Wenn man, so wie ich, eine neue Tastatur sein Eigen nennt; eine die so geil klackert, wie damals, dann ist man eigentlich erst mal gezwungen was zu schreiben. Auch wenn man sich im Grunde gar nicht sicher ist was und verdammt noch mal worüber. Das spielt auch zunächst keine Rolle. Das Geräusch allein ist hypnotisch genug, bis einem klar wird, dass einem die Welt zu Füßen liegt.
Als ich neulich über Barsinghausen flog, mein Cape flatterte im Wind,
entsannen mir einstige Begebenheiten. War es nicht dort, wo ich als Kind wetteiferte? Nich in Tor und erster alles. Und dort, der Tarzanbaum. Ätschi, Bätschi. Eben dies. Ich versank in Gedanken und streifte fast ein Bauwerk bis bremsend sanft am Fuße eines Brunnens ich hernieder schwebte. Ich hatte mich verflogen gehabt. Meine Map-App zeigte einen mir unbekannten Ort und mein mobiles Datenvolumen schien beinah überschritten, doch weit gefehlt; ich hatte eine Flatrate! Ich war zum Handeln nicht nur entschlossen. Ich würde einen Wirt um Rat fragen. Mir war, als bräuchte ich die Worte eines Mannes, der wusste, wie man die Welt zu retten vermag, wenn nutzlose Fragen ihre Nutzlosigkeit einbüßen.
Es dauerte nicht lange und wir kamen überein.
Er war die geborene Wegbeschreibung. Atze Dillinger. Er zeigte mir wo's lang ging und hatte genug Kraftstoff in seiner Zapfsäule aus Edelstahl. Als ich bemerkte, dass er Rücken bekam, nur weil er wegen mir schon zum dritten Mal das Fass wechseln musste, hielt ich in meiner Trinkbewegung inne und kämpfte gegen den Drang an, meine Muskeln zu stählen und meine Fähigkeiten weiter auszubauen.
Auf dem Dach der Herrenhäuser Brauerei legte ich eine Verschnaufpause ein, obwohl ich, offen gesagt, nicht annähernd aus der Puste war. Mit meinem Superblick konnte ich es sehen, das goldene Glück, in Tank 3. Mein Strohhalm wurde die herausgerissene Dachrinne vom Bürotrakt nebenan, ich rammte sie einfach durch die marode Dachpappe und es fügten sich die Dinge zu einem wunderschönen Gemälde, eines Meisters Hand entsprungen. In leuchtenden Farben präsentierte sich mir das Dasein als ein frohlockendes Geheiß. Ich war unfähig das mir Geschenkte zu beschreiben. Wunschgemäß läge ich noch heute dort, auf dem First, die Dachrinne im Mundwinkel. Von unten pumpten die Braumeister unentwegt das Elixier in Tank 3, der Rhythmus meiner Schlücke synchronisierte sich mit der Förder-leistung der Nachtschicht.
Trotzdem flog ich weiter. Musste ja irgendwie weiter gehen. Über Wälder und Auen. Leuchtendes Ährengold und so. Ich wär ja so gern noch geblieben, aber aus diesem Grund bog ich heimwärts ab, kam vor meinem alten Auto zum stehen. Auch ohne Superblick erahnte ich die kaltgestellten Bierflaschen im Kühlschrank. Zeit, meinen Superherri-Strampelanzug gegen eine Superjogginghose einzutauschen. Das Cape war so zerfleddert wie die Metallica-Fahne vom letzten Jahr, die stolz dem Herbststurm trotzte. ...and justice for all.
Als ich am nächsten Morgen erwachte, tat mir alles weh und meine Superkräfte waren verschwunden.
