon.
Tag 13, Sa. 10 November. Nach Java hin, den Berg hoch
Java
ist die Insel westlich von Bali. Kannte ich nur aus den Nachrichten.
„Wer war da noch nicht?“, fragte das kleine Motorrad und Ben und
Bob rissen die Arme hoch und schnippten vorlaut mit den Fingern, dass
es eine helle Freude war. „Na dann kommt mal mit“, sprach das
blaue Kraftfahrzeug weiter, „ich zeige Euch etwas, was Ihr noch
nicht aan aanzichstes Mal zuvor gesehen habt.“ Und so setzten die
drei ihre Reise fort. Der dicke Bob saß vorne und passte meist auf,
während sich der dünne Ben hinten verzweifelt abmühte, seine
Briefmarkensammlung in Ordnung zu bringen. Die Arbeit mit der
Pinzette erforderte viel Geduld und Ruhe und die raue Straße und der
sengende Fahrtwind erschwerte sein Vorhaben. Auf dem Weg zum Hafen
saßen wilde Affen am Straßenrand und ernährten sich von Essen.
Gegen Mittach rollte das Trio auf eine Fähre. Während der Blaue
zwischen den großen LKWs und den anderen Mopeds warten musste,
durften Ben und Bob die Treppe hinauf zu den oberen Decks gehen.
„Lass uns hier hin setzen“, sagte Bob, „hier ist’s schön,
hier kann man glotzen und außerdem ist es doch sowieso sowas von
scheißegal, du Delmenhorst.“ Ben stimmte nickend zu. Ein Fernseher
lief mit indonesischer Schlagermusik, die Texte wurden wie beim
Karaoke ständig unten eingeblendet. Zu beiden Seiten der
Flachbildglotze stand ein Turm aus hochwertigen Lautsprechern, so
richtig fette Koffer, die ausgereicht hätten, den Thie beim
Stadtfest zu beschallen. Als wir ablegten, wurde die Lautstärke auf
100% hochgefahren und wir saßen da wie die Doofen bei einem
Höllenkrach aus einer sowas von beknackten Popmusik. Das eine Lied,
ein gängiger Clubsound für schwer Erziehbare, dauerte ungelogen 25
Minuten. Kopfschüttelnd starrten wir auf die ruhige See und Java.
Ich hatte mir ein zerfetztes Tempo in die Ohren geprokelt. Der Vulkan
Kawah Ijen hob sich majestätisch in der Ferne ab. Sicher hatte er
für unsere absurde Situation nicht mal ein müdes Lächeln übrig.
Dann hatten wir wieder 3G. Was konnte uns da schon passieren? Und die
Uhr musste um 1h zurück gestellt werden, es verlief eine Zeitzone
zwischen den Inseln. Sowas erledigten unsere Handys von alleine. Wie
gelöschte Ladung jückelten wir ein paar Mal die außerordentlich
belebte Straße hin und her, die parallel zum schmutzigen Strand
verlief, den man aber nicht zu Gesicht bekam, weil das Gebiet
komplett zugebaut war. So hatten wir die Gegend zügig aufgeklärt
und entschieden: Banyuwangi-Beach-Hotel, doch es hatte den Namen so
nicht verdient. Der Zugang zum Meer war mit Gitterzaun versperrt,
dahinter sah es nach Industrie aus. Die Nobel-Ressorts weiter
außerhalb, lagen auch weit außerhalb unseres Budgets. Aber es war
eine Klimaanlage im Zimmer und da wollten wir doch mal auf die Kacke
haun. Sowas hatten wir noch nicht. Eigentlich schweinebillig, Java
war insgesamt billiger, so vonne Preise her. Aber fürchterlich warm,
wenn der Wind nicht ging.
Nach
dem Mittagsschlaf, bei sage und schreibe 16°C, fuhren wir essen und
holten die nötigen Infos für eine organisierte Tour zum Krater des
Kawah Ijen. Ich glaube Köm fuhr, ich weiß gar nicht ob ich
überhaupt noch fahren durfte. Er telefonierte herum und fuhr danach
für die Anzahlung noch mal los, während ich mich in der Glotze mit
Genuss durch den allerletzten Schrott zappte.
Die
Tour sollte wie folgt verlaufen:
00:30
Uhr Abholung durch Fahrer mit Auto.
Ca.
1,5 h Fahrt zur Übergabe tief im Dschungel an ein Geländefahrzeug
mit Allradantrieb.
Ca.
0,5 h Fahrt mit dem Jeep zum Startpunkt des Fußmarsches.
Ca.
1,5 h strenger Fußmarsch bergauf zum Kraterrand. Aber das war nur
der Plan. Die Umsetzung desselben war von so vielen Details
durchflutet, dass ich Tage bräuchte, um alles niederzuschreiben.
Glücklicherweise war ich im Urlaub und hatte unendlich viel Zeit.
Ich spitzte den Bleistift machte ich mich an die Arbeit.
Der
Jeep stand wie abgemacht im Wald, die Straße dorthin befand sich
gerade im Bau und war nicht befahrbar. Wir mussten demnach zu Fuß
gehen. Allein dieser erste Marsch nässte meine Klamotten komplett
durch. Bis mir bewusst wurde, dass ich klamme Sachen anhatte, waren
meine Plünnen auch schon nass. Mir blieb nur den Pulli auszuziehen
und in den Rucksack zu stopfen, in der Hoffnung dass er darin
trocknete, um mir später noch dienlich zu sein. Am Jeep angekommen,
hatten wir kurz Zeit zum Verschnaufen und das Lächeln kehrte zurück.
Der weiße Wagen war mit einer Plane verhüllt, nicht zuletzt wegen
der zwei kaputten Fenster. Ein Scheinwerfer war auch im Arsch. Dem
Fahrer war das völlig schnuppe. Er heizte durch die vollkommen
unwegsame Pampa wie ein Rallyepilot und hielt kaum Abstand zum
Vordermann. Wir fuhren im Konvoi aus, ich glaube, 3 geländegängigen
Kraftfahrzeugen. Wir staunten nicht schlecht und umwickelten unsere
Hälse mit allem, was der Rucksack hergab, um keinen Nacken zu
kriegen. Es wurde arschkalt im Jeep, die Hitze Javas war hier oben
keinen Pfifferling mehr wert. Wir gelangten an ein Hüttendorf in
tiefschwarzer Nacht. Ein Umschlagplatz, ein großer Parkplatz, was
auch immer. Man konnte nicht viel erkennen. Außer unseren
Hightechkopflampen gab es nichts zu sehen. Und natürlich die Sterne
am Himmel, deren Leuchtkraft und Anzahl alles in den Schatten
stellte, was uns jemals zu sehen vergönnt war. Es gab da Sterne im
Orion, die kein Raumschiffcaptain jemals anzufliegen wagte und wir
konnten sie mit bloßem Auge sehen! Doch wer auf diesem Weg zum
Kraterrand zu lange nach oben sah, legte sich unweigerlich aufs Maul,
also Lampe nach unten und marschieren. Es begann der Aufstieg, ein
unendlich staubiger Weg bergauf, mal kurz wieder flach, dann erst
richtig steil, mal gerade, dann im Kreis und wieder nach links und
noch steiler. Wir gingen forsch und ich keuchte wie ein rauchendes
Walross. Mein Puls hämmerte, ich war dem Schlaganfall näher als
mein Rucksack meinem nassen Rücken. Ein Arbeiter, also ein Träger
für den gelben Schwefel, von dem später noch die Rede sein wird,
überholte uns mit seinen leeren Körben – in Badelatschen
wohlgemerkt - und machte dabei Witze mit unserem Guide xxx, den ich
bei all der Anstrengung vergessen hatte zu erwähnen. Er war ein
lustiger Typ und wir unterhielten uns in gutem Englisch, sofern meine
zerkeuchte Atemluft reichte, über Dieses und Jenes und Indonesien.