Das Gelb meiner Zähne überstrahlte das Rot meiner Augen. Mein Elixierpegel war unter den kritischen Wert gesungen, sodass mein Körper nicht in der Lage war, die Kräfte zu aktivieren. Für diesen Moment war das in Ordnung. Ich hatte vor, mich zu rasieren, da konnten Superkräfte mitunter hinderlich sein. Das eine Mal hatte ich beim Abklopfen des Rasierschaums das Waschbecken abgerissen. Es mir auf die eigenen Füße gedroschen. Ohne Sicherheits-Badelatschen. Das andere Mal zerquetschte ich aus Versehen gleich die ganze Dose mit dem Rasierschaum. Ich sah danach vielleicht aus! Ich musste jemanden kommen lassen, um das zu beseitigen.
Unmittelbar darauf stählte ich mich wieder. Mein Einsatzbefehl war auf den Boden irgend einer Bierflasche graviert. Aber von Innen. Man musste es durch Ausprobieren heraus finden. Ich fand ihn. "Wär schnell erledigt, dachte ich". "Ein Mann muss ein Ziel haben, einen Auftrag; etwas, das ihn antreibt", dachte ich.
-Besorge Elixier, ein schwerer Gegner bedroht die Stadt!- stand auf dem Boden der Flasche in einer der unteren, hinteren Kisten bei mir im Keller.
"Ja toll, welche Stadt? Holland oder was? Neustadt am Rübengebirge oder wie? Geht's auch genauer?"
Oh, da war ja noch ein Schluck drinne:
-Njeproposibirsk-
"Ja Super. Hab ich jetzt auch voll Bock drauf."
-Nein, ich hab dich verarscht; April, April!-
"Hä?" Meine Flasche konnte sprechen.
-Was denn sonst?-
Cool, meine Flasche konnte reden. "Ey Flasche, warum bist'n Du so braun, warste im Urlaub?"
-Schnauze, hör zu. Es werden Raumschiffe landen, in absehbarer Zeit. Sie werden versuchen Unheil anzurichten und nur Du wirst die Fähigkeit haben und die Macht, sie davon abzuhalten.-
"Jo, und die Herrilichkeit in Ewigkeit", ich wurde langsam neugierig.
-Sie werden von Norden angreifen, es kann aber auch sein, dass einige von Süden kommen.-
Ich, äh, ich schien etwas verwirrt. "Moment", sagte ich, "kann es sein, dass Du mir etwas verschweigst? Dass die Dinge, die Du redest gar nicht die sind, was sie in Wirklichkeit sind, also in Ehrlichkeit jetze, so von wegen wie..., na in Echt so, Du weißt schon. Also, dass das, was Du sagst, gar nicht der Wahrheit entspricht?"
Die Flasche war eingeschlafen, ich musste sie durch eine neue ersetzen.
-Äh, was?-, sagte die Flasche.
"Stimmt das auch, was du gesagt hast?"
-Na logan, Mann. Scharenweise werden sie hernieder regnen, der Himmel wird schwarz bzw. grün sein und es wird aussichtslos scheinen. Aber Du mußt kämpfen! Du musst stärker werden damit Du, wenn es soweit ist, bereit bist für Deinen größten Kampf.-
"Aha."
-Weitere Anweisungen bekommst Du auf dem Boden einer Bügelflasche Mönchshof Original 0,5l, auf einer der rechten Euro-Paletten in Gang 3 bei TrinkGut. Kann aber auch sein, dass die Flasche noch im LKW auf der Autobahn unterwegs ist.-
Ich flog schonmal los. Ich startete einfach durch die Decke, so ernst nahm ich meinen Job. Erinnert mich bitte daran, dass ich einem Dachdecker meine Karte gebe.
SUPERHERRI
Trinkfest und an zwei Orten gleichzeitig,
jedenfalls kommt es Ihnen so vor.
steht da drauf. Die gab es mal bei superprint.de.de.eu.ru, für umsonst, wenn man sich noch ein Cape extra bedrucken ließ. Erst später fiel mir auf, dass ich gar keine Nummer und keine Adresse auf meiner Karte angegeben hatte. Ich fürchte, auf den Dachdecker kann ich lange warten.
Ich streckte also den rechten Arm aus, den linken hielt ich angewinkelt und ballte meine Hände zu Fäusten. Das linke Bein zog ich etwas an. Das gab meiner Gestalt etwas heroisches und es lenkte ein wenig von meinem Bauch ab. So überflog ich auf dem Weg zu TrinkGut noch eben kurz die verruchten Plätze meiner Heimat. Am Bahnhof verteilte ich Ohrfeigen an Fahrraddiebe und hinter der Turnhalle knöpfte ich zwei Zwölfjährigen die Bierdosen ab.
"Mit mir nicht, Freunde", nicht immer waren Helden beliebt. Mich jedoch machte das schneller. 2 Dosen brachten locker 40 PS. Mein Röntgenblick verstärkte sich dabei auch immer um einige Prozent, ein Umweg über das Schwesternwohnheim neben dem Krankenhaus war da schier unausweichlich.
Bei TrinkGut war man zunächst nicht gut auf mich zu sprechen, doch als ich der Kassiererin mit meiner SuperKreditkarte frische Luft zufächelte, gelang es ihr endlich einen Angestellten herbei zu winken, der sich um das Leergut kümmerte. Sie mussten sogar noch einen aus dem Urlaub holen, um in angemessenem Tempo meine leeren Flaschen auszubuchen. Der Auftrag wollte einfach nicht erscheinen. Dann, draußen gab es schon einen Gabelstaplerstau vor den herankarrenden Lastwagen; eine Botschaft vom Boden einer Bügelflasche:
-Sieh in die Sterne im Zenit, bei jedem Schluck, und hüte Dich vor den Angriffen.-
"Mir wird das gleich zu bunt hier, Pulle", ich war nunmehr sichtlich erbost, "ich hab nen Röntgenblick, dass ich den Erdkern glühen sehen kann, ich fliege in 12 Sekunden um den Globus und zwar drei mal. Wenn Du mir nicht auf der Stelle sagst, was mein verschissener Auftrag ist, hau ich Dir was auf die Fresse!"
Das saß. Ich hatte ihn geweckt.
Den Chor der Flaschen.
Engelsgleich erhoben sich Stimmen aus den überall herum stehenden Paletten mit Leergut. In einem vierstimmigen vokalen Orchester erkannte ich die opal an mich gerichteten Worte.
Erstarke, Erstarke
am Elixier der Kraft
nimm es ein und erstarke
und tu, was keiner schafft,
schaff das Unbill aus der Welt,
Niedertracht und Gewalt,
und lieg auch mal mit Zelt,
und nem Herri, richtig kalt.
Versetz dem Bösen einen Streich
und zwar gleich.
Da wurde es mir zu blöde. Entweder die Flasche rückte nicht mit der Sprache raus oder ich hatte mittlerweile schon zu viel getrunken und raffte es irgendwie nicht mehr ab. Ich brauchte eine Pause.
Eines Hechtsprungs nicht unähnlich versetzte ich mich hinaus und stieg empor.
Von den ganzen Raumschiffen bekam ich langsam Drang und Lust in den Raum zu schiffen. Wie ein Pfeil schoß ich in den Himmel, vorbei an den Wolken durch die immer dünner werdende Luft. Mir egal, ich brauchte keine Luft. Ich generierte aus meinem Gerülpse neuen Atem und konnte so wochenlang im All überleben. Ich brauchte dafür lediglich Bier. Natürlich hatte ich schon vor längerer Zeit einige Kisten Herri im Weltraum versteckt. Zwei 30er Drittel hatte ich mit einem Bindfaden am Hubble-Teleskop festgemacht. Weitere waren im Schlepptau von irgendwelchen Satelliten; irgend solche Google-Dinger. Sie werden nie heraus finden, warum jede 60. Suchanfrage als Ergebnis Herrenhäuser Premium Pilsener anzeigte. Immer wenn ich mich dort oben an einem eiskalten Getränk erfrischte, veränderte sich das Ergebnismuster, der Alkorhythmus bei Google.
Wenn mir, wie es ab und an vor kam, im All leicht fröstelte, flog ich gerne Richtung Sonne. An guten Tagen schaffte ich die 8 Lichtminuten in 4,9. Die scheinbar zufällig erartete Ähnlichkeit dieser Zahl mit dem Alkoholgehalt von Herri ließ mich teilweise und mitunter einen kosmologischen Plan erahnen.