Köm machte bei der Sache einen recht fitten Eindruck, aber er war ja
auch nicht so fett wie ich. Ich schnaufte nur noch und stöhnte,
hielt aber irgendwie mit. Der Träger, der sich uns angeschlossen
hatte, nicht zuletzt um seine eigenen Batterien zu sparen, jubelte
immer, wenn jemand so laut Furzen konnte wie er selbst. Auch mir
gelang ein Exemplar. Wenn ich mich recht entsinne brillierte Köm,
indem er Beethovens Zweite durchfurzte, auf einer Anhöhe. Für einen
Moment schien die Welt still zu stehen, von überall her strahlten
die Kopflampen in seine Richtung. Oder erzeugten die Blitze in meinem
hochroten Kopf schon Halluzinationen? Schon möglich. Wie der Träger
die Strecke 2x täglich in Flip-Flops bewältigen konnte war mir ein
Rätsel. Das war übermenschlich.
Irgendwann
erreichten wir den Krater. Zu Sehen war nichts. Noch immer tanzten
nur die Staubpartikel vor unseren Lampen, so scheißendunkel war es.
Der Wind ging frisch und es wurde richtig kalt als wir abschwitzend
und rauchend mit xxx die weitere Vorgehensweise besprachen. Am
Kraterrand hatte sich mittlerweile eine kleine Menschenmenge
Gleichgesinnter angefunden. Es standen zwei Optionen zur Auswahl:
rein klettern oder oben sitzend auf die Sonne warten. Bei dem Wind
dort oben zu verweilen, wäre der sichere Tod gewesen. Runter
klettern war also der angenehmere Untergang. Meine Verletzung am Zeh
ließ mich dankenswerter Weise in Ruhe. Rabenschwarze Nacht. Ein
natürlich gewachsener Weg aus weißem Geröll, tief aus dem Bauch
der Erde, führte hunderte Meter in die Tiefe. Ein falscher Schritt,
ein kullernder Stein und das Projekt wäre vorerst im Arsch. Wer aber
den Selben an dieser Stelle nicht zukniff, verpasste ein weltweit
einmaliges Naturschauspiel. Am Grund des Kraters wird knallgelber
Schwefel aus dem Berg gespuckt. Es quillt dort förmlich aus mehreren
Öffnungen heraus und wird hart. So hab ich immer gedacht, aber wie
es wirklich ist, kann man z.B. hier lesen:
http://www.vulkane.net/vulkane/kawah-ijen/kawah-ijen.html
Dieser Schwefel wird von Minenarbeitern mit Eisenstangen abgebrochen
und in handliche Stücke zerkleinert. In groben Bambusbastkörben
werden diese Bruchstücke aus dem Krater getragen und anschließend
den Vulkan, also „unseren“ Weg entlang, heruntergeschleppt. Die
Körbe wiegen dabei zwischen 70 und 120 kg! Zusammen mit dem Schwefel
tritt ein Gas aus, welches immer brennt. Die blaue Flamme kann nur
bei Dunkelheit gesehen werden und genau deshalb sind wir auch nachts
losgelatscht. Am Tage sieht man nur eine dichte Qualmwolke, die nach
Schwefel stinkt. Wenn der Wind günstig steht, sieht man, so wie wir,
die Flammen lodern und es zischt und brodelt und stinkt und man
glaubt bei der Entstehung des Planeten dabei zu sein. So ein bisschen
Ehrfurcht tut gut, dann sind die eigenen Sorgen gleich ein bisschen
weniger scheiße.
Langsam
brach die Morgendämmerung über uns alle herein, wie wir da unten
standen und die Jungs beim Arbeiten fotografierten. Plötzlich kam
der See zum Vorschein, den man vorher nicht annähernd erahnen
konnte. Der Krater nahm im Licht Formen an, endlich merkte man
überhaupt, womit man es hier zu tun hatte. Es wurde Zeit da unten
wieder herauszuklettern, bevor die Bullen kamen. Sie sahen es nicht
gerne, erzählte uns xxx, wenn Touristen sich dort aufhielten. Wir
haben aber keine Bullen gesehen, vielleicht war das nur Show. Nach
mühsamem Aufstieg die hunderte Meter wieder hoch, standen wir
ehrfürchtig am Rande, machten Fotos und froren wie die
Kesselflicker. Der Kratersee war einer der giftigsten Seen dieser
Erde. Ich malte mir aus, wie es Köm wohl nach einem Bad gehen würde.
Der Himmel und die alte Erde sahen echt geil aus, aber wir mussten
auch genauso echt langsam wieder los. Wir waren im Begriff uns eine
Lungenentzündung zu holen. Der Weg bergab war sicher auch kein
Spaziergang. Köm gelang ein krönenswertes Foto vom Vulkan nebenan
im Lichterspiel des Morgens und die ganzen indonesischen
Schwefelschlepper kamen uns auf ihrem Weg zur ersten Schicht
entgegen. Selamat Pagi heißt guten Morgen. Ich weiß nicht, ob ich
so freundlich Grüßen würde, wenn mir so ein beschwerlicher Job
bevorstünde. Der Schwefel wurde übrigens benutzt um Zucker weiß zu
bekommen, sagte xxx. Was für ein Quatsch, fanden wir. Man könnte
doch auch ohne weiteres den Zucker mit Alpina Hauswand anstreichen,
das hätte doch den gleichen Effekt, aber auf uns hörte ja niemand.
Irgendwie kamen wir gegen neun, halb zehn in brütender Hitze bei
unserem Hotel an; ich hatte meine Mütze verbaselt und die
Klimaanlage des Zimmers war die ganze Nacht durchgelaufen. Wir hatten
genau zwei Stunden zum Schlafen, dann wollten wir wieder zurück nach
Bali. Ans Meer zurück. Dummerweise war die Dusche in unserem Zimmer
ausgefallen. Irgendwo war ein Schnüffelstück niO. Ich kümmerte
mich darum, indem ich unbeholfen gestikulierte. Oppan vom Haus hat es
am Ende gerichtet. Nach so einer Tour ohne Dusche, wo kamen wir denn
da hin? Mein kleiner Zeh konnte ein bisschen kaltes Wasser zur
Kühlung gebrauchen.
Tag 14, Sonntag, 11.11.2013 Fahrt nach Medewi / Bali
Wir
hatten kaum 2h geschlafen und mussten bis 13:00 Uhr ausgecheckt
haben. Das ist uns gelungen. Um halb fuhren wir schon wieder mit der
Fähre back to Bali. Wir wollten jetzt den Südwesten entlang, um mal
zu schauen wie dort die Strände so waren. Da die Uhr wieder 1h
vorgestellt werden musste, war Eile geboten, um bis Sonnenuntergang
was Passendes zu finden.
Der
Strand wurde und wurde nicht weiß. Aber die Wellen bekamen
Surfqualität. Erneut spulten wir die Kilometer ab, bis der Körper,
noch geschwächt von der Nachtwanderung, halb den Geist aufgab und
halb nach Bier schrie, eiskaltem Bier. Die Schatten wurden länger.
Eigentlich wollten wir noch weiter, haben dann aber in Medewi
Quartier bezogen, einem Ort mittlerer Größe, nah am Wasser mit ohne
Sand. Stattdessen kürbisgroße Lavasteine, die das Meer überaus
ansehnlich rund geschliffen hatte. Weit draußen posten die Surfer
auf meterhohen Wellen, einige Angler standen auf alleinstehenden
Felsen wie auf der Brust einer großen liegenden Frau und trotzten
gekonnt der Brandung.