Es war wie ein Wettrennen zweier Gedanken in einer temporalen Leergutannahme. Engelchen und Teufelchen auf dem Etikett. Ich hatte ein Herrenhäuser Zeitparadoxon erschaffen.
Das Herrenhäuser Zeitparadoxon
Wenn man, so wie ich nach der Einnahme von 0,33*30hoch4,9 Litern Premium, schneller als das Licht fliegen kann, kann es schon mal vorkommen, dass man nicht gleich versteht, welchen Einfluß das eigene Verhalten auf den Heimatplaneten hat. Ich verstand damals nicht die Zusammenhänge. Ich hatte ja gar keine Zeit in Ruhe nachzudenken, da ich schneller als das Licht flog. Wer Ähnliches durchgemacht hätte, würde mich sicher verstehen.
Auf meinem Weg zur Sonne, den ich, wie gesagt, in 4,9 Minuten bewältigte, zog ich eine Spur aus Pfandflaschen hinter mit her. Die allein hätte ausgereicht, den Inkas z.B. das Fürchten zu lernen, da sich die Sonne dadurch weitaus mehr verdunkelte, als seinerzeit bei Tim und Struppi. Meine Pfandflaschen hingegen wurden mit Überlichtgeschwindigkeit im All verstreut. Für einen Beobachter auf der Erde war dadurch im sichtbaren Licht jede Flasche überall gleichzeitig. Es wurde dunkel.
Es entstand ein röhrenartiger Schlauch zwischen der Sonne und der Erde, dessen Schatten den sogenannten "schwatten Fleckes" erzeugte. Ein Bierschattennexus. Ein fast kreisrunder Schatten mit der Größe von 1670km, sodass er den zugewandten Teil der Erdoberfläche für eine Stunde bedeckte. Relativ zur Erddrehung stand die Röhre still im All.
Die Anwesenheit des Schwatten Fleckes erhielt Einzug in die Geschichtsbücher, als man erkannte, dass diese einstündige Dunkelkeit der Welt den Frieden bescherte. Weltweit wurde einmal im Jahr "La tache noir" gefeiert, eine Stunde wie eine Sonnenfinsternis in der gesoffen werden musste. Nur dass es eben richtig dunkel wurde. Richtig Schwarz. Pures Nichts. Zum Glück wurde dabei die Wärmestrahlung kaum beeinträchtigt, da die Flaschen im Nexus noch immer mit Überlichtgeschwindigkeit tanzten. So konnte man wenigstens sitzen bleiben, wo auch immer man sich gerade aufhielt. (Die Logik, warum das Licht der Sonne die Röhre nicht durchdringen konnte, die Wärmestrahlung aber doch, lag auf der Hand. Es würde jetzt aber zu lange dauern, das zu erläutern.)
An dem Tag, als Putin und Obama während des Fleckes gerade auf Rarotonga Urlaub machten, haben die beiden während der Stunde so viel gesoffen, dass sie sich lachend in die Arme fielen, laut "la tache noir" singend, beschließend mit der ganzen Scheiße aufzuhören. Sie hielten Wort und die Welt verwandelte sich in einen Priel aus Heiterkeit ohne Mangel.
Ich weiß das nur weil ich auf dem Rückweg von der Sonne nach Hause in der Zukunft gelandet bin. Kam mir dann auch vor, als hätte ich seit 23 Jahren keinen mehr gesoffen..
"Wo bin ich?" Sprang mein Roller noch an? Gab es überhaupt noch Benzin?
Nein. Herrenhäuser hatte die Weltherrschaft übernommen und es gab keinen Grund mehr sich zu bewegen. Das Erlangen von Mobilität war nicht länger der Antrieb des menschlichen Denkens und Handelns. Es lief Bier aus jedem Wasserhahn auf dem Globus. Augenscheinlich war das Glück mir hold.