Das
Zimmer war schön und schön billig und der Ausblick vom Balkon in
Richtung Palmengarten war angenehm. Selbstredend suchten wir eine
Surferkneipe am Wasser auf und schlugen uns den Bauch voll. Der
durchtrainierte Blonde am Nachbartisch nervte seine Gesprächspartner
auf englisch mit alten Geschichten aus dem Fäkalbereich. Schon um
zehn klappte die Wirtin die Bürgersteige hoch. Vielmehr legten sie
und ihre ganze Familie Matratzen in den Schankbereich, stellten den
Fernseher hinein und verbretterten alles. Uns war das recht, wir
waren ohnehin erledigt und Hand auf‘s Herz, wir waren keine 25
mehr. Auf dem Balkon zu sitzen war außerdem nicht die schlechteste
Idee, denn selten hatten wir bisher einen so guten Empfang gehabt.
Man musste ja auch mal seinen ganzen elektronischen Schrott auf den
neusten Stand bringen. Die Roten gewannen in dieser Nacht 2:4 in
Stuttgart, doch die zweite Halbzeit habe ich um 1:30 Uhr nicht mehr
gepackt. Köm röchelte schon ne Weile in der Mulle, ich hatte ihn
mit einem Fausthieb niedergestreckt, damit er mal sorgenfrei
durchschlafen konnte. Sorgen hatte er genug. Würden die
Erfrischungsgetränke kalt genug sein? Würde das Klopapier
rechtzeitig trocken und würde es so dem Druck standhalten? Würde
Roat mal nicht versagt haben, wenn es darum ging, das Feuerzeug nach
Gebrauch auf den Tisch zu legen? All diese Dinge hielten Köm oft
nächtelang wach. Nicht so in dieser. Er bekam den Starkregen gar
nicht mit.
Tag 15, Montag, 12. November Legian Beach
Noch
bevor der Imam sein jämmerliches Mittagsgejammer anstimmte, hatten
wir die Rucksäcke fertig und suchten in der Ferne das Weite. Oder
war es in der Weite das Ferne? Wir hatten es vergessen. Laut
Reiseführer durch Asien, einem englischsprachigen Schinken voll
Unterschlagungen waren es noch gut 70 km bis dorthin, wo der Strand
eine goldene Farbe bekam. Kuta. Bis zum Nachmittagsbier sollte das zu
schaffen sein. Auf der Küstenroute den Südwesten Balis entlang
Richtung Denpasar rollte der Blaue, inzwischen schlug er schon bei
Tempo 50 bei jedem Schlagloch bis zur Felge durch. Der Reifendruck
war ausgezeichnet, wir hatten das 2x prüfen lassen. Wahrscheinlich
waren es die Stoßdämpfer, immerhin hatte er seit gut 500km völlig
überladen ab und an die mitunter übelsten Straßen der Galaxis
befahren.
Eigentlich
wollten wir Orte wie Kuta meiden. Für so einen Urlaub reicht Playa
del Palma völlig aus. Doch wir schissen drauf. In Legian war es
etwas ruhiger als in Kuta: ein paar Millionen weniger Liegen und
Sonnenschirme, ebenso viele weiße Touristen und noch mehr Mopeds auf
den Straßen. Die überwiegend vornehmen Restaurants boten allen
westlichen Gaumen dass, was sie von zuhause gewohnt waren und sogar
die Bäume waren hell erleuchtet. Dafür gab es als Gegenleistung
einen fast 100m tiefen Strand ohne Fremdkörper im Wasser, meterhohe
geile Wellen und den perfekten Sonnenuntergang über dem Meer.
Wenn
man sich durch den niemals endenden Stau gekämpft hat, der die
Straßen der Region um Kuta nahezu unpassierbar macht, staunt man
nicht schlecht wie schnell man ein freies, billiges Zimmer findet,
dessen Ambiente eher einer Wohnung entspricht, mit einer kühlen Ruhe
und tollem Bad mit Küche. Kühlschrank. Man hätte glatt Milch
kaufen können. Hut ab. Die eiskalten Erfrischungen unter dem
Sonnenschirm am Strand bis zur vollständigen Verschwindung der Sonne
ließen die Strapazen der letzten Tage schnell vergessen. Hier ruhte
der Geist obwohl er glaachzaatich auf Hochtouren donnerte. Das hatte
das Meer/Bier so an sich. Meditativ versunken konnten nur noch die
ganz hohen, also die herausragenden Megamonsterwellen uns einen
kehligen Laut des Erstaunens entlocken. Das Ganze hier roch langsam
nach Urlaub.
So
saßen wir einige Stunden regungslos in unseren Plastikstühlen,
machten wieder ein paar Angeberfotos für Facebook und ließen uns
von unseren „Brüdern“ versorgen. Jedenfalls nannten uns die drei
Jungs, die den Strandabschnitt mit Liegen und Schirmen versorgten so:
„Hey brother, do you want more?“ Daumen hoch, wir gaben der Sache
eine Chance. Nach dem Abendessen, heute mal ne Pizza, suchten wir ne
authentische Spelunke in Richtung weg vom Strand. Wir liefen
uns die Hacken wund. Wir wurden 30x herein erwünscht, aber in keiner
Bude war was los. Es war halt keine Hauptsaison. Das dachten sich
andere Touris auch und so trafen sich alle dort, wo die Musik am
lautesten war. Herdenverhalten, sogar mit TV, in der Bude anne Ecke.
Das Bintang war recht billig, ebenso die auffällig schlecht
geschminkten Mädels, die uns auf ihre einstudierte Art anquatschten
um auszuloten, wie es um uns stand. Wir blieben nicht lange. Außerdem
machte uns so langsam eine ernst zu nehmende Erkältung einen Strich
durch die Rechnung. Es war der Kawah Ijen; es war dort einfach zu
lange zu kalt für uns Unterschenkelbraunmänner. Dazu der Staub, der
ungefiltert beim Aufstiegsgekeuche die Bronchien erreichte und zu
guter Letzt der Schlaf davor und danach mit Klimaanlage. Das war zu
viel für uns gewesen. Beide hatten wir diesen schmerzhaften Husten
mit lindernd erflehtem Auswurf und einen Schnupfen, wie er im med.
Lehrbuch stand. Dass das Scheiße war und nervte, erwähne ich hier
nur der Vollständigkeit halber. Nur, um zu erklären, warum wir
dieser Tage mal nicht die Letzten waren, die noch da saßen, während
um sie herum gefegt wurde.
Tag 16, Dienstag, 13. November Legian Beach
Am
Vormittag bretterte Köm mit dem Blauen nach Denpasar zum
Einwanderungsamt um eine Visumverlängerung zu beantragen. Bei der
Gelegenheit konnte er sich gleich die Arbeitserlaubnis abstempeln
lassen. Als sein Vormund und Bewährungshelfer hatte ich ihm einen
Job im Kawah Ijen besorgt. Die Badelatschen mit profilfester Sohle
für noch bessere Schwefelausbeute standen schon vor seinem Spint,
wenn man das Regalbrett in dem ausgedienten Mülltonnenunterstand so
nennen durfte. Ich war um seine Sicherheit bedacht und erwartete nun
seine Rückkehr. Doch ich wurde bitter entäuscht. Kein Stempel und
nur 7 statt, wie ausgemacht, 8 Kisten Bintang auf dem Gepäckträger.
Offensichtlich fiel Köm die 8. Box den 11Kilometern bis nach Hause
als Wegzehrung zum Opfer. Ich ließ den Bambus tanzen und Ben
versprach seinen Fehler zu korrigieren, sobald er sich von der Prügel
erholt hatte. Mit dieser Aussage gab ich mich vorerst zufrieden. Wir
erholten uns am Strand. Mir tat der Arm weh und ihm der Rücken. Bei
der Gelegenheit muss ich mir noch mal die Mühe machen und unseren
Bambus vorstellen. Als wir in Amed den Blauen empfangen hatten und
zunächst erprobten, wie wir die Rucksäcke am sinnvollsten verstauen
könnten, stellten wir recht schnell fest, dass egal wie man es auch
anstellte, die Füße des Fahrers nicht genug Platz hatten,
ermüdungsfrei zu stehen. Sie rutschten immer weg, vom zwischen ihnen
eingeklemmten Rucksack verdrängt. Wir fanden damals auf dem
Weg zum Batur am Straßenrand einen 1,5m langen Bambusstock mit einem
Ø von gut 40mm. Der wurde unter den Rucksack geklemmt und diente von
jetzt an als verlängerte Fußraste für vorne. Chopperpunkte: +2.
Genial. Keine Autorität störte sich daran, weder das
Sicherheitspersonal der Fähre nach Java und zurück, noch die
Polizei selbst, die uns kurz vor Medewi mal bei einer
Routinekontrolle raus gewunken hatte um die Papiere zu kontrollieren.
Ich wette, in Deutschland hätten sie wieder einen Riesenaufriß
gemacht, die Uniformierten. Sie hätten ihren Block aufgeklappt,
irgendwelche Funksprüche ans Hauptquartier durchgegeben und den
schönen Stock als Beweismittel sicher gestellt. So abgelenkt, wäre
ihnen sicher wieder entgangen, dass 2 Straßen weiter ein
stadtbekannter Hurensohn wieder seine Familie verprügelt. Ich
überlegte in dem Moment, ob ich in den vergangenen 16 Tagen einem
bösen Blick begegnet war, einem garstig Wort, nur einem einzigen
Moment der Unbill. Fehlanzeige. Ausschließlich Freundlichkeit. Ich
glaubte, der Einzige der je seine Stimmer erhob, war ich selbst. (Als
auf Java nach der Rückkehr vom Ijen die Dusche nicht ging und der
Dussel meine Gebärdensprache nicht verstand. Ich habe mich sowas von
ins Zeug gelegt, das war am Ende fast Slapstick. Er hat bei der
Beschreibung eines Wasserhahns schon mit dem Kopf geschüttelt.).
Heute schäme ich mich dafür. Die Stimme erheben, in Indonesien, ts
ts. Aber ist ja auch egal. Der Typ war einfach nur ein bisschen doof
und ich war von dem Ritt etwas gereizt. Ich hatte noch viel zu
lernen.
Der
weitere Tagesverlauf ähnelte dem gestrigen. Das Leben am Strand in
einer Touristenhochburg hatte es so an sich, dass im Grunde die ganze
Zeit nichts passierte. Die Ereignisse finden ausschließlich in dem
Buch statt, welches man gerade liest, manchmal fallen die Surfer von
ihrem Brett und manchmal bleiben sie stehen. Abends hatten wir WLAN
im Lanai beim Essen. Wir waren noch krank und gingen ins Bett. Aber
vorher zogen wir uns noch die nagelneue Platte von All That
Remains vorm Zelt rein. Schließlich waren wir immer noch im
Dienst. Meine Logitech-Boxen hatten mittlerweile schon einen
Spitznamen, sie hießen: die Boxen! Ich bringe sie bei Gelegenheit
mal mit.
Der
Deckenventilator war ein Abgesandter des Satans. Statt einfach nur zu
pusten, wie es sich gehörte, wechselte er unablässig drehend seine
Richtung. Alle 14 Sekunden kam sein eisiger Hauch an mir vorbei und
blies mir die Decke, also den Sarong, weg. Schaltete man ihn aus,
ging man sofort bei drauf und man hörte die Mücken. Wir konnten
wählen zwischen Schlangengrube und Blutegelteich. Wir entschieden
uns über die Nacht gesehen für beide Qualen abwechselnd, unter
ächzendem Gestöhn.
Tag 17, Mittwoch, 14. November Legian Beach
Reichlich
zerstochen erwachte ich am Morgen und war dankbar des angebrochenen
Tages. Das erste Mal, soviel wusste ich noch, hatte ich um 23:09 Uhr
auf die Uhr gesehen und da konnte ich schon nicht mehr. Unsere
Erkältung hatte sich kaum gebessert. Immer, wenn einer einschlief,
hustete der andere, wir waren ein eingespieltes Team. Ich putzte Köm
mit dem Bambus die Nase, er dankte mir diese Linderung, indem er mich
mit den Ameisen salbte, die unsere Veranda mitbewohnten. Immerhin war
unser Appetit ungebrochen, wenn auch jede Mahlzeit 10x so teuer war,
wie auf dem Lande. Wir hatte unterwegs schon für 20.000 Rupien
gegessen – zusammen. Hier kam man selten unter 200.000 davon. Nun
hätten wir ja auch weiterreisen können, nachdem man insgesamt den
Eindruck haben könnte, es würde uns hier nicht gefallen, aber so
einfach war es nun auch wieder nicht. Wir waren des Reisens ein wenig
müde und genossen ja doch irgendwie den Komfort. Man sorgte für
uns. Wenn wir wollten, versetzten die Brothers uns sogar den
Sonnenschirm, wenn die Sonne unsere Beine zu stark benetzte. Und faul
waren wir geworden. Das Meer machte uns faul. Wir wollten erstmal
wieder richtig gesund werden, vielleicht ging ja noch was. Und wenn
nicht? „Enjoy your drink, brother.“
Tag 18, Donnerstag, 15. November Urlaub vom Urlaub in Ubud
Die
Nacht war der gestrigen zum Verwechseln ähnlich, allein die Anzahl
der Mückenstiche variierte möglicherweise. So genau wusste das
niemand mehr zu bestimmen. Um nicht einem belanglosen Trott anheim zu
fallen, beschlossen wir einen Tapetenwechsel. Ca. 35km nördlich war
die Stadt Ubud, eine der sehenswerten Städte, die wir auch noch
nicht auf unserer Route befahren hatten. Wir packten in die kleinen
Rucksäcke nur das Nötigste und ließen den großen Krempel im
Häuschen in Legian. Die Fahrt war dementsprechend entspannt und der
Blaue dankte es uns, indem er die Schlaglöcher auslachte und mit
weniger Kraftstoffverbrauch. Bei einem Spritpreis von nurmehr 0,40€
war das aber zweitrangig.
In
Bali und dort besonders in den Ballungszentren weiß man eigentlich
nie so recht, wann eine Stadt zu Ende ist und wann die nächste
anfängt. Ortsschilder sucht man vergeblich oder sie gehen in den
unzähligen Werbetafeln und Firmenschildern unter. Da sich alles an
der Straße abspielt, reißen die Geschäfte, Warungs, Werkstätten
und Hotels auf der Fahrt nie ab. Plötzlich wandelt sich das
Warenangebot am Straßenrand; Ateliers, Steinmetzbetriebe,
Holzschnitzbutzen, so, dass man annehmen muss, man nähere sich Ubud.
Diese Stadt ist anders. Stilvoller Prunk, verschwenderisch
verschnörkelt, irgendwie aus einer anderen Epoche und so, als hätte
man zu viel arte geglotzt. Nicht diese ärmliche Zweckmäßigkeit,
sondern eben detailverliebt. Da ich von sowas nicht viel Ahnung
hatte, und mir das in lumpigen 3 Wochen auch nicht aneignen konnte,
hätte ich vielleicht Ubud bei Google eingeben können, aber das war
ja nicht Sinn der Sache. Die Stadt zeugte von Geschichte, während
viele andere Dörfer, die wir bisher passierten, aus dem Boden
gestampft worden sind, um den Tourismus und die eigene rasant
wachsende Population zu bedienen. Bei wunderbarem Wetter schlenzten
wir mit dem Blauen durch die engen Gassen und hielten den Reiseführer
fest umklammert. Das Buch behielt recht: das Hotel, das wir
zielstrebig ansteuerten, mitunter entgegen der Fahrtrichtung, war
tatsächlich ein ganz besonders Schönes. Das Sania’s House, ein
blühender Garten voll dreistöckiger Villen aus Säulen, Dächern
und übertriebenem Stuck. Voller Grün mit Pool und WLAN.