Fast schien, als nähme das Erdenrund letztlich noch freundliche Züge an. Doch kein Dasein ohne Bösewicht und so dauerte es dann auch nicht lange, bis sie die Erde erreichten; die Raumschiffe.
Sie kamen von überall her, also so Norden so und Süden. Die Flasche damals hatte die Wahrheit gesprochen.
Ich mußte mir etwas einfallen lassen und darüber hinaus war es notwendig meine Superkräfte aufzufrischen. Da aus jedem Hahn der Welt Herrenhäuser Premium Pilsener floss, entschied ich mich zunächst für einen C-Schlauch der Feuerwehr. Und weil es schnell gehen musste, wrang ich das Feuerwehrauto einfach aus. Dann stellte ich mich dem Kampf. Ich erledigte 4hoch9 der gegnerischen Vorhut im Vorbeiflug. Es waren grüne Schiffe aus Glas mit einem veralteten Gildeantrieb. Sie hatten mir unerwartet wenig entgegen zu setzen.
Viel schlimmer waren die anderen, die Großen, aus weißem Glas. Ich schnippte Kronkorken gegen ihre Panzerung und konnte sie damit zur Strecke bringen, doch das kostete wertvolle Zeit. Ich mußte ja jedesmal die Flaschen erst trinken um meine Feuerkraft zu erhöhen denn ich wollte schließlich auch ihre Schilde durchdringen. Aber es wurden immer mehr Schiffe, der Himmel war irgendwann übersät und es schien aussichtslos. Die Sonne kam kaum noch durch. Überall grünes und weißes Glas. Eine neue Waffe musste her. Nur ein Superdupaherri konnte die Welt jetzt noch vor der sicheren Übernahme durch feindliche Schiffe bewahren.
Ich mich also auf den Weg gemacht zum nächsten Olympiastadion der Schwimmsparte. Man schwamm heutzutage in Bier. Die anwesenden Badegäste fielen sozusagen aus ihrer Schwimmbewegung heraus auf den gefliesten Boden der Bierbecken. Unter dem Zehnmeterbrett, also im Tiefen, soll es sogar zu Verletzungen gekommen sein, so schnell hatte ich das Becken leergesoffen. Logischerweise musste ich auf meiner Flugroute zum nächsten Stadionbad laut rülpsen und entdeckte auf diese Weise meine Wunderwaffe. Die Frequenz meines Rülpsers ließ sämtliches Glas in 10.000km3 zerbersten. Es regnete unmittelbar nach jedem Aufstoßen Quarzsand vom Himmel. Ich brauchte nur möglichst schnell, möglichst viele Badeanstalten leer zu picheln und jedesmal hinterher zu rülpsen. Das nannte ich mal einen Auftrag. Im nahen Osten hatte ich einen Versorgungsengpass, es gab dort einfach nicht genug Schwimmbecken und Pools. Immerhin hatten sie vor Dubai schon das Meer in Bier verwandelt, sodass ich auch dort als Sieger hervorging.
Es dauerte ganze 4 Tage und 9 Stunden, bis es mir gelang, die Welterlösung zu beenden. Sämtliche feindlichen Schiffe wurden eliminiert und zu feinstem Sand zermahlen. Plötzlich waren überall Strände. Fußgängerzonen, Fabrikparkplätze, vorm eigenen Haus; alles voll Sand. Fußball konnte nur noch barfuß gespielt werden. Cocktailbars schossen aus den Böden, Kioske entstanden, als hätte jemand einen kleinen Eimer Legosteine in einen Sandkasten gekippt.
Auf diese Weise gelangte ich zu Ruhm, und doch, wie sich heraus stellte, war dieser ein Freund der beispiellosen Zweifelhaftigkeit. Es gab keine Fenster mehr und keine Flaschen, keine Gläser. Keine Spiegel und selbst ein Großteil allen Porzellans wies gefährliche Risse auf. Die Infrastruktur eines auf dem Genuß von Herrenhäuser Premium Pilsener beruhenden Planeten war zerstört! Aber es gab Plastikbecher und Pipelines aus Edelstahl. Die Kioske waren über ein Schlauchsystem mit den Großverteilern verbunden und stellten so zumindest eine Grundversorgung sicher.