Handtellergroße Schmetterlinge flatterten durch die Baumkronen vor
dem Balkon. Wie immer, völlig durchgeschwitzt von der übertriebenen
balinesischen Standardtemperatur, sprangen wir erst mal in Pool raan
und gingen erst danach über den Plünnenmarkt.
In
einem Labyrinth auf 3 Etagen voller Treppen und Gängen gab es all
die Dinge zu kaufen, die man nicht nur haben will sondern muss, aber
nicht kann, weil, ja eben weil. Alles voll mit coolen hölzernen,
furchteinflößenden Masken, Messern, Instrumenten, Ketten,
Anhängern, Shirts, Mützen, Kleidern und Sarongs, jenen
farbenprächtigen Tüchern, die man als Kleidung, Decke, Strandtuch
und Wandbehang verwenden konnte. Wenn man nicht aufpasste, wurde man
süchtig nach Sarongs, weil sie wirklich schön und unfassbar
praktisch waren. Es machte uns Spaß, mit den netten Frauen zu
feilschen und zu palavern, Geschichten zu erfinden, warum das Teil zu
teuer war. „Sehen Sie mich an, ich bin ein kranker Mann, meinem
Kumpel hier, seinen Namen hat man vergessen, geht es nicht besser.
Wir können unmöglich für diesen Sarong 150.000 Rupien ausgeben,
unsere Frauen schlagen uns tot.“ In Tunesien, oberdamals, hat mir
das Feilschen keinen Spaß gemacht. Da blieb mir das Lachen im Halse
stecken. Außerdem wollte ich den Schrott nicht mal haben. Plötzlich
fiel ein Sturzregen vom Himmel. Es goss aus allen Löchern und die
Straße stand unter Wasser. Den Leuten war das sicher nicht neu, uns
schon, so waren wir praktisch gezwungen, ein Erfrischungsgetränk
unserer Wahl in einer Bar mit Straßenblick einzunehmen. Es gab
Schlimmeres auf Gottes Erden; der Regen dauerte gut eine Stunde an.
Um
19:00 Uhr machten wir uns auf zur Tempelbühne, sag ich mal, dort war
ein Gamelan, so wie jeden Donnerstag und Samstag. Der Zuschauerraum
bot Platz für 300 der von uns bevorzugten rosa und hellblauen
Plastikstühle. Die prachtvolle Bühne leuchtete gülden, zu beiden
Seiten verteilten sich die Gongs und Glockenspiele, die Metallophone,
Flöten und Sängerinnen. In der Mitte saßen die dirigierenden
Trommler. Schätzungsweise 12 Schauspieler / innen waren an dem
Spektakel beteiligt. Da sie dauernd in neuen Kostümen aufkreuzten,
erkannten wir eigentlich nur die sechs Tänzerinnen wieder,
jedenfalls am Bauchnabel, ok und den Dicken, zusammen mit Oppan.
Erzählt wurde eine Liebesgeschichte in mehreren Akten untermalt von
rhythmischem Gebimmel, Gebammel und Gedonge. Das war ne Show, die
hatten was drauf. Die Kostüme, besonders die fiesen Masken, waren
sehr aufwendig gefertigt, doch ich erschrak nicht. Weil ich es doch
gewohnt war, genau diesem Gesichtsausdruck jeden Morgen gegenüber zu
sitzen; oft schon, wenn ich beim Aufwachen aus Versehen in Köms
Richtung sah, während er noch schlief.
Nach
90 Minuten war die Aufführung vorbei und wir gingen den hunderten
drängelnden Taxifahrern zum Trotz die Straße entlang zum
preisgünstigen Warung. Dort war das Ayam in Sauce so hammerscharf,
dass es mir förmlich die Badelatschen von den braunen Füßen riss.
So wollt ich’s haben; im Grenzbereich. Dann sind wir nach‘n
Bedde. Wer jetzt hofft, ich erzähle von unserer nächtelangen
Sauftour, sieht sich getäuscht. Uns war nicht danach. Wir hatten
alles gesehen. Das Zimmer war noch kühl von der Klimaanlage, die wir
wohlweislich ausgeschaltet ließen. Wir schliefen fest und tief und
traumreich und uns ein bisschen gesund.
Tag 19, Freitag, 16. November Von Ubud zurück nach Legian
Wir
mussten zurück nach Legian, nicht, weil wir das unbedingt wollten,
sondern weil wir dort unser Häuschen noch laufen hatten und 2 Hotels
in 2 Städten gleichzeitig – wie sollten wir das unseren Frauen
erklären?
Wir
besuchten noch eben den Monkey Forest in Ubud, ein Stück
zivilisierter Urwald mitten in der Stadt mit alten Bäumen und tollen
Brücken, wo Makaken frei herumliefen und den anzahlmäßig
überlegenden Touristen das Essen und die Wasserflaschen aus den
Händen rissen. Natürlich waren überall Japaner und Inder, aber wir
Deutschen waren ja auch nicht besser. Die Sache hatte ihren Reiz. Die
Affen liefen frei herum, badeten, hielten ihre Kämpfe ab oder
pimperten ungeniert in den Lausepausen. Ich musste Köm bremsen, bei
dem Anblick der Affen nicht gleich wieder in seine alte Gewohnheit zu
verfallen, mit seiner Kacke herum zu schmeißen. Ich merkte, seine
Domestikation war noch nicht abgeschlossen. Wo sollte ich nur die
Kraft dafür hernehmen? Einen Tempel mit bloßen Händen zu
errichten, schien ein Spaziergang dagegen. Dann traten wir den
Heimweg an. Auf den Blauen war noch immer Verlass, aber mehr als 3
Liter gingen nicht raan, obwohl er voll auf Reserve stand. Da konnten
Ben und Bob mehr ab. In Legian angekommen, das alte Spiel: Hitze,
kein Lüftchen, nicht mal am Strand blies der Wind. Köm fuhr nochmal
los, nach Kuta raan, in der Hoffnung einen Optiker zu finden, der
vielleicht seine rechte Kontaktlinse reparieren oder zumindest
untersuchen konnte. Sie kratze ihm auf dem Auge. Er hatte wenig
Glück. Harte Linsen kannten sie dort gar nicht, nur Weiche, und sie
begafften die defekte Linse, wie der Urmensch den Kompass. Blieb ihm
nur, sich klatschnass zu mir an Strand zu setzen, wo ich mit nur 2
Flaschen Vorsprung auf den Sonnenuntergang wartete.
Ohne
Hast gammelten wir dann noch ein, zwei Stunden am Zelt rum bis zur
Pizza. Dort wurde mir plötzlich bewusst, dass ich ja nicht am
Sonntag abreisen musste, sondern erst am Montag. So was Bescheuertes.
Die Zeit hatte sich gezerrt, woher sollte ich denn das wissen? Hatte
ich vielleicht studiert? Ich war nur ein armer Wandersmann, der
seinen Rucksack nur trug, damit er ein Gegengewicht für seinen Bauch
hatte, sonst würde er nach vorne umfallen. So fällten wir erneut
den Entschluss zur Weiterreise. Legian, ein Malle Balis war zu
austauschbar. Zu viele Weiße, zu viele Restaurants und Taxis. Wir
mochten es ruhig und authentisch; asiatisch mit scharfem Reis und so.
Tag 20, Samstag, 17. November 2013 Kedonganan, Jimbaran
Gut
40 Minuten durch das Chaos und wir erreichten eine Bucht südlich des
Flughafens. Kedonganan. Das erste Schild an einem Haus direkt an der
Straße am Strand auf dem FOR RENT stand, war ein Volltreffer. Wir
bezogen im Prinzip die komplette obere Etage, hatten Terrasse
überdacht mit Balkon mit dran, ein sauberes Bad mit allem Komfort
samt Arschdusche und TV und Klimaanlage. Für ca. 17€ pro
Nacht. Wir konnten wieder von Zuhause aus aufs Meer blicken. Der Ort
hatte Fischerdorfcharakter mit verträumten Booten am schneeweißen
Strand und ein paar hundert Meter weiter reihten sich die
Beachrestaurants aneinander. Wir hatten freie Sicht. Wir brauchten
nur über ein paar Wellblechdächer hinüber schauen, hatten die
Brandung aber immer fest im Blick. Genau gegenüber unseres Balkons,
also unten auf der anderen Straßenseite, war der Kiosk, der
ebenfalls unseren Vermietern gehörte. Wir bekamen den
Freundschaftspreis und bezahlten für 2 Kleine das Gleiche wie bei
den Brothers in Legian für eine Flasche. Hätten wir nur eher
gehandelt. Uns wäre viel Kummer erspart geblieben. Erstmals seit
Tagen graute uns nicht vor der Nacht und diesem diabolischen
Deckenventilator, ohne den es nicht ging, jedoch mit ihm noch
weniger. Hatte ich das bereits erwähnt? Ach ja, hatte ich. Alles,
was einen oder mehr Tage zurück lag, wurde quasi..., also befand
sich im Speichervorgang auf einer sehr langsamen Festplatte.
Das
Abendessen nahmen wir am Strand ein. Die Tische standen direkt im
Sand. Köm aß einen Fisch; Red Snapper, ich bevorzugte Mie Goreng
Ayam. Das Essen wurde ohne unser Wissen in 4 Gängen serviert.
Vorsuppe, Salat, Hauptgang, hinterher noch Obst und zu allem eine
Schüssel Reis mit scharf, ultrascharf und Knoblauch gehackt in Öl.
Wir waren sowas von pappsatt, dass kaum mehr Bintang oben drauf
passte. Köm ließ sogar etwas Red Snapper übrig und ein paar
Pommes. Das Ganze für knapp 200.000, also unter 10€ für jeden,
incl. Getränke. Bis Walhalla konnte es nur noch einen Steinwurf
entfernt sein. Scharfer Reis mit Pommes und Fleisch. Wer das nicht
liebt, kriegt es mit dem Bambus. Ich sah fassungslos an mir herunter
und schüttelte mit dem Kopf – hilflos, versteht sich.
Am
Beachrestaurant rechts nebenan, also in nördlicher Richtung, schlich
reges Treiben in den Tagesverlauf sich. Man hatte sämtliche Tische
zu zwei langen Tafeln zusammen gestellt, so dass sie fast bis zum
Wasser reichten. Circa 300 Leute fanden dort Platz, wir hatten das
während des Essens mehrmals nachgerechnet. Plötzlich ergoss sich
ein erster Schwall Japaner auf den Strand. Sie kamen mit 2 Bussen und
hatten praktisch das Geschehen am Strand sofort im Griff. Kaum dass
sie mit Nahrung versorgt waren, kam der nächste Schwall. Alles war
perfekt organisiert. Zum Untergang der Sonne tummelten sich auf
„unserem“ mittags noch so menschenleeren Strand hunderte
kamerabehangene Menschen, zum Glück auch viele Einheimische,
besonders Kinder, im Wasser und Jugendliche, die Fußball spielten.
Die Tore bestanden selbstredend aus zwei Haufen Sand. Wir glotzten
uns in aller Ruhe die vielen Verrückten an und suchten bei
zunehmender Dunkelheit die gepriesene Idylle unseres Balkon. Dass der
Kiosk genau gegenüber war, kam unserem Idealbild der Erholung
sprichwörtlich entgegen. Die Straße unten, auf die unser Blick vom
Balkon aus unweigerlich fiel, war rege befahren. Es gab immer was zu
gucken, die Fahrzeuggeräusche nahmen wir kaum war. Mehrmals rollten
noch die Busse im Schritttempo an uns vorbei, im Kiosk kauften die
Leute Chips und Eis und alle paar Sekunden donnerte eine besonders
laute Welle an den Strand. So ließ es sich aushalten, noch dazu die
Gewissheit, dass das Zimmer auf angenehme 21°C heruntergekühlt war,
ohne dass die AC nach Schimmel und Moder stank. Das Feuerwerk um
22:00 haben wir schon nicht mehr miterlebt.
Tag 21, Sonntag 18. November 2013-02-08 Jimbaran
Die
Hähne aus der Nachbarschaft ballerten los, kaum dass die Sonne guten
Tach gesacht hatte. Es war Zeit, sich auf die andere Seite zu drehen,
mit akzentuierter Ignoranz. Ich hielt das Spielchen bis Achte durch
und stolperte dann zum Balkon um als erstes das Meer zu sehen. Es war
noch da. Ich hatte einen Alptraum gehabt und war noch verwirrt. Ich
trug Sicherheitsschuhe und alles redete durcheinander. Genüsslich
nahm ich den Anblick und die Geräusche in mich auf. Jemand räusperte
sich, ich sah hinab. Ben saß vor dem Kiosk und saugte einen an,
einen Kaffee mit Susu. Er war entspannt und seine Badelatschen
standen durcheinander. Etwas Asche war ihm auf den Tisch gefallen und
mit dem kleinen Wörterbuch fegte er sie weg. Ich nickte und wir
nahmen den Blauen. Wir mussten Mal einen Warung suchen, davon konnte
man besser Kacken. Beim Essen bemerkten wir erst, dass es gegenüber
immer voller wurde und dass alle so festlich gekleidet waren. Da war
irgendwas balinesisches im Gange, soviel war klar. Die Frauen trugen
Schilder mit Nummern an der Brust, die Männer saßen rum und
rauchten Zigaretten mit Nelkengeschmack. Irgendwann schleppten zwei
Gruppen ihre goldverzierten Tempeldinger durch die Gegend, wir haben
nicht herausgefunden, was los war, wir haben auch nicht weiter
nachgehakt. Nein, wir haben einfach nur geölt, uns lief die Suppe
nur so den Rücken herunter und am Allerwertesten entlang. Wir
versuchten es mit Fahrtwind und knatterten auf’s Geratewohl herum,
machten woanders am Strand ein paar Fotos von über 50 geschmückten
Booten auf dem Wasser. Doch es war nicht auszuhalten. Es müssen
mindestens 33°C gewesen sein. Einzige Linderung versprach unser
Balkon und das Zimmer. In Deutschland waren gerade -2°C nahm ich
wohlwollend zur Kenntnis. Tauschen wollt‘ ich jetzt auch nicht,
dachte ich während ich meine Badehose zum Trocknen auf den
Wäscheständer legte. Jetzt noch nicht. Vielleicht morgen oder
besser noch übermorgen, aber dann war ich ja ohnehin zuhause.
Scheiße, heute war ja letzter Tach!
So
zischten wir am Ende ein paar Große mit Sicht auf die See und nahmen
eine Datensicherung der ganzen Fotos vor. Ich hatte jetzt den ganzen
Schrott, den Köm mit seiner Kaugummiautomatencam4
geschossen hat auf meinem USB-Stick, während er sich meine
verwackelten Überlichtungen und abgeschnittenen Köpfe in Ruhe auf
seinem Laptop ansehen konnte, wenn er wollte.