Es war jetzt schon irgendwie Kacke, dass es in New York oder Tokio z.B. nicht ein heiles Fenster mehr gab, Downtown voll Sand und Stahlgerippe ringsumher. Doch man hatte überlebt. Das musste gefeiert werden. Wir haben die Gilderaner besiegt und der Welt den Frieden zurückgegeben. Sie waren mir schon irgendwie dankbar, auch irgendwie.
So zog sich das alles erstmal 'ne Weile hin. Die Menschen feierten fröhlich auf den sandigen Straßen. Doch der Winter kam und die Häuser waren größtenteils ohne Fenster. Die Nachfrage nach Glas war natürlich gewaltig.
Also nahmen sie Holz. Musste ja irgendwie weiter gehen. Wenn man es sich recht überlegte, waren sogar die ganzen Brillen weltweit zu Bruch gegangen, sofern sie aus Glas waren. Es wurden im Nachhinein so viele Wälder zusätzlich abgeholzt, um die Buden dicht zu kriegen, dass es die Welt in ein blankes Chaos stürzte. Allein in Frankreich wurden..., aber lassen wir das.
Am Ende habe ich die Welt unter dem Einfluß des Elixiers aus erlesensten Zutaten erst gerettet und danach ihren Untergang herbeigeführt. Eine globale Wüstenei hielt überall gleichzeitig Einzug. Der Sand aus Glas erstickte fast alles Leben und die Bäume waren so gut wie gefällt. (Es dauert eine Weile bis einem klar wird, um welche Menge Sand es sich hier global handelte. Allein die Anzahl der grünen Flaschenschiffe die von Norden kamen auf einem Haufen hätte ausgereicht um den Himalaya nachzubilden und den Mariannengraben vollzukippen.)
Ich war zutiefst bestürzt und schwor, meine Kräfte niemals mehr wieder einzusetzen. „Nichtmal ne Katze hol ich vom Dach“, sagte ich, „ich geh mal zu Fuß“. Ich konnte ohnehin ein wenig Bewegung gebrauchen. Mal ein bisschen frische Luft und nicht ständig dieses Überschallgeballer in den Ohren. Einfach mal die Ruhe genießen, die Landschaft, den Wind, wie er den Quarzsand gegen die Sachen wehte, welche nicht aus Quarzsand waren und die im Moment noch aus diesem heraus ragten.
Staubige Luft, ich bekam langsam einen trockenen Hals. Ein Kiosk, der gestern noch in einer Wanderdüne steckte, wurde soeben vom Wind freigelegt. Der Besitzer hatte noch immer einen Schlauch im Mund. Ob ich mal dürfte, fragte ich. Er hatte nichts dagegen.
Es war kalt, es war frisch, ich handelte mir eine frische Erkältung ein. Nein, lasst mich doch mal ausreden; es war kalt und frisch und so nahm ich eine kalte Erfrischung ein.
Nach 20 Sekunden setzte ich das erste Mal ab, weil irgendwas mit meinen Füßen nicht stimmte. Ach ja, sie berührten den Boden nicht mehr. Ich flog schon wieder. Ganz vergessen, ich wollte meine Kräfte ja nicht mehr verwenden. Eh ich mich versah, hatte ich mit dem darauffolgenden Schluck den Schlauch halb inhaliert und im nächsten Großverteiler ein Vakuum erzeugt, welches die dortigen Tanks in sich zusammenfalten lies. Besser, ich haute hier ab. Wusch, war ich wieder unterwegs. Ich hatte es nicht eilig und sah mir meinen Planeten an. Im Tiefflug ähnelte alles der Sahara, ich meine jetzt alles. Ich musste wieder mal höher hinauf steigen um die Umrisse der Kontinente zu sehen; die gesamte Landmasse war im Grunde gelb mit einem leichten Grünstich. Was hatte ich da nur angerichtet? Sah so die Rettung der Erde aus? Wäre ein Leben unter der Knechtschaft der Gilde erträglicher gewesen? Hatte ich eine Wahl? Es stand doch auf dem Boden der Flasche! Was hätte ich sonst tun können? Ich meine, schauen wir uns die Welt doch einmal an, so wie sie geworden ist. Welcher Planet hat es denn sonst soweit gebracht, dass Bier aus dem Wasserhahn läuft? Ok, ich hätte nicht die Sonne anzufliegen brauchen, dann hätte es keinen Frieden gegeben und der Menschen Sorgen wären andere. Gewesen. Am Ende ist es doch wurscht in welchen Abgrund man fällt, wenn er nur tief genug ist. Die Frage ist, ob die Gilde jemals unseren Planeten aufgesucht hätte, wenn nicht ausgerechnet Herri die Weltherrschaft erlangt hätte. Stellten wir eine Bedrohung für sie dar?