Letzte
Abende haben ja immer so etwas Besonderes; das Bier schmeckt besser,
die Musik klingt voller, die Sterne leuchten anders. So auch an
diesem Abend. Irgendwann hatten wir einen im Tee und mussten was
Essen. Danach war das Geschwitze nicht mehr auszuhalten. Die scharfe
Chili-Sauce presste uns noch den letzten Tropfen Schweiß aus der
Glatze. Im Kühl des Zimmers packte ich meinen Rucksack mit
wohlüberlegter Strategie und nahm traurig Abschied von all den
Dingen, die mir in den vergangenen Wochen die Stellung hielten. Im TV
lief die Serie und ich versuchte mir die Werbung einzuprägen. Dann
legte ich mich hin. Köm arbeitete auf dem Balkon noch was und haute
sich dann auch hin. Aber ich schlief schlecht. Die Gedanken kreisten,
die beiden Köter, die links vom Kiosk im Zwinger wohnten, bellten
mehr, als dass sie wachten. Sie stachelten sich gegenseitig an. So
aufgeschreckt horchte ich in die Nacht, es war um 3:00 Uhr herum, die
Omma-Uhr unten im Wohnzimmer der Wirtsfamilie bimmelte alle viertel
Stunde wie Big Ben, das Meer rauschte, Köm hustete und schniefte und
ab und zu römerte unten ein Moped vorbei. Dazu das Gesumme der
Klimaanlage und zu guter Letzt fing der erste Gockel wieder an zu
bölken. Ich mochte unser Zimmer – ehrlich – aber ich fragte mich
wirklich wie die Leute die hier wohnten je ihren Schlaf fanden. Ich
hatte ja Zeit. Kann man sich antrainieren, einen, nein zwei Hunde zu
überhören, die in 4m Entfernung wie die Irren grundlos um die Wette
blafften? Warum? Na ja, wie auch immer, um 5:55 Uhr kam zu all dem
Krach noch eine Ente dazu; das war mein Weckton, das Startsignal für
den Morgenstuhl. Das Kacken nahmen Köm und ich in all den Wochen
ungemein wichtig. Ohne guten Schiss ging gar nichts. Wer im
Asienurlaub Probleme mit der Scheißerei bekam, wurde nicht wirklich
glücklich. Uns war es gelungen, die Ernährungsumstellung auf
schlagartig 80% Reis mit Nudeln mit Auszeichnung zu parieren. Was
heißt uns; Ben war ja schon Schlimmeres gewohnt. Innerhalb der
zulässigen Parameter war der Stuhlgang funktionstüchtig, würde
Seven of Nine sagen. Normal ging exakt nach dem ersten Kaffe die Post
ab. Da ich damit rechnete, den ersten Kaffee erst auf dem Flughafen
zu bekommen, war ich natürlich etwas in Sorge. Der Rucksack passte
meist in die Kabine nicht mit raan. War letztlich unberechtigt. Ich
hatte die Reihenfolge eingehalten und war vorbereitet.
Um
6:40 Uhr, der Kiosk hatte noch zu, fuhr mich Ben mit dem Blauen zum
Flughafen. Es hatte geregnet, der Sattel war noch nass. Mensch, den
Regen hatte ich bei all dem Lärm heut Nacht gar nicht gehört. Und,
bevor ich’s noch vergesse: während der letzten Vorbereitungen zur
Abfahrt, also gegen viertel nach sechs begann plötzlich ein
vertrautes Gebimmel, Gebammel und Gedonge. Wir trauten unseren Augen
nicht. Am Strand, genau in unserem gewohnten Blickfeld hatten sie
einen Gamelan aufgebaut. Ein Paar Instrumente, einen riesigen
goldenen Tempeldings, wie der von gestern und ein Haufen Balineser
und Balinessen, in Schale geschmissen wie nur irgendwas. Überall
Menschen, noch auf der Straße. Sapperlot, die hatten echt Power, so
früh am Morgen. Ich wollte erst noch fragen, was sie antreibt, aber
wir mussten los.
Wie
gesagt, Köm brachte mich zum Airpocht, nach den üblichen
Fahrspurverwechselungen fand der Blaue einen Parkplatz und der
Abschied tat weh. Würde ich je einen so guten Motorroller mein Eigen
nennen können dürfen? Mit den Fahrspurverwechselungen war das so
eine Sache. Wir kannten das schon von der Fähre nach Java, sowohl
hin als auch wieder zurück. Weil wir am Kassenhäuschen immer länger
brauchten, als die anderen, konnten wir in der Regel niemandem
hinterher fahren, denn die waren ja alle immer schon weg. Meist
fehlten Schilder wie Moped da lang oder hier nur Autos.
Wir fuhren dann immer irgendwo hin, bis jemand pfiff und
gestikulierte. Dieser Jemand zeigte dann oft irgendwo hin, wo gar
nichts war und wir fuhren wie Dick und Doof im Kreis herum, als
hätten wir unser Lenkradschloss noch zu. Ich glaube, die machten
sich wie abgesprochen einen Spaß aus uns Langnasen. Auf Java sagte
mal einer Left und zeigte nach rechts, er hatte sich wohl
versprochen, aber rechts war nix. Büsche vielleicht. Wir mussten
eher 2x left und dann right und das im Linksverkehr, wo sich sowieso
alles dreht. Meist brüllten wir beide einfach laut los, meistens
„Aaaahh“ und einer gab Gas, oft der, der fuhr. Hier gab es
bei der Ausfahrt auf der Schnellstraße 2 Schilder: Airport und VIP.
Wir nahmen Airport, das schien uns logisch, aber das war falsch.
Mopeds fuhren bitte nach VIP. Das musste ich mir merken. Dort war ein
gigantischer Parkplatz für Motorroller. Man kam echt ins Grübeln.
Köm geleitete mich zum ersten Checkpoint, dem Punkt ohne Wiederkehr
und wir sagten Tschüß. Für wie lange wußte keiner von uns beiden
und wir machten auch kein langes Drama daraus. Wir brauchten nach
drei Wochen nicht mehr viele Worte um uns klar auszudrücken. Der
Sack hat sich gleich danach bei Burger-King einen fetten Whopper mit
Pommes reingezogen, während man mich schon wieder in eine Reisbude
hofieren wollte. „Ich geb dir gleich Reis, Junge“, murmelte ich
freundlich lächelnd. Mein Urlaub war zu Ende und ich verfiel prompt
in alte Gewohnheiten. Nein, ich brauchte erst mal einen richtigen
Kaffee und suchte sowas wie Starbucks, doch hier drinnen gab es sowas
nicht. Der war auch draußen, neben Burger King. Na ja, ich fand ihn,
den guten Kaffee und konnte mich zurücklehnen. Es dauerte nicht
lange und ich konnte schon wieder auf den Schacht, aber das Thema hab
ich durch.
Ich
mag das Fliegen nicht. Dieses Gefummel auf engstem Raum, dieses
Brötchengeschmiere mit angedrückten Ellenbogen und dann fällt
einem am besten noch der kleine Löffel runter – nein, Fliegen ist
nicht mein Ding. Ich kriege da immer denselben Gesichtsausdruck, wie
wenn mir der Deckel vom Joghurt beim Öffnen in der Mitte durchreißt.
Der erste Flug von Bali nach Singapur war genau so einer. Ein
tätowierter Ossi hat sich mit seiner Ollen auf meinen Fensterplatz
gesetzt. Ich tat freundlich, es war mir egal, auch wollte ich meine
neu erlernte asiatische Ruhe auf die Probe stellen. Aber als dann
beim Essen diese Fernbedienung vom TV-Gerät beim Tippen immer genau
im entscheidenden Moment ein Menü daneben gesprungen ist, habe ich
innerlich gekocht. Ich hasse sowas. Wenn ich eine Taste drücke und
es passiert nichts und dann passiert es doch, aber erst nachdem ich
längst eine weitere Taste gedrückt hatte, weil ich ja annehmen
musste, dass nix passiert, da konnte ich ausrasten. Da war er also
wieder, der alte Bob, so wie man ihn kannte; dünnhäutig und voller
Zorn auf die beknackte Welt abseits des Strandes und ohne
Meeresrauschen. Doch ich ließ mir nichts anmerken, außer dass ich
den TV-Kopfhörer rausriss, ihn auf den Boden pfefferte und meine
Oper hörte. Hat keiner gemerkt. In Singapur genoss ich die Ruhe,
weil ich genau so viel Zeit hatte, wie ich für alles brauchte. Ich
schlenderte mit einem großen heißen Pappbecher ohne Hast die ewig
langen Gänge und Hallen entlang und sah mir all die verrückten
Menschen an. Hier kamen sie wirklich aus aller Herren Länder. Am
Gate A11, wo mein Flieger stand, dann das gewohnte Bild: Deutsche
wohin man auch sah. Es ging ja nach Frankfurt. Ich hielt mich
abseits, fing kein Gespräch an. Ich wollte nichts von ihnen wissen,
gar nichts. Der folgende Flug war angenehm. Ich saß alleine in
meiner Reihe auf meinem online reservierten Fensterplatz, hinten,
schön weit weg von der Tragfläche, aber nah genug am Klo, ohne
dessen Frequentierung ausgesetzt zu sein. Ich konnte mich quer
hinlegen und schlief sogar richtig. Der Kellner war auf zack. Nur das
mit Batman, das war ein Fehler. Ich hätte es wissen müssen. Immer
wenn ich fliege, läuft irgendwo ein neuer Batman. Batman ist
langatmig und doof. Ich werde nie wieder einen Batmanfilm ansehen,
das sei von jetzt an geschworen. Ansonsten war das alles auszuhalten.