Verdammt es musste doch möglich sein, in dieser beknackten Zeit wieder zurückzureisen. Ich meine, was soll das? Wenn es mir gelang 23 Jahre in der Zeit vorwärts zu reisen, was sollte mich jetzt daran hindern das Gleiche auch in umgekehrter Richtung zu tun?
Doch wie stellte man das an? Wie Superman vielleicht entgegen der Erddrehung fliegen um mit einem bremsend wirkenden Sog die Rotationsrichtung der Erde umzukehren? Das war jetzt echt zu unrealistisch, das würde nie klappen. Da fielen ja alle Tische um und die Meere träten über die Ufer.
Ich musste eine andere Möglichkeit finden; eine die der Menschheit keinen weiteren Schaden mehr zufügen würde.
Das war ja ohnehin so eine Sache mit den Zeitparadoxen. Wenn ich erst damit anfange, sitz ich ja morgen noch hier.
Nein, es musste auch einfacher gehen, irgendwas Logisches, etwas was damals im Fernsehen lief, als die Funkmasten noch nicht im Sand verschwunden waren.
Es musste mir doch irgendwie gelingen, die Expansion des Universums umzukehren und beschleunigt 23 Jahre mittels gesteuerter Implosion zurückzuspulen, das konnte doch nicht so schwer sein, Herrgott noch mal. Dafür würde ich eine Menge Bier brauchen, soviel stand schonmal fest.
Jedenfalls konnte ich nicht wieder einfach in Überlichtgeschwindigkeit zur Sonne zurückfliegen, diese Vorgehensweise brachte mich schon einmal in die Zukunft und sicher würde sich das wiederholen. Immerhin basierte das auf logischer Physik.
Dann kam ich drauf. Ich glaub, es war an einem Strand in Südostasien, zumindest sah es so aus, aber da es überall gleich aussah, war das ja auch egal. Wenn es mir gelang, die Strecke bis zur Sonne in Null Sekunden zurückzulegen, statt in 4,9 Minuten, wie bisher, dann könnte ich einem Ereignis in der Sonne beiwohnen, während es entsteht. Jetzt bräuchte ich nur noch einen Tuck schneller machen und schon wäre ich vor dem Ereignis dabei und zack!
Gesagt getan: ich ballerte mir 7 Tage und 8 Nächte sämtliche Biervorräte rein, an die ich heran kam. Selbstverständlich mußte ich mich gegen die Bevölkerung zur Wehr setzten. Niemand hatte Lust bei diesen Bedingungen auf dem Trockenen zu sitzen. Am Morgen des 8. Tages, ein Montag, begann ich meine Zeitreise. Vor lauter Supadupaherrielixier quollen meine Augen geradezu rotgläsern aus ihren blau unterlaufenen Höhlen.
Ich zischte los und weg war ich. In Nullkommanichts. Nicht die Bohne an Zeit brauchte ich um die Strecke zur Sonne zurückzulegen. Ich wurde quasi Zeuge wie die Sonne Wasserstoff zu Helium verbrannte und darüber hinaus; ich war ja noch einen Tuck schneller gewesen und beobachtete so, wie die Sonne gleich vorhatte, Wasserstoff zu Helium zu verbrennen. Ich bekam langsam Durst. Ich hatte schon wieder seit Planckzeit nichts getrunken.