Singapore Airlines war zu empfehlen.
Der
dreieinhalbstündige Aufenthalt in Frankfurt war leider vollkommen
ätzend. Es war schweinekalt überall, ich war seit nunmehr 24h wach
und die Rippchen konnten nicht überzeugen. Und das zog sich.
Endlich, der IC2020 nach Hamburg Altona, der mich bis Osnabrück
mitnahm. Klassisches Sechserabteil, ziemlich altes Ding. Alles noch
von Hand. Hätte nur noch gefehlt das Hercule Poirot im Gang paffend
aus dem Fenster sieht. Auf meinem Platz saß schon jemand. So ne
Dicke. Sonst war das Abteil leer. Ich grüßte und setzte mich ihr
gegenüber ans Fenster. Mir fielen fast augenblicklich die geröteten
Klüsen zu. Nach 20 Minuten hatte ich das Abteil für mich alleine.
Die dicke Frau wurde rausgeschmissen. Sie war Russin, ca. 35 und
hatte keinen Fahrschein. Sie bog sich einen ab, dass die Heide
wackelte. Der letzte Schaffner hätte gesagt, es würde ihr ein
Ticket im Zug ausgestellt werden, und auch wenn ihre Handtasche
gestohlen wäre, würde das ja nichts ausmachen, sie könne ja
einfach später bezahlen, hätte er gesagt, sagt er. Natürlich. Und
auf Bali warten sie nur auf Grünkohl mit Bregenwurst. Das resolute
Schaffnergespann hat Fräulein Rumgestammlikova beim nächsten
Bahnhof aus dem Zug geschmissen. Das war in Mainz und sie wollte nach
Bonn. Wie weit es denn wäre von Mainz nach Bonn, fragte sie. Ich
hatte gerade keinen Empfang und wusste die Antwort nicht. Außerdem
nervte mich, dass sie so tat, als könne sie kein Deutsch, um
hilfloser zu wirken. Sie konnte sehr wohl meine Sprache. Ich wusste
nur zu gut, wie Russen deutsch sprechen oder eben nicht, wenn nicht.
Mit
der Eisenbahn nachts um halb eins,
wenn
kein Geld du hast, bleibst Du in Mainz.
Sollte
mir das für sie leid tun? Wo war die indonesische Hilfsbereitschaft
mit mir hin? Hätte uns das Speedboot zu den Gilis gebracht, wenn wir
keinen Fahrschein gelöst hätten?
Musste
ich mal 140€ Strafe für mich und mein Fahrrad bezahlen, weil Typen
die am Bahnhof abhingen und Leute bedrohten, das
Fahrscheinentwertungsgerät kaputt gemacht hatten? In Deutschland ist
man halt nicht nett und freundlich, da hilft Dir keiner, da gibt’s
ersma ‘nen Anfratzer, dann noch einen oben druff und hinterher wird
Strafe bezahlt. Das war unter Kaiser Willem so, unter Bismark, und
auch die jetzige Bundesregierung wird daran nichts ändern!
So
hatte ich ab Mainz das ganze Abteil für mich alleine. Ich konnte
nach Herzenslust Furzen und in Ruhe den Schnupfen hoch ziehen. Für
den Indonesier ist es ein Hohn, sich mit dem Taschentuch die Nase zu
putzen. Sowas macht man nicht. Es wird lautstark hochgezogen und
ausgespuckt. Für Zwischendurch gilt der Altdeutsche als erste Wahl.
Ich las ein wenig, versuchte zu schreiben und knackte ein paar
Minuten. Die Angst Osnabrück zu verschlafen, saß mir im Nacken.
Diese Angst war vollends unbegründet denn wie ich feststellen
musste, ließ mir die deutsche Gründlichkeit einfach keinen Raum zur
Entspannung. Um kurz vor vier riss jemand meine Abteiltür auf,
knipste das Licht an und weckte mich, indem er mich laut anrief. Ich
erwachte nicht gleich, so tief war ich weg und war reichlich
verunsichert als 3 riesengroße uniformierte Bullen in der Tür und
im Abteil standen: „Guten Morgen, Bundespolizei, bitte weisen Sie
sich aus!“ Ich hasste es. Diese ganze Scheiße fing an, mir auf den
Sack zu gehen, aber gehörig. Wo ich herkäme, was in der
Ukulele-Tasche drin wäre? Übers Handy gaben sie meinen Namen und
mein Geburtsdatum an die Leitstelle durch, aber meine Weste war
blütenweiß. Ich war jetzt schon durch mit meinem eigenen
Land, dabei war ich erst wenige, elend lang erscheinende Stunden
hier. Das war in Münster. Die Bullen verpissten sich wieder, mein
Herz klopfte und der Schaffner der nächsten Schicht stellte sich per
Lautsprecher vor und wünschte mir eine gute Fahrt.
4:50 Uhr, Mittwoch
In
Osnabrück war lediglich der Kaffeeautomat defekt, also nichts
Gravierendes. Ich war mittlerweile seit 28 Stunden auf den Beinen und
vergaß, mich an meine Ausfallerscheinungen zu erinnern. Als der Zug
in Haste eintraf, hatte er 2 Minuten Verspätung. Mein Anschlusszug
nach Hause hätte schon weg sein müssen. Ich stratzte mit vollem
Gepäck los, den Schildern folgend und kaum, dass ich drinne war,
knallte er die Türen zu. Mir tat alles weh. Jetzt waren es nur noch
20 Minuten oder so und als ich endlich zuhause auf den Bahnsteig
stolperte, stand dort meine liebe Beate und wartete auf mich. War das
eine Freude, das kann ich Euch sagen. Mein Sohn konnte leider nicht
dabei sein, er war gerade mit der Schule in Frankreich unterwegs. Ich
glaube, schon am nächsten Tag hatte ich Sicherheitsschuhe an und
alle redeten durcheinander.
Ende
1
Ich hab die halbe Nacht nicht geschlafen, weil ich mich sorgte. Habe
ich ihn gar nicht verfolgt, sondern fühlte er sich gejagt? Tat ich
Unrecht? Ach was. Er kannte diese Insel und wusste, was ihm hier
blühte. Schildkröten sind doch weise. Sie wissen alles, sie tragen
die Welt auf ihrem Rücken.
2
Die Insel Pulau Trawangan ist 2,4km lang und 1,6km breit.
3
Auf Pulau Trawangan geschah eines Nachts folgendes: bei der Runde
mit Gitarre und Akkordeon, kam einer mit ner Tüte Bier und Köm
nahm anschließend die Tüte und steckte sie ordentlich gefaltet in
seine Seitentasche. Ich bekam mit, wie der Gitarrist laut loslachte
und sagte: „Only Germans are folding their Bags. Only Germans do
that.“ Doch wir hatten zuhause keine Tüte mehr, da war doch unser
Müll drinne.
4Casio
Exilim ZR-100
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