Diesmal sah es mau aus. Es schien mir unlogisch, dass hier bei der Sonne auch nur eine kalte Flasche Herrenhäuser Premium Pilsener anzutreffen sei.
„Am besten erstmal zurück zur Erde“, dachte ich mir und im identischen Moment saß ich auf der Erde. In einem Campingstuhl. Vor einer Feuertonne.
Puh, ej.
Ich hatte es geschafft. Der Zeitsprung hat funktioniert. Es lief Heavy Metal und auf einem auskühlenden Grill lag noch eine verschrumpelte Wurst.
Sicher, es würde irgendwann Zeit zu beschließen, vielleicht in Bälde über die Reduktion des Bierkonsums nachzudenken, doch exakt dieser Moment war in seiner Gänze dafür denkbar ungeeignet.
Vielleicht hätte ich einen günstigeren Zeitpunkt zur Rückreise durch die Zeit wählen sollen, als ausgerechnet die Phase, nachdem ich das Dach meines Hauses zerstört hatte, weil ich damals zu übereifrig gen Himmel stob. Aber was soll man machen? Man ist ja schon froh, wenn man bei einer Zeitreise nicht in einem Schneesturm landet, mitten auf der Autobahn. Oder Aug in Aug mit einem völlig überdrehten Hauptgefreiten während des Sturms auf die Normandie.
So aber hatte ich ein finanzielles Problem. Was erzähle ich meiner Versicherung? Wie erkläre ich, dass alle herumliegenden Dachziegel außerhalb des Hauses und in der Dachrinne liegen, statt wie bei einem anständigen Meteoriteneinschlag z.B. innerhalb des oberen Stockwerks? Bei so einem Loch, das kauften die mir doch im Leben nicht ab.
„Tja, Herr äh, Super“, höre ich sie sagen, „wie ich sehe haben sie den Schaden an ihrem Dach selbst zu verantworten, eine Versicherungsleistung findet nicht statt“, oder so.
„Das war aber doch aber ein Meteorit gewesen, war das“, stammle ich.
„Haben Sie überhaupt einen Lappen für heldenmäßige Hyperaktivität? “, sagt sie.
„Hä?“
Ich musste eingenickt sein. War aber auch wieder anstrengend gewesen, die letzten Tage. Zum Glück stand eine offene Flasche Premium in Reichweite. Beherzt gab ich meinen Kräften einen kleinen Schub. Danach mussten mich meine Kumpels mit Seilen an Heringen im Boden befestigen, weil ich dauernd aus Versehen beim Erzählen, was mir so gerade passiert ist, aus dem Stuhl schwebte. Der Luftsog des Feuers nahm mich mit und brachte mich dann immer bedrohlich nah über die Tonne. Mir machte das nichts aus, aber meine Klamotten fingen schnell an zu mölmern.
Die Kumpels lauschten dabei wie gebannt meinen Worten. Sie hingen an meinen Lippen, doch da ich mittlerweile Bartträger geworden war, verfolgten sie mehr den Senfklecks, der im Begriff war, zu verkrusten. Der eine kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, der andere im Grunde auch nicht.
„Ey, Junge, du warst überhaupt nicht weg, Junge“, sagte ein weiterer. Ein notorischer Skeptiker.
Für sie sah das natürlich so aus. Eine gut gemachte Zeitreise hat es so an sich, dass man sie als Außenstehender nicht bemerkt. Bei Patzern kann es schon mal vorkommen, dass man plötzlich, mitten im Satz, auf einem anderen Stuhl sitzt und alle glotzen verdattert hin und her und kratzen sich am Kopf.
Aber ist ja auch egal.
Als ich fertig erzählt hatte und damit endete, dass ich soeben erst hier gelandet bin, war das Bier alle. Das Holz auch. Jedem war klar, dass er sowieso Filmriss haben würde, deshalb lachten alle und gingen nach Hause.
